Nr. 14.
Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.
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„alpine Aschenbrödel", erwärmt, nennt diesen Punkt, offen¬
bar übertreibend, sogar „einen der schönsten in den Ost¬
alpen" (S. 126), ja „in den Alpen" überhaupt (S. 728), be¬
zeichnet ihn aber noch immer: „auf den Eossberg zum
Venedigerblick 1 St.", obzwar bereits Lorinser (a. a. 0.,
S. 392) das Unrichtige und Ungenaue dieses Ausdruckes
getadelt. Der Rechteckbauer — und nur diesen meint
Amtbor, da man auf den Kossberg (2057
m
) von Neukirchen
aus nicht in 1 St., sondern in ca. 4 St. gelangt — liegt nur
auf dem unteren Abhänge des Kossberges, und den „Venediger¬
blick'' haben wir bereits oben als an der Chaussee selbst
liegend kennen gelernt!
Wer in der Zeit nicht allzu beschränkt ist, wähle natür¬
lich den Wildkogel (Aufstieg: Reitweg), bei sehr knapper
Zeit mag man sich mit dem Kechteckbauer begnügen und bei
genügender Zeit nehme man beide 1
Eine neue Gebirgsbahn: Eisenerz—Vor dernberg.
In wenigen Tagen werden die Vertreter der Sectionen
unseres Vereins aus allen Gauen Deutschlands und Oester-
reichs der lieblichen Landeshauptstadt der grünen Steiermark,
dem von der Mur durchrauschten Graz zueilen. Die öster¬
reichische Südbahn wird dem grössten Theile der Gäste aus
dem deutschen Reiche die Strasse sein, auf der sie zu ernster
Berathung und fröhlichen Festen streben werden, sie wird
ihnen die wechselnden, herrlichen Bilder des Semmerings,
der ältesten Gebirgsbahn des Continents, die grünen Matten
und harzduftenden Tannenwälder des anmuthigen Mürz-
thalcs weisen, die engere Heimat jener ursprünglichen Ge¬
stalten und jenes braven Volkes, das ihnen Rosegger's
Feder schon oft und treu vorgeführt hat. Aber auch von
Westen und Süden her, aus und durch Salzburg, Tirol und
Eärnten werden eifrige Vereinsgenossen dem schönen Ziele
im Herzen Steiermarka zustreben, und Manchem von denen,
welche aus dem Salzkammergute oder'mit der Giselabahn
über Selzthal und Leoben, noch mehr aber Jenen, welche
mit der Eudolfsbahn durch das untere Ennsthal an die Ufer
der Mur ziehen wollen, wird bei einem Blick auf die Karte
eine kleine Lücke im Netze der österreiphischen Bergbahnen
auffallen, jene Lücke, welche der Pass des Präbichl und
der Bchwere Erzschätze bergende Erzberg zwischen dem
Emporium der steirischen Eisenindustrie, Eisenerz, und der
Flügelbahn Leoben—Vordernberg ausfüllt.
Einer der Ausflüge, welche im Anschlüsse an die General¬
versammlung stattfinden, wird in jenes Gebiet geleitet. Die
S. Obersteier hat es unternommen, jene Gäste, welche die
vielen und eigenartigen Schönheiten des gemsenreichen
Berglandes von Obersteiermark, die industriefleissigen Haupt-
orte der steirischen Eisenproduction kennen lernen wollen,
als sach- und ortskundige Führer dahin zu geleiten. Von
der Höhe des aussichtsreichen Eisenerzer Reichensteins werden
die Blicke der begeisterten Naturfreunde das Gewirre der
steiermärkischen Bergriesen, die grünen Tiefen der wald-
und wiesenreichen Thäler und nicht zuletzt den von zahl¬
losen Bergarbeitern gleich einem Ameisenbau belebten Erz¬
berg, die Schatzkammer der Mark, erfassen. Nicht entgehen
wird ihnen dann aber auch die nahezu fertiggestellte
Schienenstrasse, welche in mannigfachen Windungen, Thäler
überbrückend und Bergrücken durchbohrend die Höhe des
Präbichlpasses erklimmt, jene Schienenstrasse, welche schon
in kurzer Zeit die eingangs erwähnte Lücke des ober¬
steirischen Eisenbahnnetzes aus der Welt schaffen und der
Industrie und dem Verkehre einen der wichtigsten Wege
erschliessen soll. Dieser neuen, in vieler Hinsicht eine der
interessantesten Schienenstrassen der Monarchie bildenden
Bergbahn mögen die folgenden Zeilen gewidmet sein.
