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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.14 (1888)
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DES

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Nr. 7.

MÜNCHEN, 1. April.

1888.

f Ludwig Steub.

Von E. Richter in Graz.

Mit Ludwig Steub ist einer der ersten humoristischen
Schriftsteller Deutschlands, ein unübertroffener Stilist und
eiD ausgezeichneter Gelehrter von uns geschieden, der alle
seine seltenen Gaben durch einen grossen Theil seines Lebens
in den Dienst der einen Aufgabe gestellt zu haben schien:
das tirolisch-bairische Alpenland vor der Welt in das rechte
Licht zu setzen, zu beschreiben und zu erforschen. An
dieser Stelle muss seiner vor Allem gedacht werden; "der
weite Kreis der Freunde unserer deutschen Gebirgsländer wird
sich mit ihren Bewohnern vereinigen, um einen Kranz der
Dankbarkeit und Verehrung auf dieses Grab zu legen. Wenn
ich unternehme, in diesem Blatte, das vielleicht allein eine
wirkliche Verbindung dieser beiden Kreise bildet, dafür Zeugniss
abzulegen, dass seine Stimme nicht so ganz ohne Widerhall
geblieben ist, als er selbst manchmal anzunehmen schien, so
geschieht es auch in der stillen Hoffnung, unter den Lesern
neue Genossen für die Gemeinde seiner Verehrer zu werben.
Es ist wahr, dass Steub's Schriften sowohl in den Landen,
von und zu denen er sprach, als auch in Norddeutschland
weniger gekannt sind, als sie es verdienten. Die Form ist
für flüchtiges Lesen zu fein; der Autor bleibt für heutige
Begriffe von alpiner Literatur zu tief in den Tnälern. So
lange es aber unter den Alpenfreunden solche geben wird,
welche auch den unterhalb der Schneegrenze liegenden Theil
der Alpen beachtenswerth finden, denen die Menschen und
ihre Geschichte ebenso interessant sind, als die Berge, zwischen
denen diese wohnen, welche endlich auch an die beschreibende
Literatur künstlerische Anforderungen stellen, werden Steub's
Schriften gelesen werden. Ueberhaupt müssen die Süddeutschen
und Oesterreicher einen Schriftsteller hochschätzen, der ähnlich
wie Carl Stieler ganz und gar aus dem süddeutschen Wesen
hervorgewachsen, dem erdrückenden Uebergewlcht des Nordens
gegenüber ihrer Eigenart einen würdigen Platz in dem
Kreise der gesamnitdeutschen Literatur zu wahren vermag.

Ludwig Steub wurde 1812 zu Aichach in Baiern als
Sohn eines Beamten geboren und besuchte in München das
Gymnasium und die Universität. Obwohl hauptsächlich von
philologischen und literarischen Interessen erfüllt — er erlernte
schon früh fast alle europäischen Cultursprachen und blieb zeit¬
lebens ein sicherer Lateiner und Grieche — widmete er sich
doch dem Amte des Juristen, da jene Studien damals brodlose
Künste zu sein schienen. Bald lockte ihn aber aus der Oede

der Amtsstube der Ruf nach bairischen Beamten für das neue
Königreich Griechenland, das während der Minderjährigkeit
König Otto's eigentlich von München aus regiert wurde. Drei
Jahre lebte Steub als Sekretär des griechischen Staatskanzlers
Grafen Armannsberg in Nauplia und Athen, wegen seiner
geläufigen Kenntniss des Neugriechischen eine werthvolle
Arbeitskraft. Bald trübten sich aber die Aussichten der
Baiern in Griechenland und 1837 kehrte auch Steub nach
München und in die alte Laufbahn zurück. Hier lebte er,
von 1845 bis 1863 als Rechtsanwalt, von da bis 1880
als Notar, in welchem Jahre er die lästig gewordene Bürde
dieses Amtes ablegen konnte. Der Aufenthalt im Lande der
Hellenen war der Anlass zu Steubs erstem Buche »Bilder
aus Griechenland«. Es enthält nur die Reise von Athen
bis Korfu, ist. aber bereits ganz in der Art der späteren
tirolischen Skizzen gehalten. Wir haben dasselbe liebevolle
Eingehen in die Natur und die Menschen, die Ausmalung
kleiner humoristischer Genrebilder, als deren Helden hier
besonders »die gemüthlichen und ungeschlachten bairischen
Landbeamten« herhalten mussten, welche damals Griechenland
bevölkerten; zugleich den sorgfältigen geschliffenen Stil, in
welchem er sich durchaus als Schüler und Nebenbuhler seines
Freundes Ph. Fallmerayer, des Fragmentisten, erweist.
Obwohl das Buch nicht die erwartete Verbreitung fand, so
war doch Steub von nun an unrettbar »dem Literaturteufel
verfallen« und bis nahe an sein Lebensende literarisch thätig.

Den ersten Rang unter seinen Schriften können wohl
seine Schilderungen aus Tirol und Oberbaiern beanspruchen.
Ich erinnere mich genau, welches Fest uns jeder neue. Artikel
mit der Chiffre L. St. war, da wir — es mag etwa 20 Jahre
her sein — als Studenten regelmässige Leser der Augsburger
Allgemeinen Zeitung wurden, lange bevor wir den Namen
kannten, der sich so verbarg. Mit dem behaglichsten Humor,
mit der genauesten Kenntniss von Land und Leuten sind die
anmuthigsten Bilder gezeichnet. Jedes einzelne ist ein kleines
Kunstwerk voll Wohlklang und natürlicher Kraft des Ausdruckes;
alles ist concret und anschaulich, zugleich künstlerisch abge¬
wogen und geschmackvoll. Gelegentliche Verwendung treffender
Ausdrücke aus der Mundart oder der alten Sprache geben
Localfarbe, einen gewissen Erdgeschmack. Die Schalkheit
wird mit der ernstesten Miene vorgetragen.

Steub's Schriften dieser Art sind sehr zahlreich und
unter seinen Werken wohl auch die verbreitetsten. Denn wer
kennt die »Drei Sommer« und die »Herbsttage in Tirol« nicht
wenigstens dem Namen nach? Sie werden ihn auch am
längsten überleben.