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Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1926)
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glteder des Voltsrates genommen und die Befreiung machte
sich nach Oeffnung der Fenster in einer allgemeinen Ver¬
brüderung Luft, die ein anwesender Zeitungsberichterstatter
sofort dem „Anzeiger" anzuzeigen für angezeigt hielt. Herr
Artcuculi fiel als erster dem Oberstmanne Grasheuer
um den Hals unö riß zugleich den Finanz- und Bidetreseren-
ten Madele mit um, fo daß sich bald ein herrliches
Trimnphvirat nur so in der — Begeisterung wälzte,' Herr
Edelpelzer wieder trug seinem Gegenpart Mummler
nichts mehr nach, aber dafür Freundschaft!" an, während
wieder Herr P I utzer mit Herrn Futscher mit aller er¬
forderlichen Galanterie und Schonung ein Tänzlein wagte,
wozu die Kirchenmusik nur so auf- und ab-spielte.

Die notwendigen Schritte beim Völkerbunde waren bei
solcher Einigkeit bald eingeläutet, und dagroßeSchritte
gemacht wurden, war auch das erstrebte Ziel bald erreicht.
Das bezügliche zusagende Telegramm des Völkerbundes
lautete im Originaltexte wörtlich:

Höchft-Ding.
tuax was woll tx vrir bati/ben

K 80N.

P. T.

L.U.

lieber tbo
Le Zer8 2U tuen leo
(14 Punkte!)

Der Jubel, den diese großherzige Zusage der Uebernahme
des Protektorates, sowie der Streichung der Vor-, Kriegs¬
und anderen Schulden in Hötting auslöste, ist zu bekannt und
sind Zeugen dafür in der Ohren-, Augen- und Hautklinik, so¬
wie in der Chirurgie hinlänglich vorhanden. Auch die Fest¬
berichte in allen Sprachen sind Dokumente dafür. Es ist alles
aber auch nur zu begreiflich, wenn man bedenkt, was Hötttng
durch die Güte des Geschickes erreicht hat und was aus dem
neuen Schoßkind des Völkerbundes werden soll.

Eine Unterredung mit Bidetreferent
Madele.

Herr Madele hatte die Freundlichkeit, elneur Mieterschutz-
freien Mitarbeiter unseres Blattes nachstehendes zu er¬
öffnen.

Mls hatte Hötting eben noch! vom Innland? Nichts. Nicht
einmal mehr eben meine Diäten als Lanotagsabgeordneter.
Und dies, obwohl eben Hötting als größte Gemeinde des
Landes eben den größten Beitrag für die Landesverwaltung
zu leisten hatte. So ist's. Und dabei Hab ich doch immer Wer
Wunsch für das Wbet gestimmt und daß dasselbe in jedem
Haushalt eingeführt wird. (Mit erhobener Stimme:) Auch für
die Rassisten hin ich eben immer eingetreten, und wenn für
die öffentlichen Personen etwas gewesen ist, wo es schon auf
die noMentltche Abstimmung ankam, bin ich immer wenigstens
, rechtzeitig hinausgeaanHen, vor eiy UnMck geschah. Soc ist's,
unö das können S'e eben im LandtaaMrotokobl nacUesen.
Und der Dank Dfür? Ich bin hier, ich bin stier, ich mußte
wieder ins AmMZornübermannt:) „A was, sie können mich
allesamt ..... " Auf die Finanzlage Höttings selbst über¬
gehend, führte Herr Madele aus: ,^oat sich unsere finanzielle
Lage etwa wäyrend unserer Beziehungen zum Innland ver¬
schoben? Eben nicht. So ist's. Unser Bidet hat eben noch
ganz dieselbe geographische wie finanzielle Lage. Weder um
einen Längs- oder Breitengrad, Aoch um einen Groschen hat
sich eben etwas geändert, und wir haben immer gewartet,
bis das Faß ohne Boden im Landhaus ebenvoll wird, daß
dann eben auch wir was kriegen sollen. Aber eher geht eben
ein Kamehl durch ein Nadelöhr, vor man eben da was her¬
ausbekommt. So ist's und so sind wir jetzt selbständig und
können eben das ganze Geld für uns selbst verwenden. Und
viel brauchen wir da eben gewiß nicht für die Landesverwal-
tung, da wir hier heroben ja die gute Luft und das gute
Wasser (Außer dem Trinkwasser! D. Red.) haben und daher
eben für uwsereinen' nicht etwa Ne Bezüge der ersten Dienst¬
klasse brauchen, wie es beim 15-töpfigen Nationalitätenrat
Eagsteiner der Fall war. Dafür werden eben einfach, ein paar
besonders verdiente Volksräte, die eben eh schon einen Hof
haben, zu Hofräten ernannt und ihnen zugesagt, daß ihre
Misthaufen aus Gemeindemitteln vergrößert werden. Das
Letztere nur wegen der Repräsentation. So ist's. Das ganze
Geld kann und wird künftig also eben nur mehr zu Berschö-
nerungs-, Vergrößerung^ und Wohlfarzzweclen verwendet
werden können, womit eben die bisherige privilegierte pri¬
vate Wohlfarzpflege überflüssig wird. So ist's ------ " (Herr

