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Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1929)
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Seite 2

,Höttinger Nudl"

1929

ff Indessen steiget das Wasser stetig und sicher. Keine
Hilf ringsum! Selbst Schwinmberger ist nirgends zu
sehen, so sehr man ihn auch suchet! Heiner konnte srüher
so gut — punpen, wie jenner. Alle die angstvollen
Mcnschlein schwimmen in ihrer Not gen die Göttinger
Mugln.

Trvben stehet aber die Bodenständigenwehr von
Hötting und wehret alles ab, was srcn.d ist, und stoßet
alles hinab mit denen Gabeln, allwcmit man sousten die
Kuhfladen auf die Felder lupfet.

Und es ist graufam, aber gerecht und weinend schwim¬
men die Petenten weiter. Nur vor dem Nasser schröcket
die Oabeigarde zurück, dieweilen sie solches ncch nie ge¬
sehen und gehet gleich Krebsen rückwärts Schritt sür
schritt die Höttinger Gassen hinauf.

Als die Verzweiflung die Höhe erreichet, siehe da
geschieht! ein Wunder! Tas Nasser stehet plötzlich bei
der Trauben in Hötting allwo sich die Grenze der Ge¬
meinde befindet.

Man stehet darin einen Beweis, wie es gemeinet
war, daß nän.blich bemeldte Gemeinde berufen zu außer¬
ordentlichen Taten der Zukunft. — —

Mein Ceift überbrücket eine lange Spannen Zeit
und ich fehe das große Torf nun in schimmelnder Prccht
seiner Nollenlratzer, gleichwie man Ntw-Aort stehet,
wenn man mit dtm Schiff in dem Hafen or.li.nmt.

Tenn das Nasser der Sintflut stehet ncch inmer,
sinten.alen der Golsftrcm sein Lauf veränderte und nun
an Höttir.gs Gestaden vorteislnßet. Ner die Häi.d oder
das GesäH hinein haltet wird freudig erschienen zurück-
zusen, so warm ist das Nasser. Auch die Lust ist warm
und lieblich und Flora und Fauna sein ganz anders
worden und die Nordletten, die nur Lotschen auswies,
ist nun mit Palmen besäet und Asseubrcttc.un.en.
Iohanniebrotbäume, geneunet Bozelen, slustern mit
Bcmbuegebüsch. Und im Notanischen Garten sein die
KaUeen autlen.men, und sein nun über die ganze keger.d
verstreuet. An Straßen und Negen, schier bei jedem
Hause wachsen solche Kaktusse uud n.an gewahret Cz>m-
Plare, daß non luunt vor Chrsurcht den Hut ziehen.

Austott der Schase, die vcn bösen Huuden vertilget
worden, weiden Herden von Lamas an der Nordlelten.
Voraus gehet das Leittier, ein Talai-ilberlcn.a, mit
einer Schellen um den Hals. Uud Intern.aldner würde
Hi wie die Jagd Hueschar.et. Cr luunt

mit Vcgeldul.st auf Tiger und andres reißende Getier
scheußen. Assen wildern in den Paln.euwäldern, viele
Arten, als da sein Bieraffen und Neinaffen und Herden
von Brüllaffen durchziehen oft die Straßen bei Nacht.
So frech fein diefe Viecher! Ebenso gewahret man ncch
mehr Kamele wie früher und die Eseln sein rund und
sett, weil es ihnen so gut gehet.

Nie schon srüher berichtet, bestehet die neue Ge¬
meinde nur aus Nolleulrc^ern uud die praktischen Cin-
getcruen haben aus die flcchen Tccher ihre Misthaufen
gebreitet, keil sie auf der Straßen in Gefahr naren
Schaden zu nehmen, vcn trecen dem grcßen Verkhr.

Und weil die Hitzen, die vom Golfstrom kömmt, so er-
schröcklich ist, gehen alle Menschlein nunmehr bloß nackend;
nur manche tragen zu diesem Kostüme ein Hütlcin mit
ein Gamsbärtlein drauf, um zu zeigen, daß sie hier ge¬
boren und nicht bei der Sintflut blos zugefchwommen
oder dahergeloffen sein. Und weil der Mensch auf der
vorderen Seiten viel unkeifcher ist als auf der Rückfeiten,
gehen alle Menfchlein fchamhafter Weis nur mehr nach
rückwärts, daß man sie von vorne nicht stehet.

