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Höttinger Nudl - unabhängige österreichische Faschingszeitung (1953)
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Preis S a.

• Selten

Höttinger Pasta asciuffa

Bei meinem letzten Herbstspaziergang über die
Gramart flog mir ein Jochtolm zu, der aus Italien
kam und sehr nett über die Ereignisse des Jahres
zu plaudern verstand. Merkwürdigerweise begann
der Signore mit dem Innsbrucker Stadtmagistrat
und einem Doktor Zill, dessen neue Ziele den Höt-
tingern in einigen Jahrzehnten schon 20 Meter
breite Autobahnen und modernste Parkanlagen
bringen würden. Trotz des Tannenduftes des Hoch¬
waldes stieg mir bei diesen Prophezeiungen des
italienischen Federviehs der Gestank unseres
Gießen in die Nase, und da ich an die Sumpf¬
moräne der Höttinger Gasse und der Lago di
Cotter" dachte, mußte ich nur über den

Höttinger Neuplan

schmunzeln. Da wurde der Vogel giftig und er¬
widerte, es sei nichts so verrückt, daß es nicht
doch Wahrheit würde. Im übrigen hätten die Höt¬
tinger am Gießen ohnehin ein Musterbeispiel einer
modernen Stadtanlage, wo man deutlich merke,
daß der Heilige Geist die Architekten inspiriert
habe, wenn auch die Siedlung erst wie ein Maul¬
wurfkofel über den Erdboden herausragt. Als ich
schüchtern einwarf, daß unser altangestammter
Hausbach leicht einmal diesen modernsten Stadt¬
teil fortschwemmen könnte, sagte der Jochtolm:
„Dann wird sich schon ein anderer Maier finden,
der mit oder ohne Heiligen Geist einen neuen
Entwurf erstellt." Vielleicht könnte man dann so¬
gar die berühmte Margeritenform, die heute am
Hochhaus prangt, zur Verschönerung der gießen¬
umtosten Pfahlbauten heranziehen und ein Laby¬
rinth schaffen, das niemand betritt, auch wenn dort
kein Höttinger Stier wacht.

Der Gedanke eines neuen Paradiesgartens vor
den Höttinger Toren brachte den italienischen
Jochgeier auch auf Ägypten, wo heuer die Armee
so fa-rukt geworden sei, daß sie ihren liebestollen
Verschwenderprinzen zum Teufel jagte. Obwohl

der König laut der in allen Illustrierten aufschei¬
nenden Bilder durch seine Behaarung vorn und
hinten einem Halbaffen gleicht, war er doch so
sehr der

Liebling der Frauen,

daß er neben einem ihm gesetzlich zustehenden
Harem noch die Exklusivklubs der Welt mit sei¬
ner vergoldeten Männlichkeit in Atem hielt. Weil
aber das ägyptische Volk für diese tollen Streiche
Seiner Korpulenz zu wenig Verständnis hatte, hat
man ihn samt seiner Luxusjacht nach Capri ver¬
schickt. Dies ist dem großen Sünder so zu Herzen
gegangen, daß der reiche Arme nunmehr einen
modernen Kanossagang unternahm, indem er seine
Luxusvilla neben den Sommersitz des Papstes in
Castell Gandolfo aufbauen läßt, damit wenigstens
etwas Gutes vor der Welt auch auf ihn abfällt.

Neu war die Mitteilung des Jochtolms, daß die
Große H . . . aus Amerika (in früheren Zeiten
kamen sie aus Babylon), Rity Hayworth, nachdem
sie den Ali Khan glücklich los hat, nun zum Faruk
hinüberwechseln soll, der anscheinend doch noch
so viele Goldfüchslein gerettet hat, um der Spitzen¬
tänzerin aus Hollywood ein goldblinkendes Par¬
kett zu schaffen. Im übrigen scheint sich rings um
den ägyptischen König eine Insel der Geschie¬
denen" zu bilden, denn während seine Prinzessin
Narriman wieder lieber zu den Fleischtöpfen des
Nils zurückkehrt, hat sich in seiner Nähe neben
dem „Mädchen aus dem Goldenen Westen" auch
die „Jungfrau von Orleans" angesiedelt, wo man
die schöne Ingrid mit ihren Zwillingen bewundern
kann. Die goldenen Caprifische lassen sich jetzt
alle häuslich am Tiber nieder.

Auf seinem Herflug von Rom — so erzählte der
Flatterling weiter — sei er den Innsbrucker

B renner- Wallfahrern

begegnet. Vor lauter Eisenbahnerlegitimationen
habe er kaum noch die Schwellen der Brennerbahn

gesehen, und er hätte bald den Weg nach Gramart
verfehlt, so seien vom Wipptal die Dünste der
Alkoholleichen aufgestiegen. Toll habe ihn ge¬
freut, daß seine welschen Landsleute ein so herr¬
liches Marktgeschäft zwischen der Stazione und
dem Albergo di Posta machen. Den ganzen Ramsch
und Schund, den man auf der gestiefelten Halb¬
insel nirgends los werde, könne man zu jedem
Markttag auf dem Brenner wohlfeil den angesäu¬
selten Tedeschi aufbinden, die vor lauter Vino
Santo nicht mehr die Schuhnummern sehen und
alle Seidentüchl zusammenkaufen, die nach dem
Waschen so eingehen, daß sie grad noch als
Schneuztüchl langen. „O santa semplicitä!" rief
der Jochtolm aus, fing mit den Flügeln zu schlagen
an und tanzte über die Gramartwipfel, als hätte
er selbst jeden Tag Kirchtag. Der Fasching am
Brenner dauert das ganze Jahr."

Als er mit den Neuigkeiten seiner Höttinger
Pasta asciutta über den Innsbrucker Bahnhofplatz
flog, meinte der Tolmo di Joch, sei er momentan
ganz blöd geworden. Zwischen dem Gerüst des
kleinen Bahnhofes, den der rote Bundesbahnkönig
Waldbrünnler den Provinzlern in der westlichen
Devisenschatzkammer nie fertigbaut, und dem Ka¬
lifendach des Hochhauses, dessen Gänseblümchen¬
uhr den Innsbruckern zeigt, wieviel es geschlagen
hat, sei er immer hin- und hergeflogen, weil er
wegen des neu erbauten „Tyroler Hofes"

die Nordkette

nicht sah und daher bald sein Gramartrendezvous
versäumt hätte. Endlich sei es ihm gelungen, bei
der Luckn zwischen dem neuen Großhotel und der
„aufstrebenden" Bauernkammer durchzuschlüpfen.
Grad gut, daß nicht auch die Gscherten ein Hoch¬
haus gebaut haben, obwohl in Tirol genug Groß-
kopfate wären, die sich ein solches Palais leisten
könnten. Das eine aber müsse man dem Landes¬
vater gutschreiben, daß heuer trotz des Finkischen

Fremdenstroms die ganze Milchstraße nach Inns¬
bruck floß und an Butter kein Mangel war, so
daß wir fast einen Schmerbauch bekamen. Wenn
ihm jetzt auch — o weh und Grauß! — die Metz¬
ger die Rindsuppe versalzen und der unter¬
ernährte, „häuserlose" Innereienmeister Panstep
seinen Kumpanen von der blutigen Zunft nahe¬
legte, das billigste Beindlviech als „Gustobraten"
zum alten Preis an den Mann zu bringen, so ist
er vif genug, den Landtag nicht mit dem National¬
rat zum Teufel zu schicken und in Tirol erst später
wählen zu lassen, weil dann die Bauern die Vieh¬
preise vergessen haben und die Bauernschlauheit
von Rotholz wieder beruhigt in das scheinwerfer¬
bestrahlte Palais neben dem Taxishof einziehen
kann. Dem Häuptling aber rufen wir das Teilzitat
zu: „Wenns gegen die Schlachthausgeneräle geht,
Landgraf, bleibe hart!"

Eine sehr gute Idee, beauftragte mich der Joch¬
tolm, den Innsbruckern zu flüstern. Im Zeitalter
der Wasserstoffbombe müßte es doch leicht mög¬
lich sein,

den Hias Rebitsch

noch einmal nach Südamerika zu schicken, um von
dort mit einem Trumm des Popokatepetl, des
höchsten Gumpf von Südamerika, unsere Nord¬
ketten aufzubessern, damit ihr „Nachziehverfah¬
ren" wieder über den „Tyroler Hof" herüberlugt
und die Wirts-Wurzen (lies Fremde), wenn sie das
Waldbrünnlergerüst verlassen haben, sofort die
weltberühmte Nordkette sehen können. Abge¬
sehen von dieser einmaligen Attraktion, könnte
man zugleich die Schafl-Todeswand beim Achsel¬
kopf ausbessern, damit den Höttinger Viehzüch¬
tern nicht so viele wertvolle Karakulschafe ver¬
lorengehen. Ganz neue Aspekte würden sich da¬
durch für die Skilift- und Seilbahnarchitekten er¬
geben, welche die Hungerburg auf die Seegrube
verpflanzen und eine Hochsiedlung auf dem Ha-
felekar errichten könnten. Als Gegenstück zur ein¬
stöckigen Heilig-Jahr-Siedlung am Gießen könnte
man auf dem Kar Hochhäuser bauen. Der Hoch-
und Holzmeister und Großarchitekt des Kemal
Atatürk, der die türkische Hauptstadt Ankara so
erfolgreich modernisiert hat, könnte dann hier
anstatt in Brasilien die größte Kirche der Welt er-