Madele redet zur Stunde noch weiter. Wir bringen seine
weiteren einfuhrfreien Ausführungen in einer Extra (wurst)-
Ausgabe. D. Red.)

Das Wirtschaftsprogramm Dr. Grasheuers.

Wir sind in der Lage, unseren Lesern ein so lebensgroßes
Bild von Höttings Zukunft zu eMverfen, daß ihnen nur so
die Hühneraugen übergehen werden, während im Innland
ein großes Sterben, hervorgerufen durch den Neid-Wazillus,
einsetzen wird. Ist eh' kein Schade um das Volk.

Also vor allem hat unser Oberftmann Dr. Grasheuer unter
den geänderten Verhältnissen sichganzfretwtllig bereit
erNärt, weiter mr der Spitze der Spitzen der Behörden seines
Volles zu bleiben und hat den Titel Lanöespräfident
Andreas I. an- und damit an Weisheit und Gnade vor
Gott nnb den Menschen Kugenonnnen. Sein erster Schritt aber

war, wie es nur recht und (noch halbwegs) billig ist, der A 0-
bruch der diplomatischen Beziehungen zum Innland und
überhaupt aller Beziehungen" zu „Denen da unten". Es
war ein respektabler Haufen, der da zusammen-gebrochen
(worden) ist. In Würdigung dieses dem Volksempfinden so
sehr entgegenkommenden Entschlusses wurde vom Bauernbund
dem neuen Landespräsidenten seine seinerzeitige Unterschrift
zurückgestellt, die ja ohnehin unleserlich war, worauf wieder
Landespräsident Andreas sich freiwillig verpflichtete, sich ein¬
jährig noch im heurigen Fasching, natürlich nur mit einer,
und zwar Höttingerin, zu verheiraten.

AngroßerPolitik plant die neue Republik vor allem
denAnfchlußanDeutfchland (als Ersatz für die Ver¬
einigung des Innlandes mit Hötting) in die T a t umzusetzen.
Zur Erleichterung desselben wird als einziges und daher
Haupthindernis die von den Höttinaern ohnehin längst schon
als störend und lebensgefährlich empfundene Nordkette
abgetragen, wodurch man vom alten Höttingerturm schon
die Münchener FrauenMrme sehen wird. Mit den Stein¬
massen der Nordkette werden alle Höttinger einerseits mit
einem Streich steinreich werden, aber auch, da sie an die booen-
sndtgen Eingeborenen gratis abgegeben werden und genug
Baugrund zur Verfügung stehen wird, Gelegenheit haben,
jeder Höttinger sein eigenes Haus zu bauen, womit mit einem
Schlag die Wohnungsnot erschlagen und die Gebäudesteuer
samt den Umlagen und Baulosen überflüssig sein wird.
Schwierigkeiten, glaubt man, wird es nur bereiten> die Figur
der. Frau Hitt im ganzen herabzubringen, sie soll dann
als Patronin des Frauenbundes und als Gegenstück zum
Kriegerdenkmal auf dem erweiterten und verschönerten Kirch¬
platz (alle Seitenmauern mit buntesten Plakaten dekoriert!)'
Aufstellung finden. Dies geschieht schon vor allem, um so den
Anblick und das Besteigen der Figur endlich den Höttingern
allein zukommen zu lassen.

