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Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1937)
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Immer heiter, nur so weiter!"

Ja, ja, meine lieben Nudljaner, das verflossene Jahr war
so reich an Ereignissen, daß es fast nicht möglich ist, dasselbe
im heurigen kurzen Fasching entsprechend zu verreißen. Trotz¬
dem aber wollen wir es nach bestem Vermögen versuchen, da¬
mit uns nicht die Flüche der Nudljaner treffen. Nur bitten wir,
in bezug auf die Reihenfolge 'der Ereignisse nicht allzu pedan¬
tisch zu sein, da wir ein großzügigeres Presseunternehmen (als
z. B. die Tagesblätter) sind. Um diese Großzügigkeit noch
offensichtlicher zu machen, wollen wir auch die Voranzeigen der
P. T. Vereine, Kegelklubs usrp. möglichst in ellenlanger Auf-
machung bringen, nicht in so unverschämt zusammengestutzter
und verstümmelter Krüppelform, wie der Svrugger
Pressekonzern.

Doch nun zu den Ereignissen: Uns Höttinger, als behördlich
konzessionierte und durch Jahrhunderte privilegierte Voglfocher,
interessiert am allermeisten die bekannte Raubvogelgeschichte.
Man soll zwar einen Vogel, der schon vor so langer Zeit auf
den Leim gegangen ist, nicht noch einmal einfangen, aber, wie
gesagt, wir Höttinger haben nun einmal alle einen Vogel, und
so wollen wir diese kuriose Sache noch einmal auf die Leim¬
rute nehmen. Das Kuriose ist nämlich das: Während wir ge¬
wohnt sind, daß die Vögel uns auf den Leim gehen, hat es
dieses besondere Federvieh verstanden, die Menschen „im
guten Glauben" auf den Leim zu führen. Ferner hat
es dieses Vieh als Verwandlungskünstler zu allerhand Meister¬
schaft gebracht. Wir wissen wohl vom Erstaunen irgend einer
Gimpelmama, wenn in der Brut plötzlich ein schmarotzender
Kuckuck ins Unermeßliche wächst, auch daß aus dem Fabelvogel
Phönix, wenn man ihm den Kopf abhaut, zuerst ein Garnix
wird, wäre noch hinzunehmen. Wenn sich aber ein Vogelvieh
nach dem Tode noch einmal in einen Pleitegeier ver¬
wandelt — prost! Mahlzeit! —, da kommt man mit normalen
Gehirnwindungen nicht mehr mit. Auch da müssen wir mit
Bedauern feststellen, daß man wohl diejenigen, welche die Eier
ins Nest legten, bis zur Splitternacktheit gerupft hat, hingegen
jene, die die Nester ausgeraubt haben, muhten viel zu wenig
Federn lassen. Wir zitieren abschließend einen Vers unserer
Nationalhymne, des Höttinger Vogelfocherliads", das wir
gerne bei der erwähnten Angelegenheit wörtlich durchgeführt
gehabt hätten:

Vind's sie Zun an Busch'n,
tiats a Patzl Pulver drau
und loßts in Tuifl tusch'nl

Wie wir hintenherum erfahren haben, sollen auch noch
andere Vögel um ihre schönsten Federn gekommen sein, weil sie

ihre Eier in das Nest der „Tsov-Afsakravs" (registrierte oon-
Hint-nach-Vorn-Ges.) gelegt haben. Selbstverständlich halten
wir es für ganz unglaublich, daß dabei jemand beim Nestaus¬
nehmen so unglücklich ausgerutscht ist, daß er sich 's Gnack ge¬
brochen hat — wie böse Mäuler wieder einmal herumtratschen.
Da manchen es die umliegenden Gemeinden Französin,
Walschia, Böhmakia usw. viel raffinierter, die haben gleich eine
allgemeine Federstutzerei eingeführt, wobei es freilich auch jene
ArmstenderArmen derroischt hat, die ihre österreichischen
Schillinge (für alle Fälle) im Ausland eingelegt haben. Ihrer
werden wir am Spieße noch gedenken. Die Moral: Spare
inderNot, denndahastduZeit.

Nach diesen gallbitteren Pillen wollen wir uns einer süße¬
ren Sache zuwenden, nämlich der Wiener Konditoreiausstel¬
lung. So was lassen wir uns gefallen. Man stelle sich einmal
vor, wie den ehemaligen Nationalräten das Wasser im Munde
zusammenrinnen muß, wenn sie sich das zuckerne Parlament
betrachten! Auch jene Phantasten, die immer das Paradies auf
Erden wollen, hatten Gelegenheit, sich an diversen Schaum¬
gebilden zu ergötzen.

