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Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1950)
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8.1-

Politische Nudlerei

Die Geburtswehen über unseren Staatsver¬
trag dauern jetzt schon ziemlich lange. Wenn
ein Haxerl oder ein Schüppel Haare vom Ge¬
burtsobjekt einmal ein bißl herausschaut und
die vielen Helfer ihm beispringen und nach¬
helfen wollen, schwupps! ist es schon wieder
drinnen und es gibt dann viele enttäuschte
Gesichter. Man hat schon an eine Operation
gedacht und den schon viel erprobten

Kaiserschnitt
in Erwägung gezogen, aber immer scheiterte
der Eingriff an der Zusage der behandelnden
Aerzte, da die Gefahr besteht, daß der leiden¬
den Mutter damit der Garaus gemacht wird.
Und so besteht halt der Zustand „der guten
Hoffnung" noch weiter. Dem Vernehmen nach
Boll nach so langen Geburtshindernissen mei¬
stens eine „Mißgeburt" zur Welt kommen, was
man leider auch im vorliegenden Falle als
höchstwahrscheinlich erachtet.

Aber was bei der Erstellung unseres Staats¬
vertrages gar nicht gehen will, das geht bei
uns in Oesterreich mit Leichtigkeit. Da wurde
eine Gesetzesvorlage nach der anderen geboren
und auch schon in Kraft gesetzt. Mit sehr
gemischten Gefühlen im Volke und nichts
Gutes für die Zukunft voraussehend, wurde

das Ausgabenbudget
des allseits beliebten, aber leider in der Ver¬
senkung verschwundenen Finanzministers Zim¬
merling, das neun Milliarden Schilling vor¬
sieht, fast diktatorisch dem N. R. präsentiert.
Das Hereinbringen dieser Summe ist ja für
diese Finanzakrobaten eine Kleinigkeit.

Gleich wurde eine „Himmelsleiter" aufge¬
stellt, aber über diese Leiter kletterten nicht
die in der Bibel so herrlich beschriebenen
lieben Engelein, sondern die weniger lieben
Steuern. Da sich diese Leiter aber immer noch
als zu kurz erwies, mußte sie um einige Stock¬
werke erhöht werden. Der böse Fiskus trat
alsbald in Erscheinung. Wer nicht freiwillig
hinaufklettern wollte, der wurde mit Gewalt
hinaufgezogen, wenn ihm auch die letzte Hose
dabei ausgezogen wurde.

, Aber hie und da glückte es doch einem oder
dem anderen, dem Fiskus ein Schnippchen zu
schlagen, und darunter war auch unser all¬
seits beliebter

Filmschauspieler Paul Herbiger.
Wit schwerem Herzen, aber mit den Worten:
„Habts mi gean, i bin do nit euer Wurzinger!"
verließ er sein liebes Wien, um in ein anderes

Land zu ziehen, wo man aus seinem Sack auch '
einmal wieder heraussteigt und nicht drinnen
bleibt.

Wenn heute einer eine Erbschaft macht, so
erbt nicht er, sondern der Staat. Der Fiskus
will eben den Leuten alle Scherereien, die man
bei so einer Erbschaft hat, abnehmen. Man
braucht sich um gar nichts zu kümmern, alles
besorgt der Fiskus, nicht einmal das Geld
braucht man in Empfang zu nehmen, in ent¬
gegenkommender Weise wird auch das von ihm j
besorgt.

So erging es auch den kleinen Kindern der
leider viel zu früh verstorbenen großen Sän¬
gerin Cebotari. Fast zur Gänze wurde das
mütterliche Erbe der Kinder vom Moloch
Staat verschlungen. Jetzt sind sie aller ihrer
Sorgen und ihres Geldes entledigt. Von Kali¬
fornien aus, wohin sie mit ihrem Adoptivvater
ausgewandert sind, werden sie mit Liebe und
Verehrung an ihr Vaterland denken.

Und wenn dann einer oder der andere, der
für solche Fürsorge kein Verständnis aufbringt,
freiwillig der schönen Welt „Adieu" sagt, geht
man stillschweigend darüber hinweg. Der Staat
betrauert ihn, weil um

eine Kuh weniger

im Stalle ist.

Von gut unterrichteter Stelle ist uns die
Nachricht zugekommen, daß in den Ministerien

e i ne « c. i .

große Saube rungsaktion

durchgeführt werden sollte. Da von dieser
Aktion, wie verlautet, nur die Referenten
— und hauptsächlich die des Finanzministe¬
riums — betroffen werden, ist unser neuer
Finanzminister so tief beeindruckt, daß er sich
sogar mit Rücktrittsgedanken befaßt hat. Er
hätte so gerne und mit gläubigem Herzen auf
die guten Ratschläge der Referenten
gehorcht, die ihm den Budgetvoranschlag, mit
allerhand gutschmeckenden Gewürzen ver¬
mengt, gewiß mundgerecht gemacht hätten.
Hoffentlich gelingt es, diese Aktion noch hin¬
auszuschieben, damit der Budgetvoranschlag
unter dem Druck der Termine durchgedrückt
und noch rechtzeitig unter Dach und Fach
gebracht werden kann. Damit wäre unzweifel¬
haft der Beweis erbracht, daß wir in einem gut
demokratischen Staate leben.

