Nr. 9.
Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.
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der Unternehmung, etwa eine Traversirung grösseren
Ranges, oder die aus den Einflüssen der vorgerückten
Tageszeit auf die Beschaffenheit von Schnee und
Eis entspringenden grösseren Schwierigkeiten und
Gefahren gebieterisch vorschreiben, da eile ich im
Gebirg nicht gerne und so lange als möglich bleibe
ich auf dem Berge. In vorgeschriebener Stunden¬
zahl rasch und knapp eine Bergtour durchführen,
um dann im Standquartier, sei es Schluderbach,
Courmayeur oder Zermatt, noch rechtzeitig zur Table
d'höte zu erscheinen, der Sport ist mir stets un¬
verständlich geblieben.
Den Abstieg vom Priznig nahmen wir auf dem
gewöhnlichen Trentawege durch die Schlucht, stiegen
aber nicht bis zur Kronauer Ochsenhütte ab, sondern
bogen noch oberhalb derselben in das Mlinerca-
Hochthal links hinein, in dessen Hintergrund wir
bei einer kleinen Quelle abermals bivouakirten.
Leider hatte sich das Wetter sehr verschlechtert,
in der Nacht ging ein starkes Gewitter nieder und
es regnete in Strömen. Da wir nur sehr ungenügen¬
den Schutz hatten, verbrachten wir eine ziemlich
schlechte, kalte und nasse Nacht. Am nächsten
Morgen kehrte ich mit Marka über die Schulter
des Priznig und den Versicsattel nach Kronau zu¬
rück, während Freund Bois de Chesne und Komac
trotz des zweifelhaften Wetters gegen den Razor
anstiegen, jedoch an diesem Tage die Spitze nicht
erreichen konnten, da wenige Stunden nach unserer
Trennung ein sehr starker anhaltender Gewitter¬
regen losbrach, welcher sie veranlasste, in die Trenta
abzusteigen.
Mit grossem Vergnügen denken wir an diese
Tour zurück. Praktisch ist dieser Weg sicherlich
nicht, und wer bequem und rasch auf die Spitze des
Berges gelangen will, um noch eine von den Mittags¬
wolken ungetrübte Fernsicht zu geniessen, der be¬
nütze die viel leichteren alten, von mir schon wieder¬
holt besprochenen Wege.
Wer aber Freund einer schneidigen Kletterei
ist und über die gehörige Ausdauer, Fertigkeit und
Schwindelfrciheit verfügt, der mache diese vielleicht
interessanteste Tour der Art in den Julischen Alpen
und steige auf den Priznig über die Nord wand.
Ein Programm für Seenforschung.
Von E. Richter in Graz.
Mit rastlosem Eifer widmet sich seit mehreren
Menschenaltern die europäische oder europäisch ge¬
bildete Gelehrtenwelt der Erforschung der Natur
aller Länder des Erdballes. Während zahlreiche
Expeditionen in die fernsten Erdräume einzudringen
versuchen, sind mit Recht noch viel grössere Mittel
und die Arbeit von vielen Tausenden auf die Er¬
forschung der eigenen Heimat verwendet, worden.
Wo die Kraft der Einzelnen nicht ausreichte, sind
die Staaten eingetreten, wobei freilich das eigentlich
wissenschaftliche Interesse an gewissen praktischen
Bedürfnissen wirkungsvolle Verbündete gefunden hat.
Es sind besonders drei Gebiete, auf denen die
Staaten die Organisation der Forschung in die Hand
genommen und ihr Mittel zur Verfügung gestellt
haben: die topographische Landesaufnahme, die
geologische Untersuchung und der meteorologische
Dienst. In allen Culturstaaten bestehen für diese
drei Zwecke eigene, freilich nicht überall gleich aus¬
giebig unterstützte Staatsanstalten. Daneben blieben
aber, abgesehen von der eigentlichen Detailfor¬
schung, noch immer Aufgaben übrig, welche für
die Mittel Einzelner zu ausgedehnt, gewissermaassen
als herrenlose Gebiete zwischen den Umzäunungen
jener grossen Staatsanstalten liegen geblieben sind.
Mit Recht hat sich unser Verein einiger solcher Auf¬
gaben, welche in seinen Wirkungsbereich zu fallen
scheinen, angenommen, so der Gletscherforschung.
In neuerer Zeit sind hydrologische Untersuchungen
angeregt worden. Heute soll hier auf ein weiteres
Forschungsgebiet hingewiesen werden, welches auch
in den Rahmen der Hydrologie gehört, jedoch eigener
Veranstaltungen und Untersuchungsmethoden be¬
darf: die Erforschung der alpinen Seen.
Bisher haben sich nur wenige Einzelne mit diesen
doch so anziehenden Objecten der Untersuchung be¬
schäftigt. Wenn wir Simony in Oesterreich, Forel
für die Schweiz, Geistbeck für Bayern nennen, so
haben wir nur sehr wenige Namen übergangen. Ja
man kann sagen,- systematisch haben sich mit Unter¬
suchung der Seetiefen und Wassertemperaturen nur
diese drei genannten Forscher beschäftigt; alles von
Anderen Geleistete beschränkt sich auf vereinzelto
mehr zufällige Beobachtungen. Es kann daher auch
nicht Wunder nehmen, dass wir über die Verhält¬
nisse recht ansehnlicher Theile des Weltmeeres ge¬
nauer unterrichtet sind als über manchen von zahl¬
losen Menschen befahrenen und bewunderten Alpen¬
see. Diese Unkenntniss z. B. der Seetiefen steht in
einem auffallenden Gegensatz zu der subtilen Ge¬
nauigkeit, welche bei den topographisclien Aufnahmen
der Ermittlung und richtigen Wiedergabe der Berg¬
formen und Berghohen gewidmet wird. Und doch
sind die Seetiefen für die Lösung gewisser geolo¬
gischer Fragen — etwa nach der Entstehung der
Thäler — ohne Zweifel wichtiger als die Berghöhen.
Die Ursache dieser Erscheinung liegt ohne Zweifel
darin, dass die Untersuchung eines grösseren Sees
Anforderungen an maschineller Ausrüstung und an
Arbeitskräften stellt, welche der einzelne Forscher
in der Regel nicht zu leisten vermag. Lothung- und
Temperaturmessung erfordern kostspielige Apparate,
ein gutes Boot, das für diese Zwecke eingerichtet
ist, Hilfsarbeiter, und dabei noch grossen Zeitauf¬
wand. Es ist den Marinen der Culturvölker leichter,
grossartig eingerichtete Expeditionsschiffe beizu¬
stellen, als es für den einzelnen Gelehrten ist, ein
gutes Segelboot oder eine Dampfbarkasse auf einem
Alpensee zu erwerben und entsprechend auszurüsten.
Ausserdem entzieht sich bei der Vielzahl der Seen
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