Nr. 8.
Mittheilungen des Deutschen und Oesterreiohischen Alpenvereins.
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etc. geeignete Stützpunkte, nämlich die Ortschaften
Pejo, Cogolo und Celledizzo, wo Arbeitskräfte und das
Arbeitsmaterial, welches überhaupt an Ort und Stelle
bezogen werden kann, genügend vorhanden sein dürf¬
ten. Die Hütte kann durch etwaige Neubauten ihrer
dominierenden Stellung nie beraubt werden.
Eines ist allerdings nicht zu verkennen: das
besprochene Problem erfordert zur vollständigen
Durchführung die Bewältigung mancher Schwierig¬
keit, vieler Arbeit und nicht unbeträchtlicher Mittel,
wenn sich auch beide auf einige Jahre vertheilen
werden, weil die Wegverbesserungen nur nach und
nach — nach Maassgabe der sich ergebenden Noth-
wendigkeit und Durchführbarkeit — angelegt wer¬
den können. Die Durchführung desselben wäre aber
gewiss eine alpine That, die ihresgleichen suchen
würde, und jene Section, welche den Weg vom
Tresero zum Cevedale mit ihrem Namen taufen
könnte, hätte des Ruhmes und der Anerkennung
genug. Sollten diese kurzen Notizen eine An¬
regung geben, eines der grossartigsten, zu¬
gleich aber noch am meisten vernachlässigten
Gebiete der Ostalpen ganz zu erschliessen,
so wäre deren Zweck vollauf erreicht.
Das Observatorium auf dem Montblanc.
Von Prof. Dr. E. Richter in Graz.
Herr J. Janssen, Mitglied der französischen Akademie,
hat die grosse Freundlichkeit gehabt, der Schriftleitung seine
Veröffentlichungen über die grossartigen wissenschaftlichen
Unternehmungen, die er in den letzten Jahren auf dem
Montblanc in Scene gesetzt hat, nebst der hier wiederge¬
gebenen Photographie zur Verfügung zu stellen. Durch
Kostspieligkeit und zielbewusste Durchführung gleich her¬
vorragend, übertreffen diese Unternehmungen bei Weitem
alles Aehnliche, und wenn wir uns der Erbauung des Zittel-
hauses auf dem Sonnblick und der schlauen Erfindungen
unseres unvergesslichen Naz Rojacher erinnern, sozu¬
sagen kostenlos das Kostspielige zu leisten, so müssen wir
\
uns beschämt gestehen,
um wie viel ärmer wir
sind als — Andere. Das
umsomehr, als ja, wie
bekannt, gleichzeitig
zwei ein wenig concur-
rierende Unternehmun¬
gen auf dem Montblanc
thätig waren und sind,
neben Janssen auch
noch H. Vallot, der ein
Observatorium auf den
Bosses in 4500 m. Höhe
erbaut hat. Nur das Eine
kann uns beruhigen, dass
unsere Sonnblickstation,
die nicht von Millionären,
sondern von zwei Pri¬
vatvereinen gegründet
wurde, deren Mittel nach
so vielen Seiten in An¬
spruch genommen sind,
und doch wissenschaft¬
liche Ergebnisse von so
hohem Werthe geliefert
hat, dass die Gründer der Montblancstation sehr zufrieden
sein können, wenn sie nach zehn Jahren auf gleiche Er¬
folge zurückblicken dürfen, wie wir.
Die wissenschaftlichen Zwecke des Herrn Janssen
sind zunächst nicht meteorologische, sondern physikalische.
Bei seinen Untersuchungen der Sonnenatmosphäre war es
ihm von höchstem Werthe, einen Beobachtungsposten zu
gewinnen, auf dem die Erdatmosphäre möglichst frei von
Wasserdampf ist. Dieser Anforderung wird am besten
durch eine Höhenstation, und zwar in der kalten Jahreszeit
entsprochen. Infolgedessen unternahm Herr Janssen seine
erste Expedition bis zum Schutzhaus auf den Grands Mulets
am 12. October 1888. Da Herr Janssen ein schwer be¬
weglicher, älterer Herr ist, so muss er sich bei seinen
Gebirgsbesteigungen grösstentheils tragen lassen. Dieser
Umstand, dann die Grosse und Gebrechlichkeit der mit¬
genommenen Instrumente bedingen eine Unzahl von Trägem,
und diese wieder ganze Proviantcolonnen u. s. w.
Die Ergebnisse dieser ersten Besteigung waren sehr
günstige. Janssen glaubt das Fehlen des Sauerstoffes in
der leuchtenden Sonnenatmosphäre mit Bestimmtheit an¬
nehmen zu können. Um aber die Untersuchungen weiter
zu fördern, hielt er es für unerlässlich, die Beobachtungen
auf der Spitze des Montblancs fortzusetzen. Diese Bestei¬
gung, die noch ganz andere Schwierigkeiten bot als die
Erreichung der Grands
Mulets, fand am 17. Au¬
gust 1890 statt. Jans-
sen wurde von 22 Trä¬
gern befördert. Am un¬
teren Theile des Glet¬
schers bediente man sich
einer Tragbahre folgen¬
der Construction: An
zwei festverbundenen
Holmen von 4 m. Länge
hängt in der Mitte an
Eiemen ein Sitz und
ebenso eine Fussbank;
die Holmen werden auf
den Schultern getragen
oder bei stärkerer Nei¬
gung an dem einen Ende
auf den Schultern, an dem
anderen in den Händen.
Von den Grand Mulets
an bediente man sich
eines Schlittens. Beim
Traversieren der Ge¬
hänge lief nur eine Kufe
auf dem Schnee, die andere musste getragen werden. Als
Zugseil diente eine Strickleiter; an steilen Stellen wurde
der Schlitten erst an einem langen Seile oben verankert,
dann aufgezogen. Die Expedition erreichte' am Abend des
18. August die damals eben vollendete Cabane des Herrn
Vallot auf den Bosses; in der Nacht fiel aber schlechtes
Wetter ein, und drei Tage lang war man dem Ansturm
eines Luftwirbels ausgesetzt, der damals ganz Westeuropa
Ueberschwemmungen u. dgl. brachte. Am 22. war das Wetter
wieder hell geworden, und Janssen brach mit den ihm treu
gebliebenen 12 Trägern auf, erreichte auf seinem Schlitten
thatsächlich den Gipfel und war am 23. abends wieder in
Chamonix. Er legt einen ausserordentlichen Werth auf den
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