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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.13 (1887)
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DES

DEUTSCHEN UND OESTERREICfflSCHEN ALPENVEREINS.

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Nr. 10.

MÜNCHEN, 15. Mai.

1887.

Kartographische Streifzüge.

Von Eduard Eichter in Graz.

Die neue Mappirung der österreichischen Alpen, welche
in den Jahren 1869 bis 1876 vorgenommen wurde, hat
für dieses Gebiet eine kartographische Grundlage geschaffen,
welche, soweit menschliches Ermessen reicht, wohl niemals
mehr wird umgestossen werden. Oder, deutlicher ausgedrückt:
der Fortschritt, welchen diese Aufnahme gegenüber dem früheren
Kartenmateriale darstellt, ist ein so grosser und das erreichte
Eesultat ist im Ganzen der Vollkommenheit so nahe gekommen,
dass ein weiterer Fortschritt im selben Maassstabe eigentlich
nicht vorstellbar ist. Allerdings sind nicht alle Partieen
gleich gut ausgefallen. Besonders die zuerst in Angriff ge¬
nommenen Theile, also Süd- und Westtirol, sind viel weniger
gelungen, als der Osten. Das k. k. müitär-geographische
Institut, welchem gegenwärtig eine so rastlose Thätigkeit-
und ein unermüdliches Streben nach Vervollkommung eigen
ist, hat auch bereits 1886 eine Eevision dieser Theile be¬
ginnen lassen, welche z. B. in der Brenta-Gruppe bedeutende
Verbesserungen der Spezialkarte in Aussicht stellt, so zwar,
dass man der mit gewohnter Easchheit in's Werk gesetzten
Herausgabe der revidirten Spezialkartenblätter mit grossem
Interesse entgegensehen darf. Ohne Zweifel wird dann auch
der feinere Stich, der bei den kärntnerischen und steirischen
Blättern in Anwendung kam, hier den derben und schwer¬
fälligen Charakter der ersten Ausgabe ersetzen.

Jedenfalls haben wir für die österreichischen Alpen eine
kartographische Grundlage, welche keinen Anlass gibt, irgend
einem Nachbarstaate mit Neid über die Grenzen zu blicken.
Der neue topographische Atlas der Schweiz mag an Eleganz
und verständnissvoller Behandlung der Felspartieen überlegen
seinj das dort gewählte System der Höhenschichten ohne
Schraffirung wird, stets die Plasticität der Karte vermissen
lassen, und vollends die französischen Aufnahmen stehen an
Schönheit und Deutlichkeit den österreichischen weit nach.

Am Schlimmsten sah es bis in die neueste Zeit mit dem
italienischen Antheil der Alpen aus. Die alte »Carta degli
stati Sardini in terra ferm1:50000, welche die interessanten
Gebiete der piemontesischen Alpen (Paradiso-Gruppe u. s. w.)
umfasst, ist äusserst unvollkommen in der Wiedergabe des
Hochgebirges und genügt den Bedürfnissen des Bergsteigers
und Forschers in keiner Weise. Für die Alpen der Lombardei
und Venetiens lag bisher nur die alte österreichische Karte
des lombardisch-venetianischen Königreiches 1:86400 vor,
welche 187G vom italienischen Generalstab neu herausgegeben

wurde. Wir werden noch sehen, wie unvollkommen auch
diese Karte für das Hochgebirge war.

Solche Gebirgsgruppen, welche über die Staatsgrenzen
greifen, sind überhaupt in ihrer kartographischen Darstellung
stets benachteiligt. Selbst wo gleichwerthige Aufnahmen
vorliegen, was bisher kaum irgendwo der Fall war, hat das
Zusammenstossen der Antheile grosse Schwierigkeiten und
noch grössere die Herstellung eines vollständig gleichmässigen
Gesammtbildes der über die Grenzen greifenden Gebirgsgruppen.
Haben diese Umstände eine frühere Leitung des D. u. Ö. A.-V.
bewogen, eine Neumappirung einer solchen Grenzgruppe in
Antrag zu bringen, so ist leider auch hier eine vollständige
Gleichheit der Darstellung der jenseits und diesseits der
Grenze liegenden Partieen nicht zu erreichen gewesen.

Um so schlimmer war es natürlich bei solchen Gruppen
bestellt, bei welchen auf einer Seite nur geringwerthige Auf¬
nahmen vorlagen. So ist die so berühmte und schöne Karte
des Engadins von Ziegler in ihrem österreichischen Antheil
ausserordentlich fehlerhaft. Die grossen Gletscher von
Vermunt und Jamthal sind gar nicht zu erkennen, die
Flächeninhalte zum Theil zwei bis dreimal zu gross, in
anderen Fällen um ebensoviel zu klein. Ziegler konnte
eben für den österreichischen Antheil nur die alte Generalstabs¬
karte benutzen. Umgekehrt sind jene Theile der Schweiz,
welche auf den vorarlbergischen Blättern der österreichischen
Spezialkarte erscheinen, der Dufourkarte entnommen, welche
aber für diese Partie ebenfalls nicht fehlerlos ist, so z. B.
im Samnaun, das nach Veröffentlichung der Eevisionen im
neuen topographischen Atlas der Schweiz, wie ich zufällig
erfahren habe, ganz anders aussehen wird.

Am Schlechtesten war und ist es aber in dieser Kichtung
bis heute mit der Ortler-Gruppe bestellt. So gross war
vor zwanzig bis dreissig Jahren das Bedürfniss nach besseren
Karten der Alpen, als sie in den Generalstabskarten vorlagen,
dass überall Privatleute sich an das fast aussichtslose Unter¬
nehmen wagten, mit eigenen Mitteln bessere Karten her¬
zustellen, welche freilich meist nur Eevisionen der Generalstabs¬
karten waren. Wie Sonklar für die Oetzthaler-Gruppe, die
Tauern und das Zillerthal, Keil für die Venediger- und
Glockner-Gruppe, so hat Julius Payer für die Ortler-Gruppo
sich an ein solch kühnes Werk gewagt. Er übertraf seine
Vorgänger zwar nicht an Gelehrsamkeit, wohl aber an
persönlicher Unternehmungslust, wie ja besonders Sonklar
viel weniger Bergsteiger gewesen ist, als man nach seinen
Werken annehmen sollte. Da Payer sich ausserdem auf
ein enger begrenztes Gebiet beschränkte, so erlangten seine