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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.24 (1898)
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Nr. 14.

Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereiüs.

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Hemd an, so stellt sich im ersten Augenblicke jedesmal ein
leichtes, kurz dauerndes Frostgefühl ein. Ja, empfindsame, blut¬
leere oder nervöse Personen können sich beim Wäschewechsel
bekanntlich eine heftige Erkältung zuziehen. Diese abkühlende
Wirkung des Pflanzenfaserhemdes wird aber noch merklich ge¬
steigert, wenn dasselbe durch Schwitzen feucht geworden oder
sonst durchnässt ist und am Leibe trocknet. Ein feuchtes Hemd
wirkt an und für sich schon als ausgezeichneter Wärmeleiter;
wenn es nun auch am Leibe trocknet, kann man sich nach
dem früher Gesagten eine Vorstellung von dem ganz bedeuten¬
den Wärmeverluste machen, welchen der Körper in einem sol¬

chen Falle in kurzer Zeit zu ertragen hat. Daher gilt das
Tragen eines durch Schwitzen oder sonstige Durchnässung feucht
gewordenen Leinenhemdes von jeher für höchst gesundheits¬
gefährlich. Alle Umstände, die der Begriff der Erkältung in
sich einschliesst: rascher, vermehrter Wärmeabfluss von der
Haut, Verminderung der Hautdurchblutung, Unterdrückung der
Hautausdünstung und Anhäufung des Blutes in den inneren
Organen, alle diese Umstände wirken hier zusammen, um die
Hautthätigkeit in der ungünstigsten Weise zu stören und zu
beeinträchtigen.

(Schluss folgt.)

Heinrich Noe's letzte Schrift.

Von E. Richter in Graz.

Unsere S. Bozen hat es pietätvoll unternommen, ein von
Heinrich Noe hinterlassenes Büchlein herauszugeben, das er
selbst noch für den Druck vorgerichtet hatte, wenn auch die
letzte Feile noch fehlte. Es heisst Bozen und Umgebung", ist
durch ein Gedicht von Martin Greif und eine Vorrede von
Ludwig von Hörmann eingeleitet und mit zwei Bildern von
Defregger geschmückt. Es ist der letzte Gruss eines Autors,
der ein Menschenalter hindurch seiner Feder die Aufgabe ge¬
setzt hatte, die Natur der Alpenländer zu schildern, und der
diese Aufgabe als ein echter Künstler und gehaltvoller Denker
gelöst hat.

Der Schreiber dieser Zeilen durfte sich schon zum „Leser¬
publicuni" rechnen, als 1865 die erste Schrift von Heinrich
Noe', das „Bayrische Seebuch", erschien und bald darauf (1867)
das „Oesterreichische Seebuch . Er erinnert sich noch sehr
lebhaft daran, welchen starken Eindruck beide Bücher damajs
nicht blos auf ihn selbst, sondern auf die ganze jüngere
Generation gemacht haben. Diese Art war damals neu, modern,
actuell. Wenn ich recht verstehe, lag auch damals das Neue
einerseits in vertiefter Naturbeobachtung, also in einer Steigerung
des Realismus der Naturschilderung, anderseits in der Zusam¬
menfassung der Einzeleindrücke zu neuen, kraftvollen Bildern,
Symbolen, Parallelen. Schon damals wurde in Kreisen Ein¬
geweihter erzählt, das Geheimniss von NoS's Kunst beruhe
darin, dass er immer mit dem Stifte und Notizbuch wandere
und jede Einzelheit notiere; so konnte er jede Situation mit
lebendigen Farben und Zügen malen, die kein verallgemeinerndes
Gedächtniss aufbewahren kann. Auch noch in seiner letzten
Schrift zeigt sich die Kraft dieser systematisch angewendeten
Naturbeobachtung; nicht aus allgemeinen Redensarten und
Bildern, sondern aus Einzelzügen sind die Schilderungen zu¬
sammengesetzt. Alles ist concret, nichts abstract und allgemein.
Ein bestimmter Gehör- oder Gesichtseindruck, ein Duft oder ein
Geräusch muss die Situation charakterisieren. Noe' berührt
sich da innig mit Ludwig Steub, der einmal als wichtigstes
Handwerksgebeimniss seines Stiles die Regel verrieth, niemals
einen allgemeinen, abstracten vielgebrauchten Ausdruck zu ver¬
wenden, sondern immer die nächstliegenden concreten Wendun¬
gen. Aber noch etwas Anderes war neu an Noe's Schilderungen.
Er führte die Alpen auch im Lichte anderer Jahreszeiten vor
als in dem der -Reisezeit". Man musste sich damals erst be¬