Im neuen Staat war es natürlich notwendig, mit verschie¬
denen alten Einrichtungen aufzuräumen, um dafür ein „Neues
Leben" einzurichten. Freilich gibt es da auch wieder Separa¬
tisten, so soll ein Teil der Bevölkerung für die Bezeichnung.
Schmalz durch Gaudi" eintreten, während wieder an¬
dere auf der Lüneburger Heide ihre Kraftdurch Freude
verlieren wollen. Man kann es diesen ewigen Querulanten ein¬
fach nicht recht machen.

Das allerbeste Geschäft machen zur Zeit die rbereien.
Sie haben alle Hände voll zu tun, die abgelegten Kleidungs¬
stücke (soll heißen Uniformen) umzufärben, wobei drei Farben
besonders bevorzugt werden: Schwarz, Braun und Rot. Die
beiden letzteren Farben werden allerdings meistens mit einem
rot-weiß-roten Bändchen garniert.

Ein leidliches Kapitel bildet die bekannte Ohrenbläserei. Un¬
längst hörte ich in einer Stehschnapshalle zwei davon tuscheln,
daß der Kapitän der Wiener Gebirgsmarine, Frey, mit dem
Prinzen Bergstaringer durch einen Tunnel gegangen sei,
welches die beiden direkt mit Ungarn verbunden hätte. Ich
weiß nicht, was daran so wichtig ist, daß man da herumtuscheln
mutz; aber vielleicht weiß irgend ein Nudljaner etwas Ge¬
naueres.

Aber auch den Miesmachern, deren es leider noch viele gibt,
sei mit allem Nachdruck zur Kenntnis gebracht, daß unsere I u-

tunft unerschütterlich gesichert erscheint. Das von früheren
Zeiten her bestens bekannte, allseits beliebte und selbst im geg¬
nerischen Ausland hochgeachtete Triumvirat „E.-R.-E.",
dessen abgekürzte Bezeichnung die alleinige Triebfeder all seiner
oft verkannten Handlungen treffend nennt, hat sich in rührender
Uebereinstimmung bereiterklärt, auf den ersten Ruf die
oberste Leitung hilfreich zu unterstützen, eventuell alle
Lastenund Sorgen auf die eigenen, erprobten Schultern
zu nehmen. Es besteht somit keinerleiGrundzu Befürch¬
tungen, und wir können alle zusammen ruhig weiterschla-
fen!

Vor kurzem wurde verlautbart, daß von einem europäischen
Staate ein Preis von 12.000 3 (umgerechnet) für die beste S i e-
geshymne gestiftet worden sei. Nachdem unsere Leser sich
möglicherweise auch an diesem Wettstreit beteiligen werden
12.000 3 sind auch nicht zu verachten, damit kann man sich z. B.
in der Tschechoslowakei oder in Italien eine Existenz gründen!
— möchten wir unseren lieben Lesern einige Winke für die Ab¬
fassung einer solchen Hymne bieten. Sie soll leicht verständlich
und singbar sein, kann sich also an bekannte Melodien anleh¬
nen, wie es auch beiuns derFallist. — Wir schlagen
also vor, etwa die Melodie des „Lieben Augustin" oder „Santa
Lucia" oder „Doktor Eisenbart" als musikalische Grundlage zu
nehmen. Bezüglich der Reime braucht es auch keine große
Meisterschaft, sonstverstehtfiedasVolknicht! — Man
reime beispielsweise „Afrikaner" auf „mgn könnt wana" —
„Do bin i" auf „Abessini" — „Malheur" auf „Maschinen-
g'wöhr" Flugzeug" auf „Druckts euch" „Hoher Orden"
auf „Massenmorden" — „England" auf „Völkerschand" —
„Rabenfraß" auf „letzter Ras" — „Heldenstreich" auf „Kaiser¬
reich" und so weiter. Man kann ja in unserer schönen, deutschen
Sprache so manches Reimgeklingel finden und sich auch mit
Fremdwörtern helfen! Also — frisch auf zum Sängerkrieg —
kwiva — Heil!

Nun wollen wir auch noch mit tränenden Augen jener
unschuldig Verfolgten gedenken, die im Welthandels¬
register unter der Firma „Unregistrierte und unbeschränkte Ge¬
nossenschaft Kommuni" eingetragen ist. Ich weiß wirklich
nicht, was man gegen diese armen Teufel immer hat. Deshalb,
weil sie in Spanien einen „kurzfristigen" Krawall gemacht
haben, oder weil ein paar Menschenleben dran glauben mu߬
ten, braucht man doch nicht gleich so zu wettern. Herr Moses
Fersenschweiß hat uns ausdrücklich ersucht, in der „Nudl" ein
paneuropäisches Friedenswerk einzuleiten, welchem Wunsche