/ 328 pages
Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.17 (1891)
Search


MITTHEILUNGEN

DES

DEUTSCHEN UND OESTERREICHISCHEN ALPENVEREINS.

Die Mittheilungen erscheinen am 15. nml letzten jeden Monats.

Die Mitglieder des Vereins erhalten dieselben unentgeltlich.

Für Nichtraitglieiler mit Postversendung:

3 fl. 70 kr. Ö.W. = CJ!.= 8 Fr.

Preis der einzelneu Nummer 15 kr. ö. W. = 25 Pf.

Schriftleitung und Geschäftsstelle: Wien,

I., Stubenhastei 2.
Gesannnt-Auflage 26.000.

Alleinige Anzeigen-Annahme

hei Rudolf Mosse, Wien, I., Seilerstätte 2; München, Pro¬
menadeplatz IG; ferner in Berlin, Breslau, Chemnitz, Cöln,
Dresden, Frankfurt a. M., Halle a. S., Hamburg, Hannover,
Leipzig, London, Magdeburg, Mannheim, Nürnberg, Prag,
Strassburg, Stuttgart, Zürich.

Anzeigenpreis:
25 kr. ö.W. = 40 Pf. für die viergespaltene Nonpareille-Zeile.

Für Form und Inhalt der Aufsätze sind die Verfasser verantwortlich.

Nr. 10.

Wien, 31. Mai.

1891.

Oima di Plem und Corno del Cristallo.

(Ad am ellogxupp e.)
Von K. Schulz in Leipzig.

Am Abend des $7. August 1887 sass ich mit
Liberio Collini aus Pinzolo auf der am Lago Baitone
westlich vom Adamello gelegenen Malga Baitone.
Zur Linken öffnet sich das Val Miller, vor uns liegt
das nordwestlich verlaufende und im Val Camonica
bei Rino mündende Val Malga. Jenseits desselben
im Westen dehnt sich die Kette der Bergamasker
Alpen aus. Der Ausfluss des Lago Baitone stürzt
als mächtiger, breiter Wasserfall oberhalb der Malga
über eine Felsstufe herab.

Es war ein köstlicher Abend. Der Anblick der
reizvollen Umgebung und die freundliche Aufnahme,
die uns der Padrone Domenico Motinelli aus Sonico
bereitete, versetzten mich in die froheste Stimmung.
Unaufgefordert brachte mir der höfliche Italiener
Wasser zum Waschen und sogar ein — Handtuch!
Noch niemals hatte ich bisher diesen nützlichen
Gegenstand auf einer Malga gesehen. Unter frohem
Geplauder vergingen die Abendstunden. Der Padrone
kannte den Herrn Adami und seine zahlreichen in
diesen Bergen ausgeführten Besteigungen. Bis 1866
österreichischer Hauptmann in Edolo, trat Adami
dann in italienische Dienste und war damals Major
in Verona.

Wir schliefen in dem kleinen Dachraum eines
Seitengebäudes neben dem Stall; durch die offene
Thür schaute der Mond herein. Am Sonntag den
28. August brachen wir bei schönstem Wetter um
4 h 45 m auf, stiegen, begleitet von dem Hirten, der
uns einen bequemen Weg zeigte, zum Lago Baitone
hinauf und umgingen ihn auf seinem westlichen
Ufer. Unser Ziel war die Cima di Plem, deren Er¬
steigung von Nordwesten her wir am Tage vorher
des Neuschnees wegen hatten aufgeben müssen.*

* Die alpine Hochseenlandschaft des Baitonekares- und die
Cima di Preinassone. Mittheilungen des D. u. Oe. Alpenvereins
1889, Seite 177.

Ueber spärliche Weide stiegen wir vom See in nord¬
östlicher Richtung" empor, durchquerten das schon
früher geschilderte, sehr ausgedehnte Meer grosser
Tonalitblöeke und kamen zum Lago Rotondo, weiterhin
zum Lago Bianco. Es galt jetzt einen Weg auf die
vor uns liegende Cima di Plem ausfindig zu machen.
Von einer früheren Besteigung des Berges war weder
mir, noch Collini etwas bekannt. Ich hielt ihn für
unerstiegen. Collini wollte vom Gipfel des Adamello
aus auf der Spitze der Cima di Plem etwas blinken
gesehen haben wie ein Spiegel, woraus er auf eine
stattgehabte Besteigung schloss.

Drei Hauptgrate laufen von dem genannten Berge
aus, ein nordwestlicher, der sich zum Corno Baitone
hinzieht, ein östlicher, der die Verbindung mit dem
Adamellomassiv herstellt, und ein südwestlicher, der
sich gerade vor uns ausdehnte. Sie bestehen durch¬
aus aus Tonalit. Die Contactzone mit den Schiefern
liegt in dem grossen Kar zwischen Cima di Plem
und Rocca Baitone. Ausser der Cima di Plem, die
auf der neuen italienischen Generalstabskarte (Tavo-
lette rilevate 1:50.000 und 1:25.000) mit 3187 Meter
gemessen ist, entragen dem südwestlichen Grat noch
zwei ausgeprägte Gipfel. Der eine, ein ebenso schön
pyramidisch geformter wie die Cima di Plem, gleich¬
sam eine etwas niedrigere Wiederholung derselben,
ist auf der italienischen Karte mit 2981 Meter ge¬
messen und trägt keinen Namen. Zwischen ihm und
der Cima di Plem ist ein von beiden Seiten leicht
zugänglicher Pass eingeschnitten, der Passo del Cri¬
stallo (2831 m ) ; der vom Baitonekar in das Val Miller
führt. Der Gipfel ist durchaus selbstständig und be¬
deutsam genug, um einen Namen zu tragen. Ich
schlage daher vor, ihn nach dem neben ihm gelege¬
nen Pass Corno del Cristallo zu nennen. Weiter
westlich liegt noch ein niedrigerer, mehr gestreckter
Gipfel, Corno di Plem (2774 m ), welcher den Lago
Baitone beherrscht. Der breite Einschnitt zwischen