/ 6 pages
Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1929)
Search


1929

Höttinger Nud I"

Seite 3

„für alle Fälle" — wenn „nichts gegangen" wäre — das
ärztl. Zeugnis über Altersgrenzenüberschreiwng, Krankheit
und Dienstuntauglichkeit in der Tasche hatte und nun —
heute noch darin hat! Warum gerade er, der also nicht
damit gerechnet und am Ende lieber sein Landbündl
genommen und wieder Vögelsteigen gebaut hätte, und
wären mehr als zwei bei einem Konkurs hin gewesen;
warum er, und nicht einer der fünf Genossen, die Bürger¬
meisterkandidat werden wollten? Soll er dies Glück,
wie sein sprichwörtliches Jagdglück dem Treiber Stamser-
franz zu danken haben? Andererseits hat er aber nun
Gelegenheit, seine wertvolle Kritik in positive Arbeit um¬
zustechen und umzubauen und zu beweisen, daß er der
Gescheiteste im Gemeindegebiete ist, wie er es weidlich
und weidgerecht als Höhenstraßenbauoberaufseher getan.
Und dann Dr. Klexinger! Auch er ist auf dem Um¬
wege über seine eigene Partei von einer andern gewählt
worden! Wie konnte die ihm aber auch „Unbeliebtheit"
vorwerfen und Gewinnsucht in der Vereinigungsfrage?
Es war edel, daß er nicht geklagt und so sich und den
Seinen, die er verließ, Kostenaufrechnung erspart hat.

Natürlich war auch der neuen Gemeinde-Regierung
erster Schritt ein weiterer Schritt der Ver¬
einigung entgegen, indem statt eines bisher
Igliedrigen nunmehr ein 7gliedriger Ausschuß gewählt
wurde. Wir erfahren als Grund für diese Vermehrung
im Zeitalter des Abbaues der Störrischen folgende ein¬
leuchtende Ursache: Bekanntlich sind die Innsbrucker
Altftadtwirte, besorgt um ihre Existenzberechtigung, die
größten Vereinigungs- und Vrückenbaugegner, da dann
ihre Felle auf dem Wasser, das sie nun in ihren Wein
tun, davonschWammen. Diese tüchtigen Geschäftsleute
boten nun den neuen Eingemeindungsausschußmitglie¬
dern gegen entsprechende Legitimation vollständig freie
Bewirtung an. Nun, und um diese Wohltat besser wirk¬
sam zu gestalten, daher diese Ausgestaltung, die ja nichts
kostet.

Die Bauernpartei wäre zwar viel mehr für
den Anschluß an Bayern mit seinen Separat-
Weißwürsten und dem Steuerstreik der Bauern, aber da
hat Bayern schon eindeutig abgewinkt, da auch die Höt¬
tinger die B ie r P r eis e rh ö h u n g ohne Staats¬
streich ruhig hingenommen haben, nicht nur das Kundler¬
bier zum alten Preis trinka und also nichtkoalitions-
fähig sind. Doch auch eine gemeinsame Aktion mit
Arzl (wenigstens in Sachen der „Höttinger Nudl" als
gemeinsames nachdruckbares Preßorgan) führte zu keinem
Erfolg. Aber auch mit Aman-Ullah ist scheinbar ent¬
gegen bestehender Absichten, kein ewiger Bund zu flech¬
ten, wenn auch, für alle Fälle, unser neuer Bürgermeister
anläßlich seines Regierungsantrittes dem König die letzte
selbstverfertigte Steign für den Reichsadler sandte, die aber
zu spät, nämlich anläßlich Aman-Ullahs Regierungsabtritt,
in Kabul eintraf. Dennoch soll aber Afghanistans größtes
Kamel als Gegengeschenk bereits auf dem Wege sein
und schon Konstantinopel passiert haben. Wird man es
aber nicht aus Eifersucht in Wien zurückbehalten oder in
Innsbruck? —

So ist die Zukunft der Gemeinde dunkel, aber sicher;
wir zweifeln, ob sie sich erhellen wird.

Die Arche Noah und das Land Tirol. Auf die Mel¬
dung des NaneksZwl ttuaräian von der beabsichtigten
Expedition zur Bergung der in der Dünnluft auf dem
Berg Ararat konservierten Arche Noah hat die Tiroler
Landesregierung durch die Vermittlung des befreundeten
Quardians der Haller Franziskaner ein Erstlingsangebot

für die Erwerbung der rettenden Menschen- und Biecher-
wiege machen lassen. Sie dächte bei dem zu erwarten¬
den Zudrang noch größerer Viecher bei den Landtags¬
wahlen die Arche als neuen Sitzungssaal zu verwenden;
auch an die Verwendung als Hangar für Hummels flie¬
gende Pläne und Ausbau und Umbau zu einem weiteren
landesfürstlichen Musterschweinestall wird gedacht. Even¬
tuell könnte auch das Künstlerhaus damit in Verbin¬
dung in weitere Ferne gerückt werden.

Keine Ehrenpension für Hainisch. Wie uns von
Herrn Pöffl auf freiem Fuß aus Wien gemeldet wird,
hat auch die Frage der Ehrenpension für den Altbundes¬
präsidenten, wie nicht anders zu erwarten war, eine
unerwartete Erledigung gefunden. Der Nationalrat hat
nämlich vor der Abstimmung nochmals das Interview
Hainischs mit Herrn Schmock vom „N. W. I." vorge¬
nommen und daraus eindeutig entnommen, daß wirklich
dievielbelachteMusterkuh Belladas Haupt-
verdienft am Blühen Österreichs unter Hainisch hat. Es
wurde daher mit Recht beschlossen, i h r eine Ehrenpen¬
sion, bestehend aus dem lebenslänglichenGras-
recht in allen Bundesgärten zu gewähren.
Dafür soll Bella vor ihrem Scheiden aus dem öffentlichen
Lachkabinett einmal im Radio Wien unter Anschluß
aller europäischen Sender einen Vortrag in Dialekt
halten, der dann, eventuell ins Hochdeutsche übertragen,
in die Lesebücher Aufnahme finden soll. Hainisch selbst
aber soll sich mit Altbürgermeister Grasheuer in der Pen¬
sion teilen, die diesem eventuell die Gemeinde Hötting
(hin)auswirft.

Politik und Nadio. „Keine oder allseits Politik!"
Dieser Lösung ist es zu danken, daß nun wieder Kompo-
itionen von Jos. Marx, gegen die die Antimarxisten
chon die Radiowellen zu stürmen begonnen, zur Auf¬
führung gelangen dürfen. Dafür muß ein gleichlanger
Vortrag vom Bildstöckl („Neues Wiener Journal") durch¬
gesprochen werden. NM. und Resch haben je eine poli¬
tische Stunde, eventuell eine gemeinsame in Rede und
Gegenrede („Man soll sie billig hören beede!"). Messen
und Grillroom, Ehereform und Vibelstunde sollen im
Verhältnis 49.99: 50.01 und umgekehrt gesendet werden.
Zur genauesten Messung sind eigene Meßapparate auf
der Wiener Messe ein- und ausgeführt worden. Über¬
tretungen werden mit der Kürzung der Wellenlänge
(1 Sekunde gleich 0.01 m!) geahndet. Als Eröffnungs¬
feier gilt eine gemeinsame Sendestunde aller Parteien
und Parteilosen, Konfessionen und Konfessionslosen mit
und ohne Hosen.

Statt der beiden dringend zu erbauenden Brücken bei der Universität und zum

Tivoli'Sportplah wird auf dem Dache des Hochhauses ein Kran mit einer Blü'cke

aulgestellt, die man nach Bedarf, übe? den I»!, oder die Sill niederläßt.

Bodenständiges.

Vallade vom grausamen Ritter.

Erzkarl, der schwarze Ritter zu Höttingen am Inn,
Besitzet eine Burgen, die bringt ihm reich Gewinn.
Die liegt am Waldesrande, beschienen von der Sunn,
Von Alpenmist umduftet, — die gastlich' Burg Frischbrunn.

Der Ritter, dem sie gehöret, der hat ein steinern' Herz,
Verlangt von seinem Pächter zuviel des edlen Erz.
Denn jeden Mond muß bluten, dieweil das Geld so rar,
Der Pächter dieser Burgen der hundert Schilling bar.

Der schwarze Ritter ratet: „Geh' außi in den Wald,
Verdinge dich als Heger, mach' öfter etwas — kalt!
Nimm auch das Beil, die Hacke, als Holzknecht such' Verdienst,
Erwürge deine Gäste, nur — bring' mir den Gewinst!"

Doch zaghaft sieht der Knappe: „Mir schaudert vor dem Rat,
Da ich, bieledler Ritter, noch niemals Böses tat.
Hab' Mitleid, Hab' Erbarmen, vermind're deinen Sold,
Ich^will ja geme zahlen mit ehrerworb'nem Gold!"

„Waaas, ihr wollt nicht berappen den Pacht, den ich verdang,
Ich preß euch wie Zitronen, zieh' euch die Gurgel lang!
Ihr Pächterg'sindel, zahlet, da gibt es kein Geheul,
Sonst sitzt in eurem Nacken, des schwarzen Ritters Beil!!!"

Die Reisigen vernehmen dies schaudervolle Wort,
Sie suchen anders Atzung und fliehen diesen Ort.
Und noch in späten Zeiten verkündet man die Tat,
Wie viele edle Pächter Erzkarl gemurkset hat.

Rund um den alten Höttinger Turm.

(E.i n Spaziergang.)

Steah i amol in an Sunntig afn Kirchplotz unt'n
und b'sinn mi, wos i unfongen sollt. Follt miar ein,
geäst wieder amol a bißt spazier'n und schaugst diar
wieder a bißt öppas un. Also, wo soll i gian: Über die
nuie Stroß'n, oder ba der olt'n Kirch'n aui? Na, na,
bei der nuien Stroß'n geah i nit, dös Stückele Weg
hon i oft schun g'söchn. Gonz förtig Hot er sie döcht nit
g'mocht, der — ach Iommer —, amol dö Stroßnwolzn
Hot ihre Orbet nit gonz g'mocht; i woaß nit, wos eigentli
g'fahlt Hot; vielleicht ist die Schuasterzumpft dahinter
g'wösen, denn a söllr Wog, der ist guat für die Schuach l

Also geah i bei der olt'n Kirchn aui, do follt miar
ein, daß uener gsogt Hot, der Achjammer hatt' um a
Krematorium oder um a Mohritorium ong'suacht. Iatz
woaß i nit, will dear a Schuachwix-Fabrik oder sinst a
sölli schworzi G'schicht unfongan, amol schworz ist überoll
dabei, denn derhuam sog'n sie ollm, wenn sie Schuach
putzen tien: Iatz ist schun wieder die Krem förtig. Ja!
Geah i ban Kindergort'n vorbei, nocher sollt mir ein,
daß do innen ollm der Vurschenverein sei' Z'ommen-
kunft Hot. A recht a rieriger Verein, sell muaß ma sog'n!
Wahrscheinlich hob'n dö in Sinn, a Groaßloger von
Eahr'nbursch'n und Eahrnmadlan zu errichten, denn dö.
pock'n die G'schicht gonz gach: Sie ernennen sie glei'
dutzendweis'. Und au'g'räumt sein sie, denn sunst waretn
sie längst nimmer in dr Onstolt innen.

„Gemeindeamt Hötting"! Iatz mueß i an insern
nuidn Bürgermoastr denk'n, wia dear af a ganz g'schpas-
sige Weis' zu dear Stöll kemmen ist. Ja, dia Sozi, mit
iarn Fraudn-Wohlrecht! Gonz recht ischt ihnen g'schöchn l
War die Frau Schnieft nit in Ausschuß g'wöhlt woarn,
hatt' sie ihn nit außaziachn können, aus'n Huat, in
Vürgermoaster nämlich. Ober dös mocht nix. Die Ieut
hob'n in Hons gonz gearn. A fezzele grünet er schun,
aber sell mocht ins nix. Und do in Schualhaus ent'n,
do heart man a diemohl af'n Obend a so schien singen

Man tat, was nah liegt und bequem:

Man stürzt' ins andere Extrem.

Wars früher ganz unmöglich dunkel,

Die ganze Stadt nur ein Gemunkel,

Ist nun, wie wenn verhext es war,

Ringsum ein einziges Lichtermeer.

Am Rennweg gar, am Inngestade,

Wo einstens — Es ist jammerschade l —

Man still-verschwiegen promeniert,

Ists aus nun, daß es Alle stiert.

Hat man zu zweit sich was zu sagen,

Was grab nicht jeder soll erfragen,

Wie weit muß man nun immer gehn,

Daß man nicht allfeits wird gesehn!

Was Wunder, daß die Kugellichter

Oft zieren ganz besond're „Gsichter",

Ja, daß man schon an manchen Tagen

Die halben Kugeln fand zerschlagen?

Doch wie am Rennweg, ists in Pradl,

Wo einstens man mit seinem Madl

In Liebe saß auf dunkeln Bänken;

Nun ist dies aus — wen solls n'cht kränken? —

Und wer die Ursach' von dem Jammer?

Ja, wer denn sonst als diese Klammer,

Die punkto Lieb' längst in Pension

Und wie's einst war", vergessen schon.

Gottlob daß uns're Nachbarschaft

Der Jugend nicht solch' Sorgen schafft!

Daß rings die Wiesen, Raine, Felder,

Die herrlich duft'gen, tiefen Wälder

Infolge größ'rer Sparsamkeit

In der Beleuchtung nicht so weit.

Doch ist's genug ja schon der Schande

Daß Liebespaare aus dem Lande,

Vom Stadtgebiet sich drücken müssen,

Woll'n sie in aller Ehr' — sich küssen.

Zwar gibt es ja gar dunkle Stellen,

Grad über unsres Innes Wellen,

Wo einen Knß wohl keiner säg:

Die Innbrück und den Kreuzersteg.

Doch ist an diesen beiden Orten

Ein Drängen über allen Worten,

Ein Schieben, Stoßen, Hasten, Schrei'n
Daß niemand könnte glücklich sein;
Wie andrerseits bei Walthers Bilde,
Gen das die H^V was im Schilde,
Der heil'ge Park schon lange Zeit
Durch Lampen-Unfug ist entweiht.
Doch auch am höchsten Bergesgrate
Gab's für das Dunkel keine Gnade;
Kommt auch das Dauer-Sonnwendfeuer
Den Steuerträgern ziemlich teuer,
Man denkt den Riesen-Vergeskranz
Rundum noch zu beleuchten ganz. —
Ich frage hier grad' die Frau Sölder:
Ja, könnt' und sollt' man diese Gelder,
Statt sie der Tiwag toll zu weihn,
Nicht geben dem Musikverein?"
Die Frage scheint mir nicht von Leder.
Zwar ist es wahr, daß Doktor Eder
Hat immer die Konzert' besucht,
Was man ihm gern auf „Haben" bucht.
Doch liebt er auch Musik mit Feuer,
Bedeutend mehr macht doch die Steuer,
Die vom Entre die Stadt sich nimmt
Und dem M.-V. gar nicht bekimmt;
Es hilft die eine Karte nicht,
Daß stets ein Defizit geschieht!
Doch gibts, dem Bilde zur Vollendung,
Noch eine weitere Verschwendung:
Was brauchen wir die Polizei?
Im Freistaat ist doch Jeder frei!
Und wenn schon, dann in jedem Falle
Braucht man die Pickelhaub'n nicht alle.
Das zeigt sich doch gerade jetzt,
Wo Walther man in Ruh versetzt
Und niemand doch drum Schaden nimmt,
Die Ordnung richtig weiter schwimmt.
Wenn sie die Führer zwecklos fanden,
Dann bau man ab die Kommandanten,
Dafür kann man an noch mehr Ecken
Mit Polizei die Fremden schrecken,
Wie's eh' schon tut zu uns'rer Ehr'
Resch, Eto und die Heimatwehr. —

Wir zeigten nun auf uns're Art,

Wie rings zu wenig wird gespart.

Wie unser Land zu animalisch,

Doch auch die Stadt nicht musikalisch,

Und der Musikv'rein nicht kann blüh'n. —

Das Radioist ihm auch nicht grün.

Bald sieht man schon in allen Gängen

Der Kaufleut' sich die Leute drängen:

Es wird den Kunden, lieb und wert,

Umsonst geboten ein Konzert.

Und Andre geh'n gar nicht mehr aus:

Sie haben „alles" nun zu Haus,

Die Hörer um, sieht man sie sitzen

Und, je nach dem, die Ohren spitzen.

Es kost't zwei Schilling monatlich,

Was wenig ist doch, sicherlich;

Doch manche, es ist nicht zum Spaß,

Die „schmutzig", zahlen auch nicht das,

Weshalb sie doch nicht schlechter hören,

Tut sie nicht ihr Gewissen „stören".

Doch ists ja letzthin anders wor'n:

Laut tobt der Radio-Hörer Zorn,

Daß, seit die „Welle" ward vergrößert,

Das Hören sich gar arg verbösert.

Ja, schon hört man gar manchen sagen:

„Statt mich zu giften und zu plagen

Hau ich das ganze Glumpert hin

Und geh' in richt'ge Symphonien.

Wie herrlich ist's doch oft gewesen,

Vor an der Technik wir genesen —

Und Land und Stadt muh helfen mit,

Die Kunst steh' wieder im Zenith.

Es ist genug, man laß es sein,

An unfern vielen Schweinerei'n,

Und auch den Unfug mit dem Licht

Man treibe zum Exzeß ihn nicht,

Grad' wie das viele Väderbau'n!

Wir wollen wieder aufwärts schau'n.

Vom Himmel hoch, da komm' ich her,

Das sei uns Leitwort, Ziel und Ehr'!"