Was den Wagenpark für die öffentlichen
Aemter betrifft, so muß dem schon einiges
Verständnis entgegengebracht werden. Nie¬

mand kann von einem höheren, oft aber auch
von einem niederen Beamten verlangen, daß
er seine Schuhe im Dienste zerreißt, abgesehen
von der kostbaren Zeit, die er ohne Luxus¬
wagen versäumen würde. Zeit ist Geld! — Mit
Geld sparen, das hat für die öffentlichen
Aemter keinen Anreiz — wozu wären die
Steuerzahler da — , darum muß mit der Zeit
gespart werden. Da die heimische Industrie so
überlastet ist, wurden diese Wagen in

Amerika bestellt,
was um so leichter möglich war, da wir ja
ohnehin einen großen Ueberfluß an Dollar
haben.

Daß die Aufbauanleihe so großes
Interesse in den weitesten Kreisen des Volkes
erweckte, erfüllt einen direkt mit Erstaunen.
Obwohl weder in der Presse noch im Rund¬
funk je ein Wort von dieser Anleihe verlautet
wurde, standen vor den Bankhäusern die Leute
Schlange, so daß die Schalter oft vorzeitig ge¬
schlossen werden mußten, um das viele Geld
in den Tresors zu verstauen. Dem Vernehmen
nach soll diese Anleihe um das Doppelte über¬
zeichnet worden sein.

Wenn etwas im gewöhnlichen Leben gar
nicht gehen will, dann probiert man es mit ein
paar Flascherln Wein, die, am richtigen Ort
und zur richtigen Zeit spendiert, wahre Wun¬
der wirken. Und wenn es erst noch ein

Gumpoldskirchner"
ist, da möcht ich denjenigen sehen, der so was
verschmäht. Daß diese Methode auch in der
Politik angewendet wurde, konnten wir un¬
längst in den Tageszeitungen lesen. Wenn auch
die erhoffte Wirkung ausblieb, getrunken
wurde der Wein, das ist sicher. Aber einen
Nachteil könnte diese Spendage doch haben,
denn es ist nicht ausgeschlossen, daß wegen des
guten Weines auch die Weingärten von Gum-
poldskirchen als Deutsches Ei gen -
t u m" erklärt werden.

Das Los der Diplomaten ist aber nicht immer
beneidenswert. Da man es bekanntlich nie
allen recht machen kann, gibt es viele Unz
friedene und unter diesen auch manchmal
einen, dem die Hand leicht auskommt. Als ein¬
mal eine auf diese Weise ausgekommene Hand
im Gesichte eines Diplomaten landete, wandte
sich der so Betroffene an einen Uniformierten,
der vor einem großen Hause Wache hielt, mit
den Worten: „Warum schreiten Sie nicht ein,
sehen Sie nicht, daß ich mißhandelt werde?*'

Der Uniformierte
sagte:

zuckte die Achseln und

„Ich habe leider keine Zeit,

ich muß auf den Herrn Außenminister war¬
ten!!" —

Der dritte Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg hat immer noch, wider
Erwarten seiner Regisseure, zu wenig Menschen
ins Gras beißen lassen. Die Ueberproduktion an
„Menschenmaterial" steigt ständig an. Verschie¬
dene Länder sind zum „Export" gezwungen. Wenn
die Wissenschaftler so weit sind, die Vernichtungs->
mittel derart entwickelt zu haben, daß die Ge¬
wißheit besteht, mindestens die Hälfte oder noch
mehr Erdenbürger in kürzester Frist vernichten
zu können, dann ist der dritte
„Weltkrieg"

fällig. Die Politiker haben immer Anlässe gefun¬
den, derartige Episoden zu veranstalten. Das Pul¬
verfaß ist ja so leicht zur Explosion zu bringen.
In dieser Hinsicht sind sie nicht verlegen. Wenn
man den Nachrichten Glauben schenken darf, sind
wir bald in der glücklichen Lage, Krieg führen zu
dürfen.

Pan Osten und Mister Westen behaupten beide,
die größte, schönste und wirksamste Atombombe
zu besitzen. Wie wird diese nun „an den Mann"
gebracht? Man hat bereits überdimensionale
Flugzeuge, die so viel derartige Dinger mitneh¬
men können, um schlagartig ganze Erdteile in
Schutt und nassen Staub verwandeln zu können.
Diese Flugzeuge werden von Tag zu Tag schneller
und größer, die Romane von Dominik und Jules
Verne sind gegen diese Neuerungen zu Laden¬
hütern geworden und veraltet. Sie werden nicht
mehr gelesen. In absehbarer Zeit wird man Ra¬
ketenflugzeuge bauen, die so schnell sind, daß
der Pilot bei einer Weltumfliegung sein eigenes
Flugzeug am fernen Horizont von hinten sieht.
Der Mensch spielt im Weltallkrieg nur eine unter-r
geordnete Rolle. Der Himmel wird übersät sein von
fliegenden Apparaten verschiedenster Bauart, an¬
gefangen von V 1—100 bis zur Mondrakete, in
welcher sich die Anstifter dieser Gaude befinden
werden. Die ehemalige Inf anterie hat nur mehr die
Aufgabe der „Organisation". Gas wird als Waffe ge¬
ächtet sein, weil es für nix ist. Dagegen wird der
Bakterienkrieg Mode sein, weil er weit humaner
ist. Man muß es nur verstehen, aus diesem Chaos
die Rosinen herauszuklauben. Man sage ja nicht,
das wäre unmöglich.* Es muß doch schließlich