Obwohl die erwähnte Lücke in der Luftlinie gemessen nur
11*5 Kilometer beträgt, hatte sich bis 1886 keine Gesellschaft
darüber gewagt, die Bahnverbindung Eisenerz—Vordernberg
herzustellen; dies ist um so auffallender, als zwischen Eisen¬
erz und Vordernberg der Erzberg liegt, welcher ungemessene
Schätze an Eisenerzen birgt, und auf dem seit dem Jahre 712
Bergbau getrieben wird. Die Ursachen, warum die Bahnver¬
bindung Eisenerz—Vordernberg bis jetzt nicht hergestellt
wurde, sind nicht nur in den Schwierigkeiten zu suchen,
welche der zwischen dem Enns- und Murthale sich hin¬
ziehende Beichenstein mit seinen Ausläufern der Anlage
einer Eisenbahn entgegenstellt, sondern müssen auch dem
Umstände zugeschrieben werden, dass bei Anlage der Strecken
Hieflau—Eisenerz und Leoben—Vordernberg die Möglich¬
keit der.Fortsetzung dieser beiden Bahnen als eine gar nicht
in Betracht zu ziehende Eventualität angesehen wurde. That-
sächlich sin<' die Endstationen Eisenerz und Vordernberg auch
derart situirt, dass die Ueberschreitung des sich zwischen den
beiden hinziehenden Bergrückens mittelst einer Adhäsions¬
bahn ganz ausserordentliche Kosten verursachen würde und
eine solche Bahn nicht einmal geeignet wäre, dem Bergbaue
zu dienen, weil es nicht möglich ist, mit der für Adhäsions¬
bahnen zulässigen Maximalsteigung die Etagen des Erzberges
zu erreichen.
Nur durch die Combinirung von Adhäsions- und Zahnrad¬
strecken war die Möglichkeit geboten, eine Trace ausfindig
zu machen, durch welche sowohl die Station Vordernberg, als
auch die Station Eisenerz mit den reichen Erzlagern des Erz¬
berges verbunden und so die Transitolinie Leoben—Hieflau ge¬
schaffen werden konnte, welche gegenüber der Bahnverbindung
Leoben—Selzthal—Hieflau um 62 Kilometer kürzer ist.
Das Verdienst, eine Zahnstange und eine combinirte Ma¬
schine construirt zu haben, welche sich sowohl zur Befahrung
der Adhäsions-, als auch Zahnradstrecken eignet, gebührt dem
Luzerner Ingenieur Roman Abt.
Die guten Eesultate, welche beim Betriebe der nach Sy¬
stem Abt erbauten Harzbahn Blankenburg—Rübeland er¬
zielt wurden, veranlasste im Jahre 1886 die österreichische
Alpine Montan-Gesellschaft als Hauptbesitzer der Erzlager am
Erzberge, den Oberingenieur Friedrich Seligmann Studien
für die Bahnverbindung Eisenerz—Vordernberg machen zu
lassen, durch welche gar bald die Leistungsfähigkeit und Ren¬
tabilität dieser Bahnanlage constatirt wurde.
Obwohl die leitenden Persönlichkeiten der österreichischen
Alpinen Montan-Gesellschaft mit aller Energie dahin strebten,
die Concessionirung dieser Bahn ehebaldigst durchzusetzen
und das Land Steiermark in richtiger Würdigung der Vor-
theile, welche die Bahnverbindung Eisenerz—Vordernberg
für die steirische Eisenindustrie haben werde, diese Bestre¬
bungen nach Möglichkeit unterstützte, stand der Reaüsirung
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