/ 6 pages
Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1933)
Search


<)oselnußgipferln uns Virn

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus! — Es sei
hier aber nicht gleich an eine Vermählung von Wasser mit
Feuer oder gar an eine Verbrüderung des Hakenkreuzes
mit den drei nach abwärts gerichteten Pfeilen
gedacht, und darf dieses Sprichwort auch nicht wörtlich genom¬
men werden, denn sonst würden wir in Oesterreich stets im
Dunkeln tappen. Alle diese Schattenspender aufzu¬
zählen, würde zu weit führen, und so wollen wir uns mit den
wichtigsten begnügen.

Bewunderungswürdig ist das eine, daß der große Iahm-
fuß nur so kleine Sprünge machen kann, überhaupt würde
man demselben die Kraft und Energie gar nicht anmerken,
wenn nicht Taten davon zeugten, daß mit ihm nicht gut Kir¬
schen zu essen ist. Es ist gewiß keine Kleinigkeit, bei jeder Ge¬
setzesabstimmung Marode und Halbtote auf die Beine und in
den Sitzungssaal zu bringen. Wenn er dann eine Mehrheit
von zwei Stimmen zusammenbringt, so nennt er das einen
„Sieg!".

Die stürmischen Ovationen, die sich bei der Eröffnung der
Herbstsession des Nationalrates auslösten, bei welcher ein
Bauer den anderen einen Bolschewiken und der andere den
einen „Gefinnungsakrobat" nannte, erinnerten mich lebhaft
an ein Vorkommnis während meiner Schulzeit. Durch irgend
eine kleine Ursache brach während der Zwischenstunde unter
uns Buben ein Streit aus, dessen Endeffekt auch ein Bombar¬
dement mit Tintenfässern, Linealen usw. war. Der Lehrer
stürmte in die Klasse, benamste uns mit dem schönen Worte
Lausbuben", und als es zu einer Untersuchung des Falles
kam, wollte keiner den anderen beleidigt haben.
Natürlich ist aber, wenn zwei dasselbe tun, es eben nicht das«
selbe.

Auch der Wiener Bürgermeister wollte in seiner Parla«
mentsrede, in welcher er die österreichische Justiz zu einer
Dirne erhob, derselben absolut nicht schmeicheln. Er kam
nämlich zur Erkenntnis, daß es nicht gut ist, hauptsächlich für
seine Partei, wenn die Göttin Themis immer offene Augen
hat, und hoffte er dadurch auch, seinen ihm tief in das Herz
hineingewachsenen Bürgermeisterftuhl noch mehr zu festigen.

Das hat aber feine guten Gründe. Die Parteiführer einer
jungen, aufstrebenden Partei betrachten es als wirksames
Propagandamittel, sich von ihren Gegnern Honig um das
Maul streichen zu lassen, und dergestalt propagandistisch her«
gerichtet, umgetan mit mächtigen Kopfverbänden, sich dem
staunenden Volke zu zeigen. Nach dem Grundsatze Und willst
du nicht mein Bruder fein, dann streich ich dir den Honig ein"
— werden Reunionen, besser gesagt Schaustellungen, ver¬
anstaltet, deren Finale meistens in den Landesgerichten
ausgetragen werden. Wenn sich die gegnerischen Parteien dann
brüderlich in einer Zelle zusammengefunden haben, dann kann
man öfter das wahre Wort: Warum haben wir die Krot'n

g'schluckt?" hören. Bei den nächsten Versammlungen, wenn
die deuastierten Verstandkasteln wieder geflickt sind, haben die
Herrchen die gute Lehre schon wieder vergessen und bringen
Hafelnußgipferln und Schaumrollen mit.

Den Krieg für die Veredelung unserer heutigen Jugend ver¬
antwortlich zu machen, gehört längst schon in das Reich der
Fabel. Die Politik muß als das aufbauende Element, das
unsere Jugend auf eine so hohe Stufe stellt, betrachtet werden.
Schon bei der Geburt fängt es an. — Statt, wie früher, dem
neugeborenen Kinde als sinnreiches Taufgebinde etwa einen
lumpigen Taler in den Schoß Zu legen, erscheint heute, im
Zeichen des Fortschrittes, der Pate mit einem Freidenker¬
abzeichen und steckt es nebst Mitgliedskarte in die Windeln
des Täuflings. Dieses Abzeichen hat weiter nichts zu bedeuten,
als daß der Träger denken darf — ob er überhaupt denken
kann, notabene vernünftig denken und demgemäß handeln,
das bleibt dahingestellt. Auch die vorzeitige Aufklärung des
Kindes trägt dazu bei, daß sich mit zunehmendem Alter eine
frühzeitige Reife, hauptsächlich in sexueller Hinsicht, einstellt.
Die geistigen Fähigkeiten werden derart gefördert,
daß die Jugend der Meinung sein kann, schon als übervolles
Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu gelten, und wird sie
durch öffentliche und gemeinsame Veranstaltungen verschiedener
Iugendhorte im Schmusen, Musik und Tanz ausgiebig
unterrichtet. Auch dem wunderschönen „Football", diesem aus
England importierten volksbildenden Sport, wird fleißig ge¬
huldigt und werden dadurch alle in den Jungen schlummern¬
den Tugenden geweckt und gefördert. Ein Trost für unsere Zeit
ist es aber, daß es Politiker gibt, deren einziges Ziel dahin
strebt, die Jugend für die Politik zu gewinnen und sie zu voll¬
wertigen Republikanern heranzubilden. Es zeigt dies von einer
beispielgebenden Selbstlosigkeit, da jeder füh«
rende Politiker mit Sehnfucht die Zeit herbeiwünfcht, wo er
sein Mandat in den Schoß des jungen Nachwuchses legen kann.
Denn Politik ist Lebenselixier, das beweisen die mageren
Pfründen der Politiker und ihr puritanisches Leben.
Während das Volk schwelgt und in Saus und Braus dahinlebt
und die Geschäftsleute ihre Lokale vergrößern und erneuern,
führen diese Herren ein armseliges Dasein uni» opfern sich nur
für das Wohl ihrer Wähler. Wir wollen uns für Heuer damit
begnügen, den Krug so lange zum Brunnen gehen zu lassen, bis
er bricht und die Mandatare ihr G Hanoi dasein ver«
hauchen, hoffentlich recht bald.

Der amtliche Pressedienst überraschte uns vor nicht langer
Zeit mit einer Nachricht, die begreifliches Aufsehen erregte und
bei den erstaunten Lesern große Freude auslöste. Es sollen
die „Vier von der Bankstelle", nämlich Siegweich, Al
rat, Welsch und Ehrlos von der Creditanstalt, durch
Verleihung des großen goldenen Ehrenzeichens für Verdienste*
um die Republik geehrt werden.

Die Redaktion der „Höttinger Nudl" kann unserem Bundes¬
kanzler nur empfehlen und den guten Rat erteilen, er möge
gelegentlich seiner nächsten Vittvrozesfion nach Laufanne mit
den Herren Vankdirektoren eine friedliche Beilegung der An»
gelegenheit anstreben. Als besonderen Anreiz empfehlen wir,
ihnen eine Neuberufung in Aussicht zu stellen. Man wird dem
Herrn Kanzler sehr dankbar sein, wenn er beim Völkerbund
zu einer längeren Rede sich meldet, denn die dort im Schweiße
ihrer edlen Anlitze amtierenden Diplomaten reden schon lange
nicht mehr viel; wahrscheinlich kommen sie zur Erkenntnis, daß
das viele Roden nicht einmal Silber, fondern nur Blech ist.
Auch sollen ihre Gehälter gekürzt werden, so daß sie sich wirk¬
lich nicht zu viel anstrengen dürfen.

Und unfer Creditanstaltberater? — Getreu dem stets in Genf
gepredigten Prinzips der Völkerversöhnung und des
Entgegenkommens wurde dem strebsamen Sohne des
tüchtigen Generaldirektors van Henkels die Möglichkeit ge¬
boten, sein Hirn mit österreichischer Weisheit gegen Bezahlung
der österreichischen Inlandtaxe in kaufkräftigen österreichi¬
schen Schillingen zu füllen. — Der Herr Vater, welcher fein
im Verhältnis zu seinen Leistungen ganz ungenügendes Ge>
halt auch in solchen Schillingen erhält, ist bestrebt, dieselben
rasch wieder in Umlauf zu bringen, indem er sie gegen die
stets im Schwanken befindlichen ausländischen Werte
umwechselt. Es ist sehr erfreulich, daß unser Schilling derartiges
Ansehen erlangt hat, und wir wollen hoffen, daß wir auf
diesem Wege immer weiter fortschreiten mögen.

Der Herr Ehrlos wird jetzt, wie man hört, die Süd«
amerikaner mit einer Handelsunternehmung beglücken, was er
handeln wird, weiß man noch nicht, wahrscheinlich wird er sich
erst mit seinen ihm vorausgefahrenen Kollegen beraten, wie
man die Amerikaner am besten sanieren kann.—Aber Vor»
ficht, meine Herren! Drüben wachsen viele hohe Bäume mit
ziemlich starken Ästen, und mit dem Lasso kann jeder gut
hantieren, besonders die Tramps von der Creditanstalt.

Da infolge der Übersättigung die Menschheit nicht
mehr weiß, mit was sie sich vergnügen soll, hat ein findiger
Kopf das Publikum mit einem raffinierten Vergnügen be¬
glückt: mit dem allseits bekannten Spiele Ho »Hol Dieses
Spiel wirk hauptsächlich von noch nichtpenfionsreifen
Beamten geliebt und geübt, die ihren anstrengenden, auf«
reibenden Dienst durch eine Ablenkung leichter zu ertragen
hoffen. Dieses Spiel hat nämlich den Vorteil, ohne beim
Schreiben oder Swdieren der Akten innehalten zu müssen, mit
der linken Hand geübt werden zu können, wobei die rechte
Hand immer noch für eine Zigarette oder Pfeife reserviert
bleibt. Denn solche Unterhaltungen, wie sie in der schönen
k. u. k. Zeit üblich waren und bei denen man beide Hände
benötigte, wie z. B. Tellerfleisch, Einfvänner mit
Saft usw., das sind heute schöne Märchen! — Infolge der