Ticht am Wasser aber lieget das Hafengasthaus, die
alte Trauben und ist als Echissstation gar glücklich postie¬
ret. Viel Volt stehet immer und schauet dem Auslaufen
der Schisse zu und freuet sich, wenn ein neuer Tampfer
anlcn.mt und die Passagiere sich ausschiffen. Und die
Nirtin ist sehr sauber und innen neu ausgemalt und frisch
lackieret. Gehet man weiter die Höttinger Gasse hinauf,
so staunet man über die Pracht und Verschwendung und
die Häuser sein hcch an die 60 Stockwerk und vom 4. Stock
an mieterschutzftei. Tenn der Mieterschutz währet noch
immer und auch die Beamten warten noch immer auf
den 13. Monatsgehalt und der Staat hat hiezu allent¬
halten schöne Wartehallen gebauet. Auch das Abtreiben
ist gestattet, indem im Herbst alle Viecher von der Höt¬
tinger Alm ins Torf gesühret werden müssen!
So stehet man Fortschritt und Gedeihen!
Gehet man weiter so stehet man aus dem Kirchplatz
ganze Kolonnen von Ratetenomnibussen, weil nun Autos
hier stehen dürfen. Ja, die Gemeinde ist sehr auto-
lratisch worden. Weiter hinauf werden die Häufer noch
größer und der alte Höttingerturm lehnet an einem
großen Gebüu gleich dem „Stock im Eifen" zu Wien.
Tas Gemeindehaus aber gleichet einem Palast und ist
tresflich ausgestattet und der Bürgermeister hat ein
schönen Schaukelstuhl erhalten, auf daß ihm das Ia-
sagen bei den Sitzungen leichter falle.

Ncch einem uralten Gesetz des Heimatschutzes ist der
ttiuger Bcch in seiner schönen Gestalt erhalten blieben
uud lauschet traumverloren, glastlingelnd und blech-
sckefperud, tccheldormernd und alterimüde ins neue
Meer. Tas selber aber flimmert weit bis gen Aldrans
uud Mutters uud Azcrus. Uud mitten drinnen stehet
eiue Iusel und das ist das Tcch vrm Tiwag-Gebau, von
eiuer Scudtant umgeben. Und drum herum kreisen
die zween Kesseln, gleich Walfischen in den Flitterwochen.
Uud rcm Be,g Isel schauet nur die Spitzen heraus
und Auders Teulnal zeiget auf's Nasser gleich Tegett-
hof, als wollt er sogen: Ich Habs gewußt!

Aber der Höttn ger Sängerbund lebet noch immer
und diese Siughalesen sitzen täglich beim „Langer" und
singen oft den neuen Schlager:

„Wer hat dich, Tu Hinterwald,

Ausgebaut so hcch da droben?

N chl den Zufall muß man loben!

Mai chrual siudt ein blindes Hörn
. .Sich« ucch em-G^-st^nlorn^ ----------

Gute Nacht, gute Nacht!"

Innerliche und äußerliche Politik.

Politische Rundumadnmschau.

Mit dem Anschluß an Innsbruck ists Essig!

Natürlich war Innsbruck nie imstande, unsere Mini-
mal-F orderungen zu erfüllen. Um aber unser
Entgegenkommen zu zeigen, wurden der Eröffnung der
Hafelekarbahn keine Schwierigkeiten entgegen-
gefetzt, nachdem einmal von der Stadt zugefügt war,
daß afritanifche Studenten, die etwa zum Studium
Höttings eigens nach Europa reifen würden, ebenso
wie unsere Gemeinderäte, freie Fahrt auf der neuen
Bahn haben follen. Dafür wurde auf freiwillig ange¬
botene Freikarten für die Patscherkofelbahn verzichtet,
fährt doch diefe Bahn nicht über unfer Gemeindegebiet,
sondern nur ein bißl über das unseres Kleinhüuslers
Nüßl.

