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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.16 (1890)
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Nr. 1.

Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichisclien Alpenvereins.

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nicht minder classisch für die Darstellung des Ter¬
rains durch Höhenlinien, sie zeigen hier ebenso viel
Sinn für die Individualisirung der Bodenform und
deren Abhängigkeit vom aufbauenden Material als
dort.

Paganini's Leistungen stehen ganz auf diesem
Standpunkte, der ihm umso näher lag, als er bei Aus¬
arbeitung seiner Karte stets die getreuen Abbildungen
der Natur vor Augen hatte und nicht wie manch
Andere „an der Erinnerung Tatzen saugen" musste.
So ist denn die Karte des Gran Paradiso trotz ihrer
Unfertigkeit in einzelnen Theilen und technischer
Mängel der Reproduktion nicht nur ein Markstein
in der Geschiente der Topographie, sondern auch
ein für Geographie und Gletscherkunde wichtiges
Material, da sie thatsächlich die einzige ist, welche
Gletscher auf italienischem Boden durch Höhencurven
wiedergibt. •

Zum Schlüsse seien noch einige Bemerkungen
über die Zukunft der Phototopographie beigefügt.
Dieselbe wird, von Ausnahmen abgesehen, auf das
Hochgebirge beschränkt bleiben und dort ihre dank¬
barste Aufgabe finden. Nur im Hochgebirge finden
sich genügende Uebersichten von wenigen Punkten
aus. Bisher war noch der Uebelstand vorhanden,
dass fernere Gegenstände, z. B. über 35 Kilometer
entfernte Bergketten, infolge des bläulichen Schimmers
der dazwischenliegenden Luftschicht nur ungenügend
abgebildet werden» konnten, was bei Aufnahmen im
kleinen Maassstabe offenbar sehr störend und zeit¬
raubend wirkt. Diesem Uebelstand wird gegenwärtig
durch Anwendung orthochromatischer Platten erfolg¬
reich begegnet. So ist es mir beispielsweise im vorigen
Winter gelungen, Berge in 80 Kilometer Entfernung
noch deutlich zu bekommen, und kürzlich erfuhr ich
von Herrn V. Hämmerle in Dornbirn, dass er im ver¬

gangenen Sommer Gebirge in 140 Kilometer Distanz
scharf auf dem Negative orthochromatischer Platten er¬
halten hat. Merkwürdigerweise haben weder Paganini
noch Koppe von solchen Platten Gebrauch gemacht,
von deren Vortheilen beim Photographiren von Land¬
schaften sich schon Hunderte von Amateuren über¬
zeugt haben. Ein fernerer wunder Punkt, den aber
die fortschreitende Technik ebenfalls bald beseitigt
haben dürfte, ist die Herstellung brauchbarer Posi¬
tive, die einerseits maasshältig, andererseits auch in
den feinsten Details durchgearbeitet sein sollen. Bei
Positiven, welche aufgezogen werden müssen, ist das
Erstere nie der Fall 5 bei sogenannten Eastmanbildern,
bei denen dies nicht nöthig ist, lässt trotz ihrer
malerischen Wirkung die Schärfe in tieferen Tönen
zu wünschen übrig. So muss man gegenwärtig noch
häufig auf die Negative recurriren, an denen das
Messen schwer, das Zeichnen fast unmöglich ist, und
damit auf die Vortheile verzichten, welche graphische
Methoden auch in der Topographie gewähren könnten.*
Doch sind diese Schwierigkeiten nur nebensächlicher
Art und sie werden die Anwendung der Photogram-
metrie auf dem ihr zukommenden Felde nicht auf¬
halten. Ein solches Feld aber ist das Hochgebirge
und wird es bleiben. Die Karten, auch eines Paganini,
werden mit der Zeit nicht mehr genügen und einer
Eevision bedürfen. Mag dies nun nach Jahrzehnten
oder Jahrhunderten eintreten, sicherlich wird seiner¬
zeit die Eeambulirung" mit keinen anderen Me¬
thoden arbeiten als mit einer verbesserten Photo-
grammetrie.