IM» Hause vi8 K vw der Mrche wird sodann ständig eine
frei zugängliche Ausstellung mit Vögeln aller Art sich auftun,
während das Kaufhaus „Naß-Eck" endlich sinngemäß in ein
Wirtshaus, der „Stamser" jedoch in eine längst entbehrte
Klosterniederlassung des Stamser Stiftes umgewandelt wer¬
den soll, von der dann die alten Kutten gleich direkt als Kut¬
telfleck für den Volkskonsum bezogen werden können,- und
nur der Kaufmann Elias Unhold soll künftig allein noch gün¬
stig Schnittlauch, Kautabak, sowie alle sonstigen Eß- und»
Schnittwaren am Platze führen dürfen. An eine Verbreite¬
rung der Höttingergasse ist nicht gedacht, um den zu
erwartenden Zustrom von Fremden und Eingeborenen aus
dem Innlande und aus Rizinolinien in gewünschten Schran¬
ken halten zu können,' aus dem gleichen Grunde wird auch
der Gehsteig nicht geschottert. Mit dem Norden aber wird
Hötting ja durch eigene Bahnen und vor allem durch den Luft¬
verkehr (nach Wegfall der Nordkette) und durch das Radio im
hinreichenden Maße mit der Maß verbunden sein. Nach Nor¬
den denkt Hötting auch die nicht selbst benötigten Steine gegen
gute Rentenmark rentabel abgeben zu können, wobei aller-
dtztgs die Bedingung daran geknüpft wird, daß draußen nur
^rge bls> zu M «Mter HVHe wannt gebaut ckerö^w dürfen.»

Großzügig wird dann das Schul- und Bildungs-
wesen überhaupt (KW- und Aus-Bildung!) ausgestaltet
werden. Namentlich die Höttinger Universalität wird die
des Innlandes in noch ganz anderer Weise als die von Salz¬
burg gefährden. Aber auch eine eigene Volks-, Bürger«,
Mittel- und Hochschule für Esperanto wird errichtet und
die Lehrkräfte direkt aus Esperanten herbeigerufen werden.
Dem Bildungshunger wird eine Filiale der Verlagsanstalt
„Fern von Europia" mit nur bekanntlich „besonders hellen"
Preußen als Angestellten sowie eine unentgeltliche Leih¬
bücherei fchüsselweise nachkommen,, während ein eigenes
Schau-, Spiel- und Musikalienhaus die völlige
Unabhängigkeit Höttings auf diesen Gebieten sichern sollen.
Daß auch fest gespielt wird, dafür wird schon der eigene
Festfptelgemeinderat sorgen. Dies alles wird freilich
nur mit Heranziehung der Freilichtbühne am Steinbruch mög¬
lich sein, die mit der Erstaufführung von „Das Höttinger große
Welttheater" eröffnet werden soll. Um das Innländer Landes-
theater durch den Wegfall der Interessenten und Subventionen
aus Hötting nicht ganz zugrundezurichten, werden ihm dafür
die klassischen Volksstücke „Der Dorftepp", „Des Innes und
der Liebe Wellen", „Der Bauer und sein Rind" und „Der
Reiber der Unschuld" umsonst überlassen. Auch wird das Inn-
land ja, wie die ganze Welt, durch den großartigen Sender
(„Duft"-Welle 0 0) von Höttings Leistungen per Radio bei
Vier und Radi seinen Teil nehmen können.

Daß ein Regierungspalast gebaut wird, dafür sorgt
schon „gach" Architekt Hammer, aber auch Museen und
wissenschaftliche sowie Packträger-Institute sollen das neue
Staatswesen würdig repräsentieren. Im naturhistorischen
Museum wird der letzte Vogel in der Hand des letzten Vogel-
fachers gezeigt sowie die letzte Leimrute späteren Geschlechtern
aufbewahrt weiden (alles natürlich ausgestopft), wie über¬
haupt die Tierpräparation (Affen mit und ohne Gänsefüßchen!)
im großen wie im kleinen künftig besonders in Hötting ge¬
pflegt werden soll, während eine meteorologische Station so¬
wie eine bei Tag und Nacht ununterbrochen geöffnete Ster
warte auf die Stern warten und für Wetter nach Wunfch
sorgen werden. Auf hygienischem Gebiete wird die Verlegung
der in Mariahilf ja doch überflüssigen Filiale der Hygiea"
beiden Teilen helfen, wie natürlich die Schwimmschule in der
HStttnaenm für den gleichzeitigen Gebrauch durch beide Ge¬
schlechter bei Tag und Nacht eingerichtet, aber auch jede Ka¬
bine mit einem Seismographen, der beim Sittlichkeitsverein
die Fernbeben anzeigt, ausgestattet «werden soll. Auch eine