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Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1930)
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Auch in diesem Jahre erscheint die „Nudl" später als
allgemein erwartet wurde. Ja so mancher hat aus Lang¬
weile inzwischen sich „Die Laus" gekauft und kratzt sich
darob heute verlegen am Kopfe, während andere wieder
in Verzweiflung sich mit den „Faschingsbomben" aus
diesem trüben Dasein befördern wollten, aber leider
auch nicht einmal vor Lachen explodierten, worum sie
nun froh sind.

Warum aber erscheint die „Nudl" wieder so spät?
Juristen und solche, die es werden wollen, sowie alle, die
mit ihnen zu tun haben und nichts zu tun haben wollen,
werden es sich ja denken können. Die „Nudl" wollte ein¬
fach den

Onadenregen des neuen Pretzgesetzes und der neuen
Verfassung

als loyales Organ abwarten, um ihn in ihrem bewährten
geistigen Bewässerungssystem auf ihren Leserkreis aus¬
zustrahlen. Nun sind die Zeiten erfüllt, das neue Pre߬
gesetz ist da, und die neue Verfassung erquickt das Volk,
wenn man auch nichts davon merkt. Das neue Pre߬
gesetz kann aber der „Nudl" nicht schaden; ihr ist es Wurst,
einfach Preh-Wurst, nachdem Berichtigungen nach einem
Jahr keinen Sinn mehr haben, ihre beliebten Liebens¬
würdigkeiten aber gerade für die Zeit wirken, für die sie
gedacht sind. Was aber die Verfassung betrifft, so ist,
ob alt oder neu, wohl gleichgültig, weil der einzelne
Österreicher — trotz vollkommenem Reparations-Ablaß
im Haag — ja doch in eine immer noch elendere Ver¬
fassung kommt, was aber von der „Nudl" wohl niemand
wird behaupten wollen. Oder?

Nach dieser Feststellung wollen wir denn als Schmutz¬
konkurrent aller großen Tagesblätter in insdinH res d. i.
mitten in den Dreck hineinspringen, auch wenn wir dabei
viel Staub aufwirbeln und Gestank erzeugen. Aber das
tun unsere 999 Autobuslinien ja beides in hervorragender
Weise auch, ohne daß man sich dagegen wehren kann und
— darf, wenn man auch möchte.

Vor großen Ereignissen.

Unheimliche Stille umlagert seit langem das hinter¬
wäldlerische Höttinger Parlament. Nicht zu vergleichen
mit der heimlichen Stille um das Wiener Rathaus, die
vielleicht die Ruhe vor dem Sturme ist. Denn Sturm
brauchen wir nicht; der warme Wind erfüllt bei uns
denselben Dienst. Die Stille bei uns ist also vielmehr
die Ruhe vor großen Ereignissen, die, je sonniger sie sind,
umso größere Schatten vorauswerfen.

Die „Nudl" aber ist selbst diesen Schatten noch vor¬
aus, indem sie deren Bedeutung deuten, ja nicht nur
deuten, sondern auch deutlich verdeutschen kann. Sonst
wäre sie ja nicht die „Nudl". Und so können wir uns nicht
länger beherrschen und verkünden allen, die es wahr
haben wollen, aber auch jenen, die es wieder nicht
werden glauben können, worüber der Höttinger Ge¬

meinderat, unser Folkething (kommt von: „Volk
von Hötting") so geheimnisvoll die Köpfe zusammen-
und die Hintern näherrückt.

Große, große Ereignisse werden sich
ereignen.

Erschrecken Sie aber nicht, sondern lassen Sie Ihr
Geld seelenruhig beim Bederlunger liegen, soferne
Sie es nicht plötzlich brauchen oder Sie (sich) nicht doch
lieber bei der Bodenkreditanstalt (hin)eingelegt
haben. Natürlich beschränken sich die großen Ereignisse
nicht auf Hötting allein. Auch Schwaz und Igls
werden das ihre erleben, wie auch den Reuttern
schon wieder graußt, obwohl auch noch der alte Unstern
an ihrem Horizonte nur zittert, ohne endlich zu ver¬
schwinden, wie es ja im Buche Moses vorgesehen wäre.
Ja selbst die Metropole Innsbruck weiß nicht, was
sich alles ereignen wird, weil das nur wir wissen und
nicht einmal die „Nachtlichter" in der „Neuesten Zeitung",
Ausgabe V.

Hötting aber mag ruhig sein: ihm „kann niz gschegn!",

wie schon der Wurzenseppele sagte, der auch ein alter
Höttinger Fürsorgehäusler gewesen ist. Hoch über dem
Alltag Innsbrucks gelegen und von der Sonnenftraße
durchzogen und durchwärmt, liegt es geradezu an der
Milchstraße des Schicksals, so daß oft schon die Abflüsse
in den Rinnsalen seiner weltberühmten Esplanäden,
Boulevards und Avenuen für Milch und Honig gehalten
wurden. Dieser Glücksstand Höttings ist aber auch ein
dauernder, dauernder als die beiden Traubenträger an
der „Trauben", die geradezu wie Blaßphemien wirken
und hoffentlich bald ganz verschwinden. (Großer Kluiben-
kopf, da greifst du dir an deinen Schedl!). Aber auch
seine Sternennähe, die durch die neue Hohenstrahe und
die Hafelekarbahn (Motto: per sspvra. aH »Ztkinu.!) nun
noch verkürzt wurde, läßt uns Höttinger den Himmel
offen sehen.

