/ 6 pages
Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1929)
Search


Hötting in 2000 Jahren! - Nach der neuen Sintflut.

Jedes Jahr dasselbe! Unsere Freunde und Gönner
werden jedes Mal auf eine harte Geduldsprobe gestellt.
Kein Wunder, wenn dann ihre Ungeduld der atemlosen
hast von Ertrinkenden ähnelt. Niemand kann es erwar¬
ten, bis die „Nudl" herauskommt. Dann gibts freilich
ein Aufatmen! Heuer war z. B. unsere Redaktion in
äußerst schwierige Verhandlungen mit dem Höttinger
Gemeindesekretariat verwickelt. Ms Lim«», Iks Ns^-
?orlc Haraiä, 1,6 U»tüi und „Die Laus" hatten ihre Ver¬
treter geschickt, und diese umlagerten seit Wochen das
Gemeindeamt. Nicht einmal „Die Laus" als einhei¬
misches, in Höttings unterm Teil viel begehrtes Organ,
hatte Glück, geschweige denn die andern Weltblätter!
Hie „Nudl" hat den Sieg davongetragen!

Die geneigte Leserschaft der „Nudl" wird nicht weiter
erstaunt sein, wenn sie in Folgendem erfährt, zu welchem
Zwecke solche Anstrengungen von allen Seiten gemacht
wurden. Es handelte sich nämlich um die Erlangung und
den Ankauf eines sehr interessanten Dokumentes.

Wie alle wissen, hat erst vor kurzem der Höttinger
Gemeinderat sich aufs Neue installiert und es sind dies
lauter Männer, die von Verantwortungsgefühl tief
durchdrungen find, vielleicht sogar etwas überängstlich.
Lange Debatten über Neuorientierung, Wirtfchaftsfragen
etc. verdunkelten die Herzen und Gemüter dieser Tri¬
bunen derart, daß niemand mehr wo aus, wo ein wußte.

In ihrer erbarmungswürdigen, tränendrüsenmelken¬
den Not und Herzensangst wurden sie wider Willen von
einem glänzenden Gedanken entbunden. Wo die Not
am Höchsten, ist der Kohl am Nächsten. In einer hoch¬
offiziell strengen Reservoir-Sitzung beim Buren wurde
mehrstimmig durcheinander beschlo ssen an den berühmten

Astrologen Professor R. Ochsroy, Den Haag,
Emmastraat zu schreiben, und ihm die Bitte zu unter¬
breiten, der Gemeinde ein Horoskov zu stellen
und einen Blick in die dämmerige Zukunft der düsteren
Gemeindestube zu tun.

Dieses Schreiben wurde auf der Stelle noch in selbig-
ter Nacht Herrn Muhloch in die Hände diktiert und bei
Morgengrauen dem Briefkasten überantwortet.

Sei es nun, daß das mitgesandte Angeld etwas zu
reichlich war, sei es, daß Prof. R. Ochsroy über den
ehrenvollen Auftrag so erregt war, kurz er genehmigte,
sich sofort drei Liter guten Spezial, um sich in den nötigen
Trancezustand zu versetzen. Das Quantum war ent¬
schieden zu hochgegriffen. Nämlich deshalb: er blickte
daraufhin zu weit voraus, sogar viel zu viel, um 2000
Jahre zuviel, anstatt um 2 Jahre!

Für den Gemeinderat war natürlich diese Beschrei¬
bung wertlos, da einige Mitglieder den Gedankengängen
dieses Genies nicht gar so weit folgen konnten, andere
wiederum der Meinung waren, daß niemand 2 Jahre,
geschweige denn 2000 Jahre vorauszudenken brauche.

Dieses dieserart scheinbar wertlose Dokument ge¬
winnt aber ungeheure Bedeutung sofern man es mit
freieren Augen, ohne politische Brille, betrachtet.

Es ist einfach unerhört! (Anm. der Redaktion.)

Verehrter Leserkreis der „Nudl"! Wenn auch unsere
schlichte Zeitschrift fozufagen das Raketenauto des Fort¬
schritts bescheidenerweise nur zu Fuß begleitet, so konnten
wir doch nicht schweigen! Also heraus damit! Mit vor¬
liegendem Artikel bringen wir diese kaum glaubliche
Prophetie, die jedem, der noch an Anna Csillag glaubt,
die Haare zu Kopfe steigen läßt.

Wir hoffen nicht, daß, durch nachfolgende Enthül¬
lungen grundlos beunruhigt, sämtliche Innsbrucker Haus¬
besitzer ihre Häuser verkaufen und ihre Mieter im Stiche
lafsen. Das gäbe einen netten Preissturz in Häusern ab;
hingegen auf Höttinger Seite würde sich eme wilde
Grundstückwucherei herausbilden. Weil nach Bekannt¬
gabe der Tatsache, daß

eine neue Sintflut kommt,
sofort sich alles an Hötting anschließen möchte!

