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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.22 (1896)
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Nr. 21.

Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.

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eintreten, indem bei unausgesetzter und angestrengter Be¬
wegung dieser Art der Leib eingezogen bleibt und das Zwerch¬
fell nicht herabtreten, also die Lunge sich nicht entsprechend
ausdehnen kann. Die Rückkehr der Lungen in den zusammen¬
gezogenen Zustand bei der Athmung vollzieht sich in der Regel
oline Zuhilfenahme von Muskelkraft, sie erfolgt durch eigene
Spannkraft, Avird also rascher und weitergehend, je geringer
der dagegen wirkende Luftdruck ist. Alles in Allem wird
demnach einerseits die geleerte Lunge kleiner als bei ge¬
wöhnlichem Luftdrucke und andererseits die Füllung der Lunge
mit Luft geringer: es tritt eine Verengung der Lungenstellung
ein und damit eine Störung des Blutkreislaufes, das heisst hier
eine Stauung des Blutes in den Venen. Das in den Venen
in grösseren Mengen angesammelte Blut bleibt dem Kreislaufe
und damit dem Gaswechsel entzogen, so dass schon in der
Ruhe die Glieder weniger Sauerstoff empfangen; das Bediirf-
niss nach Sauerstoff ist aber bei Bewegung gesteigert, infolge
dessen steigern sich auch die Beschwerden. Die engere Lungen¬
stellung vermindert dann den sogenannten negativen Druck im
Pleuraraum und setzt dadurch den Widerstand gegen den
Blutlauf im Arteriensystem herab. Aber auch die Füllung des
arteriellen Systems nimmt ab, entsprechend der grösseren
Füllung in den Venen^ die Folge davon ist die bei der Berg¬
krankheit als erste Erscheinung auftretende Beschleunigung
der Pulsfrequenz. Aus alledem ersehen wir auch, warum man
sich an den Aufenthalt in grossen Höhen gewöhnen kann: es
tritt eben eine Aenderung in der Athemführung ein, man ge¬
wöhnt sich langsam und tief zu athmen, wobei der raschere
Verlauf der Ausathmung als Zeitgewinn nutzbar wird. Auch
wird man möglichst langsam steigen, damit das in grösserer
Menge in die Venen übertretende Blut Zeit habe, durch die
Lunge befördert zu werden, so dass es sich nicht anhäuft. Von
der verschiedenen Spannkraft der Lunge ist die verschiedene
Eignung zur Bergkrankheit abhängig. Eine hinreichende Be¬
weglichkeit des Brustkorbes ist von Nutzen; es werden daher
Leute mit sitzender Lebensweise, sowie fette Personen, bei
denen der Brustkorb weniger zu arbeiten gewohnt ist, leichter
von der Bergkrankheit befallen. Ebenso wirkt jedes zu festsitzende
Kleidungsstück, vor allem jedes Corset, schädlich. Dass das Berg¬
steigen für Herzleidende und Emphysematiker schädlich ist, folgt
aus dem Gesagten. Aber auch dem Gesunden wird es einleuchtend,
dass das laute Sprechen und Schreien während des Gehens, nach¬
dem ja dadurch viel Luft verbraucht wird, zu vermeiden ist. Zum
Schlüsse dieses kurzen Auszuges aus dem in jeder Richtung
erschöpfenden Artikel mögen noch folgende Verhaltungsmaass-
regeln angegeben werden. Wenn man, an einem hochgelegenen
Orte angekommen, in der ersten Zeit an der Bergkrankheit
leidet, ist es am besten, dass man in einem massig erwärmten
Zimmer einige Tage in Ruhe bleibt. Wenn die Krankheit
quälend auftritt, hilft man sich z. B. in Cerro de Pasco damit,
dass man in ein etwa drei Meilen abwärts gelegenes Dorf
hinabsteigt und dort einige Tage verweilt. Kehrt man dann
zurück, so treten die Beschwerden nicht mehr oder jedenfalls
nicht mehr • in der vorigen Stärke auf. Aehnlich hätte man
dann auch in den Alpen vorzugehen. Das Gefühl der Uebel-
keit wird immer gemildert oder schwindet, sobald man die
ausgestreckte Lage annimmt. Gegen die Erregung der Circulation
braucht man in den Anden Limonaden, leichte Abführungen
mit Cremor-Tartari und Pulpa Tamarindarum. Maulthieren und
Pferden reibt man in den Anden (nach Tschudi) Knoblauch und
die zerstossene Frucht von Capsicum in die Nase, in dem
Glauben, dass ihr Zustand dadurch erleichtert werde. Das
hauptsächlichste Mittel ist aber, den Thieren, bei denen nicht
selten Darmblutungen auftreten, Blut zu lassen. .Dies geschieht
entweder unter der Zunge, oder indem man ihnen die Schwanz-
spitze oder ein Stück von den Ohren abschneidet, oder einen
Schnitt in den Gaumen macht, oder endlich, was Tschudi
für das Beste hält, die Nasenlöcher aufschlitzt. Auch Begiessen
mit kaltem Wasser wird angewendet. hst.

