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so Gr.
politischer ceiÄartikel.
Wenn man heute die politische Weltlage betrachtet, so ist es
notwendig, sich eine entsprechende Brille aufzusetzen. Je nach
Bedarf kann man dann schwarz, rot, braun — oder anders¬
gläubig sehen, und wenn der einzelne noch so sehr behauptet,
daß ein Ding grün ist, man kann ihm beweisen, daß es tat¬
sächlich blau ist. Aber selbst diese so unendlich praktische Farben-
perspettive kann zunichte werden, wenn die große Vernebe^
lungsaktion eintritt. Im Nebel sind alle Farben grau und alle
Kühe schwarz, und da übersieht man oft, wie sich das Schwarze
Meer rot färbt, der Stille Ozean unruhig wird, und das Mittel¬
meer in ein „Mittel-zum-Zweck-Meer" verwandelt wird.
Eine wichtige Rolle spielt in der heutigen Weltpolitit das
Torpedo. Der eine torpediert Schiffe, worauf der Torpedierte
eine Konferenz zusammenruft, die ein
Dritter
torpediert,
indem er behauptet, daß der erste zuerst torpediert hat, was der
zweite gewußt hat. In dieser Konferenz wird dann besprochen,
wie man alles am besten verschweige. Das ist zwar etwas
kompliziert, aber wenn der Völkerbund mit seinen Nebengliede¬
rungen und Nebenkonferenzen „einfach" arbeiten würde,
wäre die ganze Weltkrise schon gelöst, was zur schrecklichen
Folge hätte, daß sämtliche Delegierte arbeitslos und somit die
Blamierten wären, denn ein arbeitsloser Delegierter wäre doch
eine Blamage.
Was für eine Hausfrau das Eingekochte ist, das ist für die
Politiker das
Eingelegte.
Man legt bei jeder Gelegenheit
(wenn keine da ist, sucht man eine) Protest ein. Wie aber die
Hausfrau das Eingekochte ziemlich versteckt, damit die bösen
Buben nicht dazukommen, so wird auch der eingelegte politische
Protest auf die lange Bank geschoben, wo er meistens ver¬
schimmelt.
Alle Staatenlenker gehen selbstverständlich darauf aus, ihren
Staatshaushalt zu verbilligen, manche benützen als ersten
Schritt dazu die Abberufung der Botschafter. Weil eben so ein
Botschafter sehr den Staatshaushalt belastet (kostspielige Or¬
den, Festessen, Trinksprüche usw.) und weil er oft jahrelang
botschaftet, ohne daß jemand weiß, was!
Manche glauben, die Weltgeschichte sei ein
Fragezei¬
chen. Dem ist nicht so, sondern das Geaenteil ist der Fall. Die
ganze Welt steht im Zeichen des Rufzeichens! Nachdem
man nämlich zu viele
berufen
hat, die nicht
berufen
sind, werden sie, wenn alles schief geht, abberufen und dann
versucht man, wieder andere
einzuberufen.
Wir mittelalterlichen Repräsentanten der jetzigen Generation
können uns die Haare einzeln ausrupfen, wenn wir daran¬
denken, was für eine Barbarei wir in unserer Schulzeit durch¬
machen muhten. Da haben es die künftigen Generationen viel
einfacher. Die Schulkinder der Kuhzunft werden sich ihre Leh¬
rer so erziehen, wie sie ihnen genehm sind. Denn bei dem Fort¬
schreiten des Geburtenrückganges wird ein Schulkind
eine so große Rarität sein, daß die Lehrerschaft alles duran¬
setzen muß, sich die Gunst derer zu erhalten, von denen das
Schicksal der Schulmeister abhängt. Eine Generalprobe künf¬
tigen Schülerbenehmens haben uns ja kürzlich die Herren Hoch¬
schüler vor Augen geführt, was allerdings einige Fakultäten¬
änderungen zur Folge hatte. Es trat nämlich, von livrierten
Herren flankiert und unter Vorantritt der B.-P.-Kapelle. die
das schöne Lied von der
alten
Burschen Herrlichkeit
spielte, deren freie und ungebundene Zeit weih Gott wohin ent¬
schwunden ist, ein Teil der Studentenschaft von der „Alma
Mater" zur „Alma Schmerling" über. Na, so lange
die Mediziner nur als Studenten streiken, geht's ja noch.
Schlimmer wäre, wenn sie es als Ärzte tun würden, dann
müßte die Menschheit mit jenem sagenhaften Bauern ausrufen:
„I brauch koan Dokter, i stirb alloan!"