Wars mit dem Anschluß schon nichts, so gabs dafür
einen umso ergiebigeren Abschuß in der Negierung
«njcres Gemeinwesens. Man steht viele, die nicht mehr
sind. Andererseits waren wieder Viele berufen, aber
Wenige wurden vom Volte auserwählt, befonders von
der Voltepartei. Hinsichtlich des Muhloch wurde ein
Austausch vorgenommen, und an seine Stelle und von
der anderen Partei der nicht weniger anerkannte Pirsch«
Patsch in die Regierung gesandt, nachdem er sich erst
einmal für eine von drei Parteien entschieden hatte. Er
soll auch einen Revers haben unterschreiben müssen, aber
nicht den gleichen, der dem Dr. Grasheuer und den
Seinen so verhängnisvoll geworden ist, indem er ihm
die Bewegungsfreiheit nahm. Nun hat er sie wieder,
gerade so wie der Vizemeister Mimmiler, dem nun auch
niemand mehr was aussetzen darf, wenn die Rechte nicht
weiß, was die Linke nachts in der Wertstatt tut. Aber
au ch an „Ihn", Bismarck, wagte sich me feindliche Welle l
„Cr" ist nicht mehr, was „Er" war und ohne was Er"
nicht denlbar war. Wehe den Gemeindefinanzen, wehe,
wehe! Tenn sie sind nun in den Händen eines „Iua-
groasten", „Tahearglosfr.en". Nenn derfelbe auch aus
dem Lande kommt, wo sie „besonders helle" sind und
wenn er auch gekraustes Haar trägt, „Seinen" gekräusel¬
ten Schnurrbart „Es ist erreicht!", wird er doch nie er¬
setzen. Nun hat es Ihn" erreicht l Und zugleich sah
„Cr" zur Rechten und zur Linken je zwei Frattions-
tollegen sinken. Ehre zieiermiuL! oder wie man da sagt«
Aber ein Unglück kommt nie allein: Auch der Lugen-
p au l ist in unsere Gemeindestube, dies Reich der Wahr¬
heit, eingezogen, und man weiß künftig bei keiner Ab¬
stimmung, wie es ausgehen wird, wo man srüher doch
so sicher war. Paul soll die Abstimmung immer von den
Leibltnöpsn (gradungrad) abhängig machen und ver¬
schiedene Leibln haben, aber auch „ungleich" zu zahlen
anfangen. Auch ist eine Frau in die Gemeindestuce ge-
4v5nnnn, eine N iewelt wutde nei'wählt, in diü Arena -
des männermodernden Krampfes! Und auch der im
Jahre 1920 glücklich hinausprattizierte Hans Hinter¬
wäldler tauchte wieder auf dem politischen Tanz¬
boden auf, als feine Frage: „W a s will d er L a n d-
bund?" vom Kleinrentner Nüßl mit „A u t o f ah renl"
beantwortet wurde. Tag und Nacht sah man da ein Auto
in der Farbe der Fastenzeit vor Hinterwäldlers Hause
warten, dann aber wurde dieser gar in die Stichwahl
zum Bürgermeister gebracht — welcher Stich in „Sein"
Herz! — und von der ersten Gemeinderatshebamme
Europas, von zwei roten Vizebürgermeistern assistiert, der
Bürgermeisterwurde entbunden. Wo Hinterwäldler doch

Verguust:
Cs leb' die Kunst!

Schlecht geht es dem Mu fit verein!

Tas Land braucht alles sür die Schwein!

In In.st, in Lienz und in Rotholz

Und soi.st noch wo, die unser Stolz,

Für die wir mehr als alles tun,

Die schön in Marmorstüllen ruhn.

Es gilt fürs Land — es ist a Hetz —

Vor allem das Staats — grunzgesetz!

Doch auch das Bauen und Erhalten,

Das Investieren und Verwalten

Verschiedener Pfründen und Anstalten,

Dem immer unfere Sorgen galten,

Es tostet einen Haufen Geld,

Ter dann für and're Zwecke fehlt.

Man tuts ja sicher gerne nicht,

Doch ist man mal darauf erpicht'

Und tauft zum eh' fchon großen Troß

Tas Mentelberger Königsschloß.

Und wäre es auch nur zur Freude

Des Schafs, das abgetan die Räude

Und grün statt rot geworden ist

Und jede böse Spur verwischt.

Zwar weiß man nicht, was damit tun,

Tcch sn.d die Gelder draußen nun

Und tonnt' man jemand einquartieren,

Ten man wollt christlich delogieren

Und der nun unter Tach dcch wohnt,

Was sicherlich Gott eü.st belohnt.

Tcch auch der Landtag, die Diä t e^n,

Sie kosten Berge von Moueten.