Jawohl, eine neue Sintflut kommt! So, nun ist es
heraußen. Doch lassen wir darüber Herrn Professor R.
Ochsroy, Den Haag, selber reden. Wir geben das
Horoskop im Originaltext wieder:

„Weheo, weheo! Wasser seh ich, Wasser, mehr als
denen Wirten lieb ist! Nebel und Wasser allüberall!
Und ich sehe Tirols Täler gefüllet mit Wasser bis an den
Rand, wo die Herden friedlich weiden, wie in den Fjorden
Norwegens.

Und es kömmt nicht davon, daß vielleicht der Achen-
see über seine Ufern schäumet, nein, es kömmt weither
und kömmt von Ewigkeit und fließt in die Ewigkeit!
Salem aleikum!

Ich fehe es schäumen und steigen, daß alle Viecher
ersäufen und nur wenige, die besonders begnadet, er¬
reichen die schiefe Ebene von Hötting.

Grausig schwarz flimmert das Firmament und der
letzte Stern hat sich hinter ein Skandalgewitter ver¬
krochen. Wehklagen erfüllet die Lüfte und auf den wilden
Wassern schwimmet der Hangar des Flughafens gleich
einer falschen Arche Noäh und verliert sich in Chaos und
Nebel, begleitet von Dohlen und Pleitegeiern! —Huu
uuHund!

Es ist erschröcklich! Mir kniggern die Knie und das
Herze, das bockert und die geängstete Seel verläßt mit
einem hörbaren Knall den Leib und flüchtet fich in die
Kniggerbocker.

Alles rennt am Rennweg, flucht und flüchtet. Nacht¬
hell ist der Tag belichtet mit hübschen Glaskugeln durch
die Tiwag.

Sämtliche Schutzmittel versagen, trotz ihrer großen
weißen Manschetten. Und es ist ein Gedränge, als wenn
das Freudenhaus Modenfels weiße Woche plakatieret
hätte. Es dränget aber alles nur zu denen Bergbahnen.
Die Stationen sein von geängsteten Menschlein umlagert,
so daß sich endlich die Säulbahn auf den Kofel von Patfch
sanieren kann. Zween Kassierern müssen die geschwollnen
Hand mit Franzbranntwein massieret werden.

Bei der Bahn aufs Kafelehar aber krümmet sich das
Seil vor Vergnügen und bildet schier Rosen.

Indeß bauet Meister A. Chammer, weil alles schon
im voraus bezahlet ward, mit Fleiß und Hast an seiner
Höhenstraßen weiter, um denen Bergbahnen Konkurrenz
zu machen. So eitel sein die Menschlein!

Erschröckliches passieret im Haus des Landes! Gur¬
gelnd strömet das Wasser in den großen Saal der Sitzun¬
gen. Da werden auf einmal die Lautsprecher des Volkes
still und weiß wie die liebe Unschuld und ihr Hällptling
blicket stumpf für sich hin und saget Hugh! Da bleiben
heldenmütig alle sitzen aus lauter Angst, daß sich könnt
ein anderer auf ein solchen todgeweiheten Platz setzen.
Welch edeler Geist! Zwar fließet kein Bluet, aber die
viele Tinten vermischet sich mit denen Wassern und ziehet
ein trüben Streifen tagelang durch die Fluten, darin
alles schwimmende Viechzeug erbärmlich ersticket.

In diesem Eilend geschiehet zu alldem ein entsetzlicher
Krach, zwar nicht wie sonst in bemeldtem Hause, jedoch
im babylonischen Gebäu der Tiwag, allwo zween Kessel,:
von erklecklicher Rundung mit viel Scharfsinn der Tech¬
nik, Kosten und Mühen in den Keller gebracht worden.
Bemeldte zwo Kesseln drängen infolge des Wassers
wieder nach oben und durchschlagen mit teufflischer
Krafft die ganzen Stockwerck, bis sie oben zum flachen
Dach gleich einer Raketen hinausfliegen.

Wo man hinblicket ist Entsetzen und Grauen. Die
Arbeitslosenkassen zahlen immer noch aus, so lange bis
ihnen selber das Wasser an den Hals gehet. Alles gehet
drüber und drunter. T. Achezy stehet vor sein Laden
und offeriert Badeschwämme und Hustenbonbons, auch
Gummitiere zum Aufblasen und drauf zu reiten, nicht
zum Vergnügen, nein, nein! Um die Sintflut zu über¬
tauchen !

Wie schön ist doch so ein Schwan, oder Krokodil, oder
gar ein Elefant, wenn er im Wasser schwimmet! Vorn
hält man sich am Rüssel fest und hinten hält man den
Zeigefinger aufs Mundstück, daß die Luft nicht ausgehet^
Mit folchen Artikeln kann man sich tagelang über Wasser
halten. Wer höret aber darauf in der Eil?