Immer, wenn die einzelnen Völker einen Krieg, mit oder
ohne Sieg, hinter sich haben, stimmen sie den Choral an: Nie
wieder
Krieg! — Damit dieser Grundsatz niemals mehr
durchbrochen wird, hat man eine fromme alte Tante nach Genf
gefetzt, welche die schöne Aufgabe hat, der Menschheit die Frie¬
denssuppe zu bereiten. Wie nun die alte Jungfrau, Frau
Völkerbund, im schönsten Umrühren ist und gerade ein wür¬
ziges Einbrenn machen will, wirft ihr da einer etwas allzu
rasfes avfelfinifches Salz in den Brei, über diese Un¬
gezogenheit wird sofort eine Reihe Konferenzen einberufen,
aber o weh! — wie die Tante einen Augenblick wegschaut, tut
ein anderer ein Quäntchen spanische
Fliegen
in die
Suppe, was wieder eine Serie von Konferenzen auslöst. Wäh¬
rend man noch daran ist, diese Konferenzen zu verschieben und zu
vertagen, steht schon ein dritter am Völkerbund-Fried ens-
Sparherd
und setzt der Friedenssoße die
„gelben
Ge¬
würzelein"
zu. Der Küchenchef Litwinow-Ninkelstein hat
diefe Lausbüberei wohl gesehen, aber nicht verhindert, wes¬
wegen ihm, dem irdischen Friedensengel, vom Väterchen Stalin
eine Tracht —
blauer
Bohnen
— versprochen wurde.
Diese blauen Bohnen im Verein mit der Völkerbundsuppe,
das ist so das richtige Friedensgericht Marke: „Stalinfki".
Zum Leidwesen der Völkerbund-Bündler wurde, während
man die ungenießbare Suppe noch zu retten versuchte —
die
Achse Berli n—R omgeschmiedet — und nun können
die gymnastiktreibenden Völkerbundagenten darauf den
Bauchumfchwung machen, daß sie von der anstrengen¬
den Friedenstätigkeit nicht zu
korpulent
werden. Nicht
genug — muß auch noch der „Faxen-Haln" nach Germanien
reisen — das schlägt dem Völkerbundsuppentopf den Boden aus.
Wie sehr es gelungen ist, die Arbeitslosenziffer herabzu¬
drücken, zeigt der Mangel an Schauspielernachwuchs. Oder
macht sich der Geburtenrückgang schon derartig bemerkbar? —
Na ja, die
Intriganten
sind durch die zahlreichen diplo¬
matischen Besprechungen hinlänglich beschäftigt, dieChara k-
terdar
st
eller
leiden
anCharaktermangel,
und die
schüchternen
Liebhaber
werden von den moder¬
nen
Frauen (Marke Box-lady) abgelehnt. Das Fach der
Helden
aber ist auf der Drehbühne des Lebens zu sehr be¬
ansprucht, daß für die Bretterbühne, die einst die Welt bedeu¬
tete, nichts mehr übrig bleibt. Mit den weiblichen Schau¬
spielern ist es ähnlich bestellt. DieNaivensindganzlich
ausgestorben,
und die
Heldinnen
sind mit der
DressurderEhegatten
genug angehängt usw.
Weil wir gerade bei der Dressur sind. Das beste Dressurmittel
hat eine verschollene Indianerrasse, „Tschechesen" benamst.
Die dressieren alles mit der Gummiwurft. „Süll ane sogn,
daß me tane Kuldur-Nationaloölkel san! Wia kummt so ane
Hennelein dazu, daß es uns legt so grausliche Kuckucksei, was
sich haßt SDP., in unsere altnationale tschechesische Kultur¬
staatennest?"
In Hinterindien ist wieder eine neue Partei ausgebrochen.
Sie nennt sich Befriedungsattionsreferentenpartei, kurz
BART. Aber schon jetzt sind die Befriedungsagenten selbst am
allermeisten unbefriedigt, daß sich ein Teil unentwegter Unbe«
friedigter ums Verrecken nicht befriedigen lassen will. Manche
Leute sind nicht zufrieden, wenn man sie befriedigen will.
Eine andere Partei, älteren Ursprungs, die sich nur ab und
zu eine Erholungspause leistet, ist die sogenannte Werte!«
mannspartei. Die baronerlt und werkmanderlt, gräfelt
und fürstelt und kinigerlt wieder mächtig im Staate Dänemark.
Die Iüdeckn, in Wien sind von dieser Bewegamg hm- u<nd
heryerifsen und singen jetzt bei jedem koscheren Essen, und an
ze^em Sabbat vor 'tmn SchwfelNIehen, die neue Hymne:
„Gott «der Gerechte wird uns
erhalten
unfern
K i nig!" Die anderen Kreise aber singen: „Gottbehalte
deünen KiniA denn wir haben
kein
Bedarf!"
Viel wäre noch zu vermelden, aber das wirklich Wichtige
erfahren wir gewöhnlich Sterblichen nicht — und was wir er«
fahren — darf wegen — Raummangels und aus anderen
„technischen" Gründen nicht mit Druckerschwärze beschmutzt
werden. Gilt weiter die Parole für den kleinen Mann: „H a lt
's Maul und
denk
dein
Toall"
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