9
SUR O GAT1S?
Als Reporter der Höttinger Nudl efhielt ich
schon vor einiger Zeit den Auftrag, ins All
vorzustoßen. Ich wollte also All-wissend wer¬
den. Nachdem die Russen bereits zweimal im
All waren und die Gefahr ibestand, daß sie uns
den Himmel veruntreuen, mußte hier etwas
unternommen werden.
Die Vorbereitungen waren ziemlich lang¬
wierig, aber dann ging mein Weg steil in die
Höhe, wie der Weg eines Politikers. So neben¬
bei möchte ich Euch sagen, daß ich schon
früher einmal Politiker werden wollte, aber
mein Vater war immer dagegen. Er sagte mir,
ich solle lieber ehrlich bleiben. Als Vorlage für
dieses Raumschiff diente mir die Literatur von
Jules PERNE und Hans DOMINIK. Nach
diesen Plänen ließ ich dieses Schiff bauen, das
bei der Taufe den Namen SUROGATIS er¬
hielt. Infolge der finanziellen Engpässe, es
wurde ausschließlich der letztjährige Reinge¬
winn der Höttinger Nudel verwendet, mußte
es sich also um ein Schiff handeln, das nur als
Ersatz gedacht war. Nun muß ich etwas weiter
ausholen.
Durch einen glücklichen Zufall fand ich
beim letzten Bauern aus Hötting eine soge¬
nannte SURTRUCHEN, die schon vor längerer
Zeit verheizt werden sollte. Der Einheizwert
betrug sage und schreibe 100.- Schilling. So
stand sie in den Büchern des Ökonomen. Ich
baute sie um und versah sie mit den nötigen
Instrumenten. Hier gilt mein besonderer Dank
dem Wasserwerk, das mir eine ausgediente
Wasseruhr gratis zur Verfügung stellte. Als
BMndfluggerät diente mir eine volle Bierflasche
anstelle einer Wasserwaage. Ein zwei Meter
langes Fernrohr, welches Daniel in der Löwen¬
grube bereits benutzte, als er nach dem Geigen¬
spieler Ausschau hielt, wurde installiert. Eine
Probe ergab, daß mein Schiff luftdicht war. Als
Antrieb wurde fester Treibstoff verwendet, den
mir die Schützenkompanie dankenswerterweise
zur Verfügung stellte. Es handelte sich um
einen hochbrisanten Stoff, der üblicherweise
zum Taubenderschrecken Verwendung findet.
Die Vorbereitungen fanden in aller
Stille
statt, und es dauerte geraume Zeit, bis ich start¬
klar war. An alles mußte gedacht werden, ehe
ich den Vorstoß wagen konnte. Endlich war es
soweit.
Gleichzeitig mit mir flog auch ein Millionen¬
betrüger auf, den ich aber schnell aus meinen
Augen verlor. Vor dem Abflug benahm er sich
sehr rappiat, und, wie ich später erfuhr, flog
dieser nach Schweden, um Gardinen einzukau¬
fen für seine neue Wohnung. Ja, Sorgen haben
die Leute.
In aller Stille erfolgte auch der Start, obwohl
er einen mords Krawall machte und einen Ge¬
stank hinterließ, der einer besseren Sache wür¬
dig gewesen wäre.
Als Reiseproviant hatte ich einen Wecken
ETAB-Brot und drei schwarzplentene Knödel
mit, schon wegen der Koalition. Um die Oppo¬
sition nicht zu verärgern, band ich mir noch
rasch eine blaubraune Krawatte um.
Der Start verlief planmäßig und die ganze
Atmosphäre, die mich umgab, war heimatlich.
Nach fünf Minuten hatte ich mein Soll erfüllt
und die Welt konnte mich gern haben. Ich war
in die Stratosphäre eingedrungen. Mit einem
Mal gab es einen Knall und ich dachte an die
Schallmauer. Ich hatte mich getäuscht, denn es
war der Eiserne Vorhang, den ich durchstoßen
hatte. Als ich meinen Blick wendete, sah ich
den Vorhang in Fetzen vom Himmel hängen.
Der Himimel war dunkel wie die Hölle, ich
sah eine Menge Sterne und hörte die Engel
singen. Als ich nämlich den Eisernen Vorhang
durchstieß, prallte ich mit meinem Kopf an die
Wand und ich fühlte eine Beule, die so groß
war wie ein kleineres Wächterhäusl. Als ich
wieder ganz bei Sonnen war, sah ich einen
übergroßen rötlichen Stern am Himmel stehen.
Es war der Sowjetstern, ich war über Rußland.
In der Ferne sah ich eine riesige Vater-, nein,
eine Väterchen Morgana, die aussah wie das
Paradies. Es muß sdch hier wohl um das Ar¬
beiterparadies gehandelt haben. Durch mein
Fernrohr sah ich weit südlich eine große Wüste
vor mir und mitten drinnen einen einsamen
Menschen. Es saß auf einem Stein und weinte
bitterlich. Mir schlug das Herz bis zur Krawatte,
denn ich erkannte ihn ja ganz deutlich. Oh
Hammer, nein, ich wollte sagen, oh Jammer, es
war der Südtirol-Experte, den man in die Wüste
gesandt hatte. Inzwischen bekam ich das Ge¬
fühl der Schwerelosigkeit und hatte Hunger.
Zu Ehren des Wüstenwanderers nahm ich einen
schwarzplentenen Knödel und wollte ihn ver¬
schlingen. Leider war er auch schwerelos ge¬
worden und er ging nicht hinunter. Ich
schwob in der SUROGATIS. Ich wußte nicht
mehr, wo oben und unten, und nicht mehr,
wo vorn und hinten war. Ich steckte mir eine
Zigarette in den Mund und nun wußte ich
vorerst, wo vorne war. Das Gegenteil mußte
ja hinten sein. Beim Start ist mir ein kleines
Malör passiert, und dieses kam mir beim Kra¬
gen heraus und nur so konnte ich wissen, daß
ich kopfüber im Schiffe war. Ein kleiner Dreh,
wie es oft in der Politik geschieht, brachte
mich wieder in NormaHage. Ein Blick nach
Norden ließ mein Blut erstarren. Ich sah einen
Atompilz in den Himmel wachsen und ich
hatte schon in der Zeitung davon gelesen, daß
diese sehr giftig und ungenießbar sind. Ein
leichter Druck auf das Seitensteuer erinnerte
mich daran, daß ich die Einkommensteuer noch
nicht bezahlt habe, und schlug eine südliche
Richtung ein. Ein Blick auf die Wasseruhr
zeigte mir, daß ich Uberwasser hatte. Wohin
mit dem Wasser? Ich zog an der Bremse und
verlor rasch an Höhe. Zuerst glaubte ich an
eine Sinnestäuschung und dachte an die Ber¬
liner Mauer. Es war aber das
7.
Weltwunder
oder war es eine andere Nummer. Es war tat¬
sächlich die chinesische Mauer. Ich hatte mein
ganzes Pulver schon verschossen und hatte
keinen Auftrieb mehr. Die Erde kam mir näher
und ich mußte bis neun zu Boden. Ja, so spät
war es geworden. Ich löste den Fallschirm und
kam neben der SUROGATIS zu Boden. Es war
an einem Flußufer und ich mietete vom Tsehin-
gis einen Kahn und fuhr flußabwärts nach
Peking. Dort wurde ich von einem Haufen
begeisterter Pekinesen empfangen.
Beinahe hätte ich vergessen, Ihnen zu er¬
zählen, daß ich auch über den Roten Platz in
Moskau flog. Dort spielten sie gerade das Mär¬
chen Stalitchen und die sieben Zwerge. In
einem gläsernen Sarge, von sechs Zwergen ge¬
tragen, trug man ihn zu Grabe.
In Peking wurde ich natürlich bestaunt wie
das achte Weltwunder und mit einem Rück-
schas durch die Stadt geführt. In China gab
es keine Mandarinen mehr und man aß am
häufigsten chinesischen Kohl, der von allen
sehr gerne gegessen wird. Ja selbst die Sper¬
linge konnten meine Ankunft nicht mehr von
den Dächern pfeifen, weil sie alle
als Staats-
|
---|