sinnen , dass diese Gegenden ja auch dann existierten, wenn
keine Fremden dort waren. Das Gebiet der Naturschilderung
war damit ungemein erweitert, eine Fluth neuer Vorstellungen
und Bilder wurde in das Bewusstsein der Naturfreunde ein¬
geführt. Einzelne solcher Schilderungen Noe's, „Winterbilder
aus den Alpen", „Hochsommer" oder „Bora auf dem Karst"
gehören zu den dauerndsten Werthen unserer Literatur. Sie sind
eine wirkliche Bereicherung der Länderkunde. Denn Aussehen,
Stimmung, Farbe der Länder, der Ton, den sie ausströmen, ge¬
hört er nicht zur Wissenschaft? Ich möchte es deren höchste
Blüthe, die süsseste Frucht wissenschaftlicher Bemühung nennen,
wenn es gelingt, ihn in sich und dem Leser wieder ertönen zu
machen, wie für den Historiker das Lebendwerden der verklun-
genen Tage das ideale Ziel seiner Mühe ist.

Noe war ohne Zweifel einer der ersten Länderschilderer
unserer Literatur. Ein Freund, der das hier besprochene Büch¬
lein in jener vornehmen Zeitung besprach, die durch L. Steub,
Gregorovius, F. v. Löher und viele andere, treffliche Schil¬
derer das eigentliche Organ für Länderbeschreibung in Deutsch¬
land gewesen ist, klagt, dass Noö's Schriften zu wenig gekannt
und gekauft worden seien. Vielleicht war ein Grund mit der, weil
ihrer mit der Zeit zu viele wurden. No8 lebte von der Feder.
Jetzt, wo der Autor dahingegangen, wird sich die Auslese zwischen
dem Dauernden und dem, was der Tag für den Tag erzeugt
hat, leicht vollziehen.

Für die Gemeinde der Alpenfreunde wird aber No8 wie
Steub immer als ein Classiker gelten können. Diese Gemeinde
breitet sich gegenwärtig in Nord- und Mitteldeutschland ge¬
waltig aus; in Gegenden und Schichten, wo man vor 10, 20
und mehr Jahren von den Alpen nicht mehr als den Namen
gekannt hat. Diese neuen alpinen Kreise, diese jüngst zu¬
gewachsenen Adepten mögen darauf hingewiesen sein, wie hoch-
werthige Schätze an Naturschilderungen wir aus einer eben
abgelaufenen Literaturperiode besitzen, und welchen Rang
H. N o 6 darin einnimmt. Aber auch der alterfahrene Alpenfreund
und Alpenkenner wird sich an dem bewunderungswürdigen
Beobachtungstalent, der wahrhaft poetischen Kraft, mit der die
Situationen empfunden und durchgeistigt sind, aufrichtig er¬
freuen, und jedermann wird ausserdem lernen können, wie sehr
der eigene Naturgenuss durch die Sorgfalt und Vertiefung der
Beobachtung sich steigert.

Verschiedenes.

Weg- und Hüttenbauten.

Eröffnung der Vajoletthütte und der erweiterten Grasleiten¬
hütte der 8. Leipzig. Die Einweihung der von der S. Leipzig
neuerbauten Vajoletthütte soll Sonnabend den 20. August, 2 U.
nachmittags, die Einweihung des Anbaues an die Grasleiten¬
hütte aber Sonntag den 21. August, 2 U. nachmittags, vor¬
genommen werden. Gäste sind der S. Leipzig sowohl zur Er¬
öffnung wie auch zu dem sich jeder Feier anschliessenden Fest¬
schoppen herzlich willkommen; ebenso zu der Sonntag den
21. August, 6 U. 30 abends, im Weisslahnbade stattfindenden
Nachfeier und Festtafel (trockenes Couvert 2 Kronen 40 Heller).
Bemerkt sei noch, dass die Grasleitenhütte jetzt schon Betten
für 18 Personen und Matratzenlager für 20 Personen bietet.

Franz Schlüterllütte. Die von Herrn Commerzienrath Schlü¬
ter gestiftete „Franz Schlüterhütte" der S. Dresden, am Kreuz¬

kofeljoch im Villnössthale gelegen, wird am 6. August d. J. er¬
öffnet werden. Sie ist von der Haltstellö Villnöss der Brenner¬
bahn in 6 St. zu erreichen, dient als Ausgangspunkt für die
Besteigung des aussichtsreichen Peitlerkofels (2877 m.) und ver¬
mittelt verschiedene Uebergänge nach dem Lüsen-, Enneberger-
und Grödenerthale. Die Hütte bietet Nachