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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.16 (1890)
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Mittheilnngen des Deutschen und Oesterreicliisclien Alpenvereins.

Nr. 18.

hat sich auch die „Societa dogli alpinisti Tridentini" um Ueber-
lassung des Alpenvereinsschlosses für ihre Hütten an den Cen¬
tral-Ausschuss gewandt, welchem Ersuchen derselbe natürlich
bereitwilligst Folge gab.

Aus Gams meldet man uns, dass am 18. August die Ent¬
hüllung des am Eingange in die „Noth" von Herrn Regierungs-
rath Franz Kraus errichteten Denkmales für weiland Kronprinz
Rudolf stattfand.

Unglücksfälle in den Alpen.

Unglücksfall auf dem Matterhorn. Kaum hat sich noch das
Grab über der Leiche des unglücklichen Carrel geschlossen,
und schon wieder war das Matterhorn der Schauplatz eines er¬
schütternden Unglücksfalles. Am 12. September 1. J. verunglückte
nämlich Herr Eduard Göhrs aus Strassburg i. E. (Neffe des
bekannten Hochgebirgsphotographen J. Beck) und die Führer
Brantschen (Sohn) und Graben aus St. Nicolaus. Die Partie
dieser Drei hatte an jenem Tage bei schönstem Wetter den
Anstieg von der Matterhornhütte aus angetreten. Eine Stunde
nach ihnen verliess eine zweite Partie, bestehend aus einem
Herrn Dam es tius Frankfurt a. 0. mit den Führern Frid.
Burgener und Peter Knubel die Hütte. Als die erste Partie
etwa x / 2 St. unter der Schulter des Berges war, brach plötzlich
ein furchtbarer Sturm los, welcher beide Partien zur Umkehr
nöthigte. Die untere Partie hatte kaum eine Viertelstunde weit
den unter solchen Verhältnissen sehr bedenklichen Abstieg
zurückgelegt, als plötzlich von oben ein Geräusch ertönte und
der zu höchst stehende Burgener zu seinem Entsetzen die
drei durch das Seil verbundenen Körper der oben Genannten,
anscheinend bereits leblos, in nächster Nähe vorübersausen
und in rasendem Fluge zum Furggengletscher abstürzen sah.
Dortselbst blieben die zerschmetterten Leichname liegen und
wurden am nächsten Tage nach Zermatt hinabgebracht. Was
die Ursache dieser erschütternden Katastrophe, der ein junger,
hoffnungsvoller Mann und zwei tüchtige Führer zum Opfer
fielen, gewesen, das wird für immer ein Räthsel bleiben. Am
naheliegendsten ist die Annahme, dass der furchtbare Sturm die
eigentliche Ursache war. Indess ist es auch möglich, dass einer
der drei Theilnehvner, also zunächst der Tourist infolge des
schlechten Zustandes des Berges (Neuschnee und Vereisung) aus¬
geglitten ist. Auf alle Fälle ist aber der plötzliche Witterungs¬
umschlag die mittelbare Ursache gewesen.

Spuren eines Unglücksfalles. Wie die „Berchtesgadener
Nachrichten" melden, wurde vor einigen Tagen von einem Holz¬
knechte in der Nähe der Regenalm, oberhalb des Obersees, eine
Tasche gefunden, welche als dem seit 27. Juni d. J. verschwun¬
denen Vergolder Job. Georg Wanger aus Karlsruhe gehörig,
agnoscirt worden ist. Es liegt demnach die Annahme nahe, dass
Wanger bei einer allein unternommenen Wanderung ver¬
unglückt ist. Die bisherigen Versuche zur Auffindung der Leiche
sind leider erfolglos geblieben.

Verhüteter Unglücksfall im Kaisergebirge. Am 28. August war
Herr Baron v. Lindenheim von Thansau und der Fabrikantens-
sohn Herr Theodor Schröder aus München in die Hinterbären-
badhütte gekommen, um am nächsten Tage das Sonneck zu er¬
steigen. Da aber an diesem Morgen der bestellte Führer wegen
Unwohlseins nicht kam, entschlossen sich die beiden Herren,
eine Ersteigung der Pyramidenspitze auf dem markirten Wege
auszuführen. Hievon wurden sie jedoch durch einen Herrn Erich
v. König aus München abgehalten, der die beiden Herren
beredete, mit ihm — der angeblich das Kaisergebirge kenne wie
seine Tasche — über die „Steinerne Rinne" nach Elmau zu
gehen. Nach wiederholter dringender Einladung gaben endlich
die beiden Herren nach und schlössen sich König an; jedoch
sehr zu ihrem Schaden, denn nach langer, höchst mühevoller
Kletterei und nachdem Herr v. Lindenheim wiederholt drin-
gendst verlangt hatte, umzukehren, fanden sich alle Drei spät
am Nachmittage total verirrt an einer Stelle, von der es an¬
scheinend unmöglich war, weiter zu kommen, und zwar ebenso
nach aufwärts wie abwärts. Bei einem Versuche, eine höhere
Stufe zu erklettern, stürzte König von den Schultern des Herrn
v. Lindenheim und wurde nur von Schröder durch das
Seil vor einem tödtlichen Sturze bewahrt. Auf schmaler Fels¬
terrasse wurde eine schlechte Nacht verbracht. Am Samstag
Mittags versuchte König allein den Abstieg, und es gelang ihm,
abends in die Wochenbrunneralpe zu kommen. Hilfe konnte