* So z. B. G. Hauck's Aufrissconstruction aus zwei Per-
spectiven bei Darstellung eines von vielen Felsstufen durch¬
zogenen steilen Gehänges durch Höhenlinien. Vergl. Neue Con-
struetionen der Perspective und Photogrammetrie, Journal für
reine und angewandte Mathematik, Bd. 95, 1883.

Verschiedenes.

Hüttenbesuch,

Breslauer Hütte. Laut Fremdenbuch wurde diese Hütte von
148 Personen besucht.

Wendelsteinhaus. Das Wendelsteinhaus wurde im Jahro
J8S9 von 6373 Besuchern (385 mehr als im Jahre 1887) benutzt.
Da sich erfahrungsgemäss ein beträchtlicher Bruchthoil der
Besucher nicht in das Hüttenbuch einschreibt, glaubt der
Verein Wendelsteinhaus die Besuchszifter mit 9000 bemessen
zu können.

Ennsthalerllütte auf dem Tamischbachthurm. Die Enns-
thalerhütte wurde im Jahre 1889 von 433 (im Fremdenbuch
eingetragenen) Personen besucht. Die Hütte wurde im Laufe des
vergangenen Sommers durch einen Zubau vergrössert, welcher
zwei geräumige Schlafzimmer enthält.

Führerwesen,

Führer Peter Burgsteilier f. Am 13. December wurde in
Kufetein der Führer Peter Bürgst ein er aus Fusch zu Grabe
getragen.

Verkehrswesen,

Localbahn Lend-Wildbad-Gastein-BöcRstein. Die Commandit-
Gesellschaft Soenderop & Comp. in Berlin hat dorn Handels¬
ministerium ein generelles Project für eine schmalspurige Local¬
bahn von der Station Lend-Gastein über Hof-Gastein und
Wildbad-Gastein nach Böckstein vorgelegt und gleichzeitig um

die Anordnung der Tracenrevision angesucht. Die circa 27 Kilo¬
meter lange Localbahn soll mit einer Spurweite von 0'76 Metern
ausgeführt und streckenweise die Abt'sche Zahnstange verwendet
werden. Die Tracenrevision, sowie die weiteren im Gegen¬
stande noch zu pflegenden Studien worden ergeben, ob für die
projeetirte Localbahn seinerzeit der Dampfbetrieb oder elektri¬
sche Betrieb Anwendung finden soll. Die Bahntrace soll hinter
dem Aufnahmsgebäude der Station Lend-Gastein der Staatsbahnen
beginnen und nach Ueberbrückung der Salzach und nach Un¬
terfahrung der Reichsstrasse den sogenannten Schmelzberg er¬
steigen, um sodann theils über der Klamm, theils neben der
Roichsstrasse, bald am linken und bald am rechten Achenufer
über Krallachmühle, Klammstein und Unterberg nach Dorf-Gastein
zu führen. Von Dorf-Gastein soll die Bahn am rechten Achenufer
über Luggau, Laderding und Hof-Gastein bis Gadaunern geführt
werden, daselbst die Ache übersetzen und sodann am linken
Ufer über Wildbad-Gastein nach Böckstein gelangen, wo die
Endstation angelegt werden soll. Die Gesammtkosten dieser
Bahnanlage sollen sich auf 1.580,000 fl., d. i. per Kilometer auf
58.300 fl. belaufen. — Es braucht kaum hinzugefügt zu werden,
dass die Ausführung dieses Projectes für den Besuch des von dem
D. u. Oe. Alpenverein mit bedeutenden Opfern erschlossenen
Gebietes der östlichen Tauern von grösster Bedeutung wäre.
Insbesondere würde die Bereisung des Arbeitsfeldes der thätigen
und opferfreudigen S. Hannover, der Ankogel- und Hochalm¬
spitzgruppe, und der S. Gastein, sowie der Rauriser Goldberg¬
gruppe mit dem Sonnblick, ganz wesentlich erleichtert und einem
bisher unerhofften Aufschwung zugeführt werden.