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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.17 (1891)
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MITTHEILUNGEN

DES

DEUTSCHEN UND OESTERREICHISCHEN ALPENVEREINS.

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Nr. 19.

Wien, 15. Oetober.

1891.

Der Monte Popera (3000 m Aner.).

Von E. Graf Kflnigl in Waldhaus bei Greiz.

Der letzte noch unerstiegene Berg von hervor¬
ragender Bedeutung in der Sextnergruppe war der
Monte Popera, welche dem von der Hochbrunner-
schneide zum Col dei Bagni ziehenden Grate ent¬
ragt. Er ist von dem Steilabsturz der Hochbrunner-
schneide durch einen tiefeingescharteten Sattel ge¬
trennt, welcher zugleich den Abschluss des obersten
Kares des Val stallata bildet. Letzteres erscheint so¬
nach als der natürliche Zugangsweg zu unserem
Berge.

Ich war am 24. Juli 1890 nach einer Periode
schlechten Wetters, das ich als Regen und Schnee in
den Hohen Tauern auszukosten hatte, in Sexten an¬
gelangt und galt dem guten Bekannten Veit Inner¬
kofi er meine erste Nachfrage. Zu meinem Bedauern
hörte ich, dass derselbe auf einer Tour sei. Während
ich noch überlegte, was nun wohl zu thun sei, wurde
mir das Vergnügen zu Theil, Herrn Dr. Heiversen
mit seiner liebenswürdigen Gemahlin, der gewandten
kühnen Hochtouristin, begrüssen zu können und bei
dieser Gelegenheit auch Herrn Dr. Witlaczil
kennen zu lernen. Die Herren erkundigten sich nach
meinen Reiseplänen, und als sie hörten, dass der
Monte Popera auf meine Fahne geschrieben sei,
sprachen sie den Wunsch aus, mich begleiten zu
dürfen. Ich willigte vom Herzen gerne ein, aber
nicht ohne die Herren darauf aufmerksam zu machen,
dass mein vorgerückteres Alter ein Hemmschuh für
ihre jugendlichen Kräfte sein dürfte. Es wurde nun,
als Ersatz für Veit, Josef (Sepp) Innerkofler als
tüchtiger, schneidiger — wenn auch noch nicht so er¬
fahrener — Führer vorgeschlagen. Da auf denselben
von anderer Seite gelauert wurde, so ging ich ihm
(er kam von einer Tour zurück) entgegen, um ihn
rechtzeitig anzuwerben.

Wir fuhren, der Verabredung gemäss, am 25. Juli
auf den Kreuzberg, wo wir um 2 h 45 m früh an¬
langten, um von dort über die „grüne Rinne", die
im Zuge des Arzalpenkopfes liegt, die Arzalpe zu

erreichen. Ein Sextener Jäger hatte versichert, dass
dies die kürzeste und bequemste Route in die Arz¬
alpe sei. In einer Stunde war der „Schussriedel"
erreicht, worauf wir die Osthänge des Arzalpenkopfes
querten und dabei, mit etwa 25 Min. Zeitverlust, in
eine falsche Rinne stiegen, bis wir endlich die rich¬
tige „grüne Rinne" fanden, welche in der That sehr
bequem passirbar ist. Absteigend, gelangten wir in
das Trümmermeer der Arzalpe, wo wir uns (5 h 45 m )
jenseits der Risena zu einer halbstündigen Früh¬
stücksrast niederliessen.

Wir umgingen nun die gegen die Arzalpe ab¬
stürzenden Osthänge des Monte Popera über Geröll
und Schnee und erreichten den in umstehender flüch¬
tiger Handskizze mit A bezeichneten Grat. Von hier
kann man drei Rinnen überblicken. Eine zieht gerade
gegen den Hauptkamm hinauf zur Scharte bei B
in südwestlicher Richtung, eine zweite als tiefein¬
geschnittene Schlucht in das Massiv des Col dei
Bagni, während eine dritte Rinne nordwestlich
in die Abstürze des Popera einschneidet. Meine
Begleiter und Seppel stimmten dafür, die Letztere
als Anstieg zu wählen, wohl nach dem Grundsatze
Zsigmondy's: „dass der kürzeste Weg der beste
sei", während ich für den ersterwähnten Weg, zur
Scharte B, stimmte, womit ich, wie die Folge lehrte,
auch Recht hatte. Waren die anderen Herren, und
auch Seppel, doch noch nie in diese Gegend ge¬
kommen. Jedoch die Mehrheit entschied und Seppel
stieg voran, um den Anstieg zu recognosciren. Nach
etwa einer halben Stunde verkündete sein Ruf, dass
er uns sehnlichst erwarte.

Wir folgten, indem wir über den Schnee an¬
stiegen bis zu einer plattigen Wand, wo Seppel
unser wartete. Die tief eingeschnittene, mit Schnee
erfüllte Schlucht, welche sich links von uns hinauf¬
zog, erschien durch einen Absturz nicht passirbar,
daher der Anstieg über die Wand erfolgen musste.
Es begann nun eine Kletterei über kleine Wände,: