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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.15 (1889)
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Mittheilungon des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.

Nr. 1.

Felsnadel legten wir in einer halben Stunde zurück
und betraten zielin Minuten später um l h 30 m den
Einstieg in das grosse Schneecouloir, das vom Col
de la Za auf den gleichnamigen Gletscher hinabzieht.
Die Höhe dieses Couloirs beträgt beinahe 500 Meter,
die Neigung ist insbesondere in den oberen Partien
bedeutend und steigert sich stellenweise auf 50° und
selbst darüber. Zwischen zwei secundären Kinnen
stiegen wir über den grössten Theil des Hanges, das
Gesicht der Bergseite zugekehrt, ab, da wir auf diese
Weise bei der vorzüglichen Beschaffenheit des Schnees
am raschesten vorwärts kamen. Unsere Bewegungen
vollzogen sich fast so taktmässig, als wenn wir die
Uebung gemeinschaftlich auf einer schiefen Leiter
im Turnsaale ausgeführt hätten. Unangenehmer als
die Länge und Steilheit der Rinne war uns die wahr¬
haft erstickende Schwüle, die über dem rings abge¬
schlossenen Firnkessel brütete, so dass wir ganz in
Schweiss gebadet nach anderthalb Stunden auf dem
Glacier de la Za anlangten.

Bei minder reichlicher Schneebedeckung dürfte
diese Route zu so später Tageszeit steingefährlich
und alsdann der Weg durch die Felsen näher der
Dent de Zallion zu, den Cust mit seinen Gefährten
im Jahre 1875 einschlug, eher zu empfehlen sein.
Wir selbst wurden nur einmal durch einen grösseren
Stein gefährdet, der gleich einer Kanonenkugel mit
rasender Geschwindigkeit zwischen mir und Preiss
hindurchfuhr, das einzige Steinfallabenteuer übrigens,
das ich während der verflossenen Saison zu ver¬
zeichnen hatte.

Nach einer langen Rast am Ausgange des Glacier
de la Za traten wir um 4 h den Abstieg über die
Hänge unterhalb des letzteren an und trafen eine
Stunde später im Hotel Mont Collon ein. Unsere
Bergfahrten in der Umrandung des Val d'Aroila
hatten damit ihren Abschluss gefunden. Am nächsten
Tage wanderten wir über den Col d'Herens neuen
Zielen und Bildern entgegen.

Touristische Mittheilungen.

Dauphinß-Alpen.

Mont Pelvoux (3954 m ) von der NO.-Seite. Eine der
bemerkenswerthesten Touren des Jahres 1888 ist die Er¬
steigung des Mont Pelvoux von der NO.-Seite, welche Herrn
M. v. Kuffner-Wien mit den Führern Alexander Burgener
und A. Kalbermatter am 4. August v. J. gelang. Am
3. A igust wurde Vallouise um 10 h vormittags verlassen und
gleich hinter den letzten Hütten von Ailefroid vom Wege, der
durch das Thal des Torrent de St. Pierre führt, abgebogen
und in den im Anstiege die linke Thalseite bildenden Felsen
gegen die Basis des Gipfels emporgestiegen, bis man um 3 h
15 m nachmittags den Schlafplatz erreichte. Derselbe befindet
sich etwa in 2800 m Höhe in den Felsen zwischen dem Glacier
de la Violette der französischen Generalstabskarte, der den
Localnamen Glacier de la momie führt, und dem weiter
östlich befindlichen, vom Pelvoux herabziehenden Gletscher.

Am 4. August wurde um 3 h 35 m der Schlafplatz ver¬
lassen und über die Felsen zu dem zweiten der oben genannten
Gletscher, dem östlichen, aufgestiegen (5 h ). Der Gletscher
wurde auf einem ziemlich complicirten Wege theilweise
überschritten, theilweise umgangen und um 8 h 45 m das
oberste Gletscherplateau, welchem die drei Pelvouxgipfel
entragen, erreicht. Der höchste Gipfel, Pointe Puisseux
(3954 m ), wurde über den Schneegrat um 10 11 15 m erreicht
(Aufenthalt 30 m ); der zweite Gipfel, Pic de la Pyramide
(3938 m ), um ll h 15 m . Der Abstieg wurde ungefähr auf
demselben Wege wie der Aufstieg bewerkstelligt. 2 h Schlaf¬
platz, 4 h Ailefroide.

Grand Pic de la Meije (Pic occidental) 3987 m . Uebcr
die Ersteigung dieses Gipfels berichtete Herr G. Merzbacher
in Nr. 20 d. Bl. vom vorigen Jahre. In dem Titel des betreffen¬
den Aufsatzes wurde irrthümlich der Pic central 3970 als
die erstiegene Spitze bezeichnet. Wie jedoch Herr M. be¬
richtigend bemerkt, und auch aus dem Texte hervorgeht,
hat er den Culminationspunkt des Meijestockes, den Pic occi¬
dental oder Grand Pic de la Meije betreten.

Oetzthaler-Gruppe.

Kleinbergjöchl, ca. 3200 m und Quelljoch, ca. 3300.
Herr A. J. Butler (London) verliess mit Josef Spechten-
hauser das Dörfchen Planail (1 h von Mals im Etschthale) um
5 h 15 m früh des 8. August v. J., durchwanderte das selten
besuchte Planailthal in ca. 2 Stunden bis zur Abzweigung
jenes steil ansteigenden Seitenthälchens, welches in seinem
obersten Theile den kleinen Steinbergferner birgt, um welche
Zeit das Wetter sich so schlecht gestaltete, dass die beab¬
sichtigte Ersteigung der Weisskugel aufgegeben und be¬
schlossen wurde, den von der Freibrunnerspitze südsüd¬
westlich streichenden Höhenrücken zu übersteigen. Durch
das vorerwähnte, karähnlich mündende, dann steile Seiten¬
thal ansteigend, erreichte man den kleinen Gletscher an
seinem Ende, den die Oest. Mil.-Spec.-Karte namenlos lässt
und. welcher von der A.-V.-Karte als „Kleinbergferner" be¬
zeichnet ist. Dieser Ferner wurde in östlicher Eichtung ge-
quert und um 9 h 45 m vormittags der Pass erreicht. Im
Vergleiche mit dem Oberettenjoche und Langgrubjoche
ergibt sich die Höhe des betretenen Passes mit ungefähr
3200 m , vielleicht etwas weniger.

Nach einem kurzen Abstiege auf der Ostseite, wandte
sich die Gesellschaft nach NO., indem sie mehrere jener Fels¬
rücken übersetzte, welche die vielen Kunsen und Wasserrisse
scheiden, die das oberste Matscherthal charakterisiren. Die
Sohle des Matscherthaies wurde an einem Punkte nordwest¬
lich des grossen Eisbruches gewonnen, dann über Rasen, Fels
und die Moräne der Ferner erreicht und in der Eichtung
nach der Depression zwischen Innerer und Aeusserer
Quellspitze gequert; endlich dieses Joch um 2 11 45 m nach¬
mittags erreicht. Dasselbe wurde gewiss schon öfter über¬
schritten und wird deshalb der Name Quelljoch" vorge¬
schlagen. Der Abstieg über den östlich anliegenden Stein¬
schlagferner war anfangs sehr steil, so dass etwa 100 Stufen
gehackt werden mussten. Kurzras wurde 4 h 45 m und Unsere
liebe Frau um 7 h abends erreicht.