also erst am Sonntag aus Elmau gesandt werden, und waren die
beiden Zurückgebliebenen verurtheilt, eine zweite Nacht auf
ihrer Felsplatte hungernd und frierend zu verbringen. Die aus
drei Elmauer Bauern bestehende Hilfsexpedition erwies sich
jedoch als unzulänglich und musste unverrichteter Dinge ab¬
ziehen, und zwar weil sie infolge der Aeusserungen König's, es
sei „spielend leicht" zu dem Bivouakplatze zu gelangen, sich mit
keinem Seile versehen hatte. So waren die Bedauernswerthen
genöthigt, noch eine dritte, furchtbare Nacht in ihrer einsamen
Höhe zu verbringen, und erst an dem darauffolgenden Montage
gelang es, dieselben glücklich zu Thale zu bringen. Glücklicher¬
weise konnte der rasch herbeigeholte Arzt keine ernsteren Ge¬
sundheitsstörungen constatiren und die beiden Herren sich infolge
der liebevollen Pflege, welche sie in Elmau fanden, bald wieder
von den ausgestandenen Strapazen und Entbehrungen erholen.
— Die Erbitterung über den unverantwortlichen Leichtsinn des
Herrn König, der sich den beiden Herren als Führer aufdrang,
ohne selbst die nüthige Kenntniss des einzuschlagenden Weges
zu besitzen — schreibt man uns von verlässlicher Seite — ist
in den Orten der Umgebung des Kaisergebirges gross. Und
dies gewiss mit Recht. König, der bei den München er Berg¬
steigern nicht beliebt ist — seine Berichte gelten als wenig
verlässlich, einige Aufsätze, welche er in einem Wiener touri¬
stischen Blatte („Der Tourist") veröffentlichte, zeigten ihn,
gelinde gesagt, als einen der besonnenen Alpinistik gefähr¬
lichen Schwärmer — verdient den schärfsten Tadel dafür,
dass er zwei Bergsteiger, deren Fähigkeiten ihm nicht bekannt
sein konnten, zu einer ihm selbst unbekannten Tour animirte
und auf diese Weise zwei Männer, die ihre Liebe zur Alpennatur
stets nur in der besonnensten Weise befriedigten, in eine so
schreckliche Situation brachte, aus der sie nur durch ein be¬
sonderes Glück unverletzt hervorgingen. Wir schliessen uns
dieser Ansicht vollkommen an, derlei Aiisschreitungen, die den
Alpinimus auf das Empfindlichste zu schädigen geeignet sind,
müssen mit aller Strenge hintangehalten werden, und darum
haben wir dieser Begebenheit hier als warnendes Beispiel eine
ausführliche Besprechung gewidmet.

Personal-Nachrichten.

Dr. Carl V. Edel f. Am 16. September 1890 starb zu Würz¬
burg Professor Dr. Carl v. Edel, nachdem er am 10. August
das 84. Lebensjahr zurückgelegt hatte. Seine mehr als 50jährige
Wirksamkeit als Professor an der juristischen Facultät der
Universität Würzburg, sowie als langjähriges Mitglied und Prä¬
sident der bayrischen Abgeordnetenkammer und des Frankfurter
Parlaments ist bereits in grossen Zügen von den Tageszeitungen
geschildert worden und wird ohne Zweifel von berufener fach¬
männischer Seite noch eingehend gewürdigt werden. — Die
S. Würzburg des D. u. Oe. Alpenvereins betrauert in dem Ent¬
schlafenen ihren langjährigen ersten Vorstand, sie betrauert den
Freund der Natur, der es verstanden hat, nicht in oberflächlich
dilettantischer Weise, sondern bewaffnet mit dem Auge des
Naturforschers seine Reiseerlebnisse zu schildern. Edel besass
eine seltene Gabe der Naturbeobachtung, und es ist jetzt eine
müssige Frage, was derselbe wohl geleistet haben würde, wenn
er die Laufbahn des Naturforschers ausschliesslich betreten
hätte. Dem Dahingeschiedenen war bis in sein hohes Alter eine
seltene geistige wie körperliche Rüstigkeit eigen. Seinen 70.
Geburtstag feierte er auf der Spitze der Marmolata und in
seinem 75. Lebensjahre bestieg er mit Leichtigkeit den Ortler.
Die Vollendung der von der S. Würzburg an der Ahornspitzo
erbauten „Edelhütte" hat der Gefeierte zwar noch erlebt, die
Hütte selbst aber sollte er leider nicht mehr sehen. Während
am 14. Juli 1889 die Unterkunftshütte unter zahlreicher Be¬
theiligung der Sectionsgenossen und der Bewohner des Ziller-
thales feierlich eingeweiht wurde, musste Edel diesem schönen
Feste fern bleiben und im Bade Brückenau verweilen. Wir
haben den Entschlafenen bei verschiedenen Gelegenheiten seines
thatenreichen Lebens gefeiert und geehrt. Am 18. September
1890 erwiesen wir ihm die letzte Ehre auf dem Friedhofe zu
Würzburg durch Niederlegung eines Edelweisskranzes an seinem
Grabe. Er ruhe im Frieden!

Staatsanwalt G. Schäfer f. Am 9. August starb nach
längerem Leiden der kais. I. Staatsanwalt Herr G. Schäfer,
ein hochgeehrtes Mitglied unseres Vereins. Er war Gründer der
S. Mülhausen i. E. und mehrere Jahre,' bis zu seiner Versetzung