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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.23 (1897)
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Nr. 7.

Mittlieilungen des Deutschen und Oesterreicliischen AJpenvereins.

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Wien) der 17jährige Schriftsetzerlehrling Josef Stark aus Wien.
Derselbe hatte mit seinem Freunde Gustav Schö'nauer einen
Ausflug in die Felsen der Klausen unternommen. Er hatte
sich vorgenommen, sich von einem hohen, überhängenden
Felsen unter dem Schwarzen Thurm" abzuseilen und zu
diesem Behufe eine sehr lange Wäscheleine mitgebracht. Ob¬
wohl ibm sein Freund von dem waghalsigen Unternehmen ab-
rieth, befestigte er an einem Felszacken die Leine und Hess
sich daran hinunter; aber schon bei dem ersten Versuche, sich
über den Ueberhang frei abzuseilen, verliessen Stark die
Kräfte, er begann an dem Seile abzugleiten und stürzte 20 bis
25 m. tief an der steilen Felswand hinab. Unten fiel er auf die
steile Böschung, kollerte einige Meter weit hinab und blieb
endlich bei dem Stamme eines Föhrenbaumes liegen. Der
Schwerverletzte hat einen Beinbruch, mehrere klaffende Schädel¬
wunden und bedenkliche innere Verletzungen erlitten, so dass
zur Zeit an seinem Aufkommen gezweifelt wird. — Man kann
dem armen jungen Mann das Mitgefühl für sein schweres Un¬
glück nicht, versagen, andererseits aber ist es die Pflicht der
alpinen Fachpresse, bei jedem Unglücksfall, der mit dem Alpi¬
nismus zusammenhängt, zu untersuchen, ob ein Zusammenspiel
verhängnissvoller Umstände oder Zufälle oder ein eigenes Ver¬
schulden die Ursache war, weil nur durch immer erneuten
Hinweis auf eventuelle Unterlassungssünden deren Vermeidung
möglichst zur Regel gemacht werden kann. Der vorliegende
Unfall ist nun zwar kein alpiner Unglücksfall in dem Sinne,
wie diese auf das Conto des eigentlichen Bergsteigens gesetzt
werden müssen, allein er ist ein Unfall, der sich in der Vor¬
schulung für das Bergsteigen ereignete, und er besitzt daher
doch einen Zusammenhang mit dem Alpinismus; es ist daher
auch unsere Pflicht, diesen Fall hier zu besprechen. — Aus
der Möglichkeit eines Unfalles in der sogenannten „Kletter¬
schule'' etwa folgern zu wollen, dass das Uebungsklettern in
den dazu geeigneten Felspartien überhaupt zu verwerfen sei,
wäre vollständig verfehlt. Im Gegentheile, diese Vorübung für
das Bergsteigen im Hocbgebirge ist ganz ausserordentlich werth-
voll, und mancher junge Bergsteiger hat in Erinnerung an das
mehrmalige Bewältigen irgend einer charakteristischen Kletter¬
stelle in der „Kletterschule" eine ernste Schwierigkeit im
Hochgebirge, die ihm sonst hätte verhängnissvoll werden
können, glatt bezwungen; von der Muskelstählung und Aneig¬
nung der nöthigen Gewandtheit, die sonst nur jahrelanges
Reisen in den Alpen verschafft hätte, ganz zu schweigen. Da
aber auch die „Kletterschulen" die Möglichkeit ernster Ge¬
fahren bieten, so müssen auch in diesen, wie im Hochgebirge,
alle Vorsichtsmaassregeln zur Hintanhaltung von Unfällen auf
das Ernsteste beachtet und eingehalten werden. Legt man sich
nun die Frage vor, ob Stark dies gethan, so muss man mit
Nein antworten. Abgesehen davon, dass man sich im Hoch¬
gebirge wohl nur in ganz ungewöhnlichen und alleräussersten
Fällen auf eine so riesige Höhe wie 2025 m. frei abseilen
wird, so dass also durchaus keine Nöthigung dazu vorhanden
ist, derlei Wagestücke in einer „Kletterschule" zu versuchen,
muss man sich zunächst auch über die Technik des Abseilens
überhaupt und wohl auch über die eigenen Kraft« wenigstens
einigermaassen unterrichtet haben, bevor man an derlei Ver¬
suche geht. Beides hat Stark — wir waren zufällig Augen¬
zeugen des Unglücksfalles — ganz vermissen lassen. Bei nur
einiger Erfahrung hätte Stark wissen müssen, dass es bei

einem Seile von weniger als Kleinfingerdicke auch dem stärk¬
sten Manne unmöglich ist, sich auf eine grosse Höhe ganz frei,
also nur durch den Gebrauch der Hände, abzuseilen, und er
hätte müssen, bevor er den letzten festen Tritt und Griff los-
liess, um sich in den Ueberhang hinauszuschwingen, entweder
das Seil spiralförmig um das eine Bein und womöglich noch
einen Arm winden, um so durch Vermehrung der Reibung
dem Uebelstande der allzu geringen Stärke des Seiles ent¬
gegenzuwirken , oder auch das hinabhängende Seil um den
Oberschenkel des einen emporgezogenen Beines schlingen und
es oben wieder durch beide Hände gehen lassen sollen, so
dass diese die doppelte Seildicke zu halten gehabt hätten und
ausserdem das um den dicken Oberschenkel gleitende Seil eine
erhebliche Reibung erzeugt haben würde. Der einfache tur¬
nerische Kletterschluss würde in diesem Falle wohl kaum aus¬
gereicht haben, denn das Seil war viel zu dünn, und das war
eben auch ein Grundfehler: mit einer so dünnen Leine ver¬
sucht man überhaupt das Abseilen über Ueberhänge nicht, am
allerwenigsten aber auf eine so bedeutende Höhe. Ausserdem
hat Stark gegen die goldene Regel gesündigt, welche sagt:
„Bescheidener Beginn, sicherer Gewinn." Würde er das Ab¬
seilen zunächst auf eine ganz geringe Höhe versucht haben, so
hätte er die Unmöglichkeit, sich an einem so dünnen Seile
auf eine so grosse Höhe mit den Händen allein erhalten zu
können, schon früher erkannt, d. h. er wäre mit dem Maasse
seiner Kräfte vertraut gewesen und hätte das tolle Wagniss
unterlassen. Der arme junge Mann hat für seinen Vorwitz
schwer gebüsst — mögen wenigstens Andere aus seinem Un¬
glücke die nöthigen Lehren ziehen. ' H. H.

Bei Meran stürzte Mitte März ein junger Mann beim
Blumenpflücken ab und blieb todt; am 2. April stürzte beim
sogenannten „Fürstenstein" der Kutscherssohn Renner ab und
wurde in schwerverletztem Zustande aufgefunden. In der Krane-
bitterklamm bei Innsbruck verunglückte, gleichfalls beim Blumen¬
pflücken, der 24jährige M. Herpfau. Derselbe blieb todt. Alle
drei Fälle haben mit dem Alpinismus nichts zu thun.

Allerlei.

Als Excursionsgebiet des Schweizer Alpen-Club für die

nächsten zwei Jahre wird das Central-Comite auf der heurigen
Delegiertenversammlung das Unter-Engadin in Vorschlag bringen.
Im Falle der Annahme soll für 1898 eine Excursionskarte
herausgegeben werden, welche die vier Blätter: Gross-Litzner,
Samnaun, Ardez und Tarasp des Siegfriedatlas timfassen wird.

Ueber ein neues Abzeichen für den Schweizer Alpen-Club
hat dessen Central-Comite' Erhebungen gepflogen. Man ist zu
dem Schlüsse gekommen, das bekannte Bändchen als Abzeichen
beizubehalten, nebenbei aber für Liebhaber einen Metallknopf
herstellen zu lassen, der aus oxydierter Bronze besteht und
ausser der Inschrift „Schweizer Alpen-Club" auch das in roth-
weisser Emaille ausgeführte Wappen tragen soll.

Nothsignal. Auch das Central-Comite des Schweizer Alpen-
Club hat sich mit der Frage von Nothsignalen im Hochgebirge
befasst, ist jedoch zu dem Ergebnisse gekommen, dass sowohl
optische, wie auch akustische Signale den angestrebten Zweck
nur in seltenen Fällen erreichen lassen, nämlich nur dann,
wenn eine Bergfahrt in ihrem ganzen Verlaufe von einem be¬
wohnten Orte aus übersehen werden, oder wenn mar von einer
Hütte in ein bewohntes Thal blicken kann.

Vereins-Angelegenheiten.

Kaiser Franz Josef-Jubiläumsfond. Für diesen Fond haben
bis zum 8. April nachstehende Sectionen bereits Baareinzahlungen
an den Central-Ausschuss abgeführt:

Bamberg

. . M.

600.—

Hildesheim . .

M. 130.—

Coburg . .

n

200.—

Konstanz . . .

„ 400.—

Crefeld . .


100.—

Leipzig . . . .

„ 2000.—

Fürth . .

• . „

100.—

Schwarzer Grat .

„ 140.—

Fulda . .


37.—

Traunstein

71.50

Hamburg .


1000.—



Sectionsberichte.

Austria. Anlässlich der Berufung des Herrn Carl Ritter
v. Adamek, bisherigen Vorstandes der S. Austria, nach Salz¬

burg als Landesgerichtspräsident hat die S. Austria, wie be
reits gemeldet, denselben zum Ehrenmitgliede ernannt. Zum
Andenken an die langjährige verdienstvolle Wirksamkeit des
Herrn v. Adamek in der Section wurde ihm von seinen zahl¬
reichen Verehrern ein künstlerisch ausgeführter Tafelaufsatz
von Silber als Ehrengeschenk gewidmet. Die feierliche Ueber-
reichung desselben fand auf dem von Mitgliedern der akade¬
mischen S. Wien und der S. Austria am 6. März d. J. veran¬
stalteten „alpinen Hausball" statt. Herr Hofrath v. Gutten-
berg begrüsste mit schwungvollen Worten den Gefeierten und
überreichte ihm die Ehrengabe als Zeichen der Anhänglichkeit
zahlreicher Freunde und der Dankbarkeit beider Sectionen.
Herr Präsident v. Adamek dankte tiefgerührt für die Ovation
und brachte beiden Sectionen ein begeistert aufgenommenes Hoch,