Man hat's so herrlich eingeteilt,

Daß ja die ganze Sach' nicht eilt

Und lieblich-still die Gelder fließen

Und man die Ctadtluft kann genießen

Als nobler Mann im sei, en G'wand,

Nenn man ai ch fchlicht so,.st und vom Land.

Vielleicht denkt man auch gar daran,

Nie mans bei der Regierung 'tan,

Ten Landtag ganzjährig zu zahlen —

Wer könnte sich die Frei de malen?

Ja, auch die Land rät', die „nichtständigen"

Sie sind vor Freude kaum zu bänd'gen,

Daß sie in Glück gebettet sind

Und ganzjährig der „Segen" rinnt.

Tie Kosten bringt man leicht herein,

N enn die Beamten wieder schrei'n.

Tie kerden wacker niederg'rungen

Und ihre „ew'gen Forderungen"

Mit einem Bettlergroschen g'stillt,

Ta man schon auf die „Bande" wild. —

Am meisten gar der Schlossermeister,

Verlassen ihn die guten Geister

Ur.d er nicht denkt, wem ein Mandat

Grad sein' Partei zu danken hart'.

Jetzt macht man ihm das Leben Sauer,'

Kein Nuuder, daß es ihm „stinkt auer". —

Uud wird schon endlich was beschlossen,

Mccht man Beamte zu „Genossen",

Iudem man gibt die Festzulage,

Wenn „stch" vorüber sind die Tage. —

Nenn man nun so viel Geld verputzt,

Tas Allen nicht, dcch Nen'gen nutzt,

Ich frage, ist es da ein Wi nder,

Nenn sür die Kuust und andern Plunder

Ein bischen Unterstützung fehlt,

So fehr der gute Will' sich quält?

Ein Echelm, der mehr gibt als er hat,

Uud: Jetem gab Gott nicht die Gnad!

Nir gelen gern zu Gottes Ehre

Für die reischied'uen Torftirchchöre

Uud 01 ch für arme Torftapellen

Zim Kauf von Trcnneln und Tfchinellen.

Tie hcien uns're „Noten" gern,

Ter hchen Kuu.st, der ist man fern.

Man tcun sich auch bei ihren Klängen

Im FcstZu g mal dmch Juni brück drängen,

Luch ist es da uud dort der Fall,

Tcß man erlangt ein Stiwtchen 'mal.

Nie soll man also unterstützen,

Nas uns dcleim drch nicht kann nützen?"

Ja, auch die städt'schen Landesboten,

Tie doch gebildet sind nach Noten,

Hat man, wie es doch recht und schön,

Noch nie in 'nem Konzert gesehn.

Es tragen halt nicht diese Felder

Die repräsentativen Gelder.

«Nas soll darum", das ist die Frage,

„Um Symphoniekonzert' die Klage?"

Und Hilfe für'n Mufik verein?

„Tie braucht es nicht, wir g e h'n nicht 'rein."

Cs sei Gefahr für die Kultur?

„Wir schwärmen nur für die Natur.

Ist tot Beethoven hundert Jahr,

W i r wissen noch nicht, wer er war;

Und Schubert ist uns erst bekannt,

Seit Schilling man nach ihm benannt.

Was Jener tat, was Ter gewesen,

Wir wissen's nicht, wolln's auch nicht lesen,

Und Tu.gen, die wir mal nicht kennen,

Wir auch nicht Unterstützung gönnen."

Tcch auch der Rat der schönen Stadt
Für Symphonien nichts übrig hat;
Tas heißt, wir wollen ehrlich denken,
Ties Wort, dcch wenig nur, beschränken,
Gesteh'n, daß viel zu wenig ist,
Nas für Musik an Opfern fließt.
Tie Stadt glaubt nämlich, die Kulwr
Besteh' in Badehüufern nur.
Ob diefe leer stehn, ob benützt,
j^b ganz umfm.st der Tampf verschwitzt,
Tas olles macht dann wenig Sorgen
Und läßt man ruhig sich durchs j^hr gehn,
Beim einen rein, beim andern raus
Und lccht die Steuerzahler aus —
Bis diesen einst kommt die Erleuchtung.
Tas gleiche ists mit der Beleuchtung?
Ter Zorn der letzten „Nudel"-Nummer
Erzeugt' im Rathaus vielen Kummer;
Man dcchte hin, man dachte her,
Nie man dem bösen Licht-Malheur
In bester Weise könnte steuern,
Der „Nudl" Gunst sich zu erneuern.