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Mannesalter (1901)
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„...ein stattlicher schwäbischer Ritter, kühn und tapfer..."

Johann Gottfried Pähls Ritterroman „Ulrich von Rosenstein" (Basel 1795) im Internet
Klaus Graf

„An der nördlichen Grenze des Aalbuchs, wo sich das Gebürge in den Gauen, die der Kocher
und die Rems bewässern verliehrt, erhebt sich an der Spitze eines in das Thal hervorsprin¬
genden Hügels, kühn und trotzig, ein ungeheurer Felsen, auf drei Seiten durch senkrechte
Wände unzugänglich, und auf der vierten, durch einen schmalen Fußsteig mit der Ebene
des Gebürgs verbunden. Eine hohe Mauer, aus mächtigen Quadern aufgeführt, und an der
westlichen Eke ein runder Thurm, stark verletzt durch den Zahn der Zeit, - verkündigen hier
dem Wandrer, den ehemaligen Wohnsitz eines deutschen Ritters. Eine unermeßliche Gegend
überschaut der Beobachter in den Ruinen der zerstöhrten Burg, die man nur mit Mühe und
Gefahr erklettert. Denn an einem schauerlichen Abgrund, zieht sich der schmale, klippigte
Fußsteig herum, der allein auf den Gipfel des Felsen führt, und wildes Gesträuch und Dorn¬
gebüsch, aus verwitterten Steinen hervorgewachsen, machen die Tritte unsicher. Rosenstein
ist der Name der Burg.

Auf dieser Felsenspitze siedelte im fernen Mittelalter Ulrich von Rosenstein, ein stattlicher
schwäbischer Ritter, kühn und tapfer, bieder und fromm, der nie aus einem Streite als Be¬
siegter, nie von einem Turniere ohne Dank zurückgekommen war. Er war der Schreken der
Boßheit und die Zuflucht der Tugend. Unermeßlich war sein Reichthum, groß die Zahl seiner
Hintersaßen, und wol vierzig Edelknechte, zog er aus zur Fehde, folgten seinem Banner."

Mit diesen Worten beginnt ein anonym bei dem Basler Drucker Flick im Jahr 1795 er¬
schienener Ritterroman „Ulrich von Rosenstein. Eine Geschichte aus der Ritterzeit". Sein
Autor, der sich spätestens in seinen (posthum veröffentlichten) Lebenserinnerungen zu dem
belletristischen Werk bekannte: der evangelische Pfarrer von Neubronn, Johann Gottfried
Pähl, damals 27 Jahre jung. Der gebürtige Aalener war einer der begabtesten ostschwäbi¬
schen Autoren seiner Zeit, wenig später sollte er sich als württembergischer Publizist einen
Namen machen.

Nach dem aus finanziellen Gründen verkürzten Theologiestudium in Altdorf hatte Pähl,
1768 in der Reichsstadt Aalen geboren, zunächst Vikariatsstellen in Fachsenfeld und Essin¬
gen bekleidet, bevor er 1790 Pfarrer im Wöllwarthschen Neubronn wurde. 1808 wechselte
er die Pfarrstelle und ging nach Affalterbach, 1814 nach Fichtenberg. 1824 wurde er Dekan
von Gaildorf, 1 832 Generalsuperintendent von Schwäbisch Hall. Als Prälat hieß er nunmehr:
Johann Gottfried von Pähl. 1 839 starb er während der Landtagsperiode in Stuttgart. Von 1 801
an gab Pähl bei dem Gmünder Buchdrucker Johann Georg Ritter eine patriotisch-liberale
Zeitschrift, die „National-Chronik der Teutschen" heraus, die 1 809 vom württembergischen
König verboten wurde. Über 50 selbständige Veröffentlichungen und an die 100 Aufsätze
(nicht gerechnet die vielen Rezensionen) zählt sein Schriftenverzeichnis 1 .

Wiederholt werden die beiden Ritterromane Pähls - außer dem „Ulrich von Rosenstein"
der Briefroman „Berta von Wöllstein" (Nördlingen 1794) - in der Pahl-Literatur erwähnt.
Fraglich ist allerdings, ob jemand tatsächlich die Bücher in der Hand gehabt hat. Denn als
ich mich 1992 für den „Ulrich von Rosenstein" interessierte, erlebte ich zunächst eine herbe

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