Alkohol und Bergsteigen. Wir werden um Veröffentlichung
der nachfolgenden „Antrage" ersucht: „Für den Bergsteiger ist
die Kenntniss zahlreicher hygienischer Thatsachen von Wichtig¬
keit. In vielen Punkten haben sich die Anschauungen geändert.
Während man noch vor wenigen Jahrzehnten das Trinken von
kaltem Wasser während eines angestrengten Marsches für höchst
gefährlich hielt, so dass z. B. jede marschierende Truppe durch
das strenge Verbot des Wassertrinkens gequält wurde, weiss

man jetzt, dass im Gegentheil der ausreichende Ersatz der
verbrauchten Flüssigkeit während eines langdauernden Marsches
die Gefahr des Hitzschlages verringert. Andere Fragen sind
noch unentschieden, so z. B. die über den Nutzen oder Schaden
des Alkoholgenusses während des Bergsteigens. Früher war man
allgemein der Ansicht, dass der massige Genuss von Wein von
günstigem Einflüsse beim Ertragen bedeutender körperlicher
Anstrengungen sei. Diese Anschauung hat aber in neuerer Zeit
viel Widerspruch erfahren. Physiologische Untersuchungen
führen zu der Erkenntniss, dass massiger Alkoholgenuss die
Leistungsfähigkeit der Muskeln zunächst steigert, dass diese
Steigerung aber gering und von kurzer Dauer ist und bald
einer erheblichen Herabsetzung der Leistungsfähigkeit weicht.
Für den Bergsteiger würde sich aus dieser Beobachtung die
Lehre ergeben, dass es bei leichten Touren gleichgiltig ist, ob
massig Alkohol genossen wird oder nicht, dass aber für alle
grossen Leistungen, welche die Kräfte des Bergsteigers dauernd
in erheblichem Maasse anspannen, die vollständige Enthaltsam¬
keit von allen geistigen Getränken während der Wanderung
das einzig Richtige wäre. Es hätte nun "grosses Interesse sowohl
für die medicinische Wissenschaft, als auch besonders für die
Bergsteiger selbst, wenn durch eine grosse Zahl von praktischen
Untersuchungen festgestellt würde, ob der im physiologischen
Laboratorium gefundene Satz sich auch auf Felsen und Gletscher¬
eis bestätigt. Diese Untersuchungen brauchen nicht erst an¬
gestellt zu werden, sondern sie werden alljährlich von den Mit¬
gliedern unseres Vereins hundertfach vorgenommen. Es kommt
nur darauf an, die von den Einzelnen gesammelten Erfahrungen
zusammenzutragen, so dass allgemein giltige Schlüsse aus ihnen
gezogen werden können. Zu diesem Zwecke werden Alle, die
sich für die wichtige Frage der alpinistischen Hygiene inter¬
essieren, gebeten, an den Unterzeichneten eine Mittheilung dar¬
über gelangen zu lassen, ob sie bei lange dauernden, anstren¬
genden Bergbesteigungen den massigen Genuss alkoholhaltiger
Getränke während der Wanderung nach ihren eigenen Er¬
fahrungen für nützlich, für schädlich oder für gleichgiltig
halten. Vier Wochen nach dem Erscheinen dieser Anregung
wird der Unterzeichnete die an ihn gelangten Mittheilungen
sichten und das Ergebniss aus ihnen ziehen. Falls die Aeusse-
rungen zahlreich genug sind und sich in ihrer Mehrheit nach
irgend einer Seite hin klar entscheiden, soll an dieser Stelle
über sie berichtet werden. Möge es auf diesem Wege ver¬
einten Kräften gelingen, den jüngeren Bergsteigern einen zuver¬
lässigen Rathschlag in einer bisher unsicheren Angelegenheit
zu geben." Dr. med. Otto Snell, Hildesheim.

Das Telephon bei der Wetterbeobachtung. In der Wetter¬
warte auf dem Gipfel des Sonnblicks hat Dr. W. Trabert
nach Anweisung des Prof. Pernter das Verhalten des Tele¬
phons beobachtet, das die Eigenschaft besitzt, ein nach den
verschiedenen Witterungszuständen verschieden starkes Knattern
und Summen hören zu lassen. Es war bereits bekannt, dass
an diesem Geräusch häufig das Herannahen eines Gewitter¬
sturmes zu erkennen ist. Dr. Trabert äussert sich hier¬
über in dem Jahresbericht der Sonnblick-Gesellschaft folgen-
dermaassen: Während des Winters nimmt das Geräusch von
7 U. morgens bis Mittag ab und wächst dann wieder bis 9 U.
abends, im Sommer ist es um 7 U. morgens am schwächsten
und wächst anhaltend bis 9 U. abends. Es fragt sich nun, wo¬
mit diese tägliche Periode in Zusammenhang gebracht oder
erklärt werden könnte. Die einzige meteorologische Erschei¬
nung, die einen ganz ähnlichen täglichen und jährlichen Ver¬
lauf nimmt wie das beschriebene Telephongeräusch, ist der
Gang der Bewölkung. Daraus glaubt Trabert schliessen zu
dürfen, dass das Geräusch im Telephon in erster Linie eine
Folge der Elektricität der Wolken ist, wenngleich eine Be¬
einflussung durch elektrische Erdströme nicht abzustreiten ist.

Allerlei.

Ein Bär im Karwendel. Durch mehrere Blätter gieng im
Laufe des Sommers wiederholt die stets angezvvei -lte Nachricht
von dem Vorkommen eines Bären im Karwendelgebirge, und
zwar in der Gegend vom Stanserjoch und der Hinterriss. Wir
nahmen bisher keine Notiz davon, weil wir die Nachricht für
erfunden hielten. Nun berichteten verschiedene Tagblätter,
dass es zwei Jägern (Kern und Brunner) thatsächlich ge¬
lungen sei, den Bären aufzustöbern und — auf dem Tristen-
kopfe — auch anzuschiessen; leider war es nur ein Weich-