Höttings Ten d enz war ja immer schon n a ch
oben gerichtet; immer an der Nordkette entlang.
Diesem Höherftreben entsprach und entspricht alles Tun
und Lassen in Hötting, das sich schon auf nichts mehr
mit dem Tiefland einlassen will. Dieses macht zwar
krampfhafte Anstrengungen, die Höttinger zu sich in den
Schlamm herunterzuziehen, besonders an der Einmün¬
dung der Höttingergasse, das kann uns aber nicht verlocken,
wie auch die Tatfache nicht, daß herumgef l u n g e r t
wird, daß uns Innsbruck am Prügelbau auf einer Brücke
aus Perlen zu sich in sein Ehebett ziehen will. Wir
gehen nicht mehr nach Canosfa, und mag dem Bereini¬
gungsausschuß der Bart um und durch den Verhandlungs¬
tisch wachsen wie Karl dem Großen im Untersberg oder
er versteinern zu Fantisaller-Figuren für einen neuen
Vereinigungsbrunnen. Höttings Streben ist
eben überhaupt n i ch t mehr von dieser Welt;
seine Zukunft liegt vielmehr in den

Sternen! Dort im All ist wohl noch für Alle hin¬
reichend Grund und Boden, dort sind so viele Welten,
daß auch die Höttinger Einheimischen sich erhoffen dürfen,
endlich wieder einmal ganz unter sich zu sein in Fernen,
welche auch die höchsten Gemeinde-Steuersätze der Welt
nicht mehr erreichen.

Ins Hifthorn stieß der Landbund mit seinem

I7n36r 8ind 2U viele, di686 Nrde kann UN8 nimmer-
inenr ernähren l Do Kunn3t nimmer Ikndn! v^o »ollen
die Ninneiini8olisn nin, ^vonn die Fremdlinge also iiker>
kand nenmen? ÜdriZ dieidt un8 nur dieMuont in den
,,R,»uin". Wn Zonitten eintaon über die Nordketten in»
80Q^g,r2ie Monts. lassen ^il den Inntuptern inre Devise
Aleur lackt", ^lvir sollen Netir Iiknä"! I^288et un8 den
näen»ten Himmelskörper naon unserem Vrden-Nden-
dild und (3Ieionni8 in8 ^.nße ia88en. lH«8et uns uns
vertrauensvoll an den Nond wenden. Dort sollen
Hütten d»uen, dort ßiüoklieli 8ein. 8eid es mit!"

Auf dieses Manifest hin bildete sich noch in später
Nachtstunde beim „Stamser" ein Komitee, dessen
Kern die kernigen Gestalten der Elfermesser mit ihrem
alten Schrot und Korn und Doppelkümmel bildeten.
Zunächst wurde das Gasthaus «Ztamser" Zur Raum-
Schiffftation bestimmt. Dies schon deshalb, weil ttke
durch ein Wunder durch Umprojektierung der Höhen-
straßentrasse dies geschichtliche Gebäude (es könnte näm¬
lich noch mehr als die bereits bekannten Geschichtln er¬
zählen!) ebenso wie das von allen Hunden so frequen¬
tierte nasse Nossekeck der Nachwelt doch erhalten bleibt.
Hierauf bildete sich ein Direktorium, das sich schwur,
das größte Dorf der Welt durch eine große Tat noch
größer zu machen und jedenfalls den Tschechen den Rang
abzu-mondraketern. Zum Vorsitzenden wurde der noch
immer am längsten sitzenbleibende und beim Heimgang
oft politisch völlig schwankende Gemeinderat Pitsch durch
Rufmord gewählt. Dann gings an die Aufstellung der
Statuten, deren einziger Paragraph lautete: »Zuge¬
lassen werden nur Eingeborene", und an die Beratung
der Beschaffung eines Raketenfahrzeuges als letztes Aus¬
kunftsmittel für den Selbstschutzverband der Einheimi¬
schen gegen die „Daheargloffenen". Denn nur Ein¬
heimische sollen auf den Mond geschossen, und Fahr¬
karten nur an solche Besitzer von Einheimischen-Legiti¬
mationen ausgegeben werden, die ihren Stammbaum
mit Erfolg schütteln können.

In weiteren ^und erweiterten Sitzungen wurde so¬
dann der

Neschafftwg der Mondrakete

selbst nähergetreten. Muhloch schlug den Ausbau seiner
außer Dienst gestellten Gurtruchen hiefür vor, da diese
schon ein Guckloch und ein Ventil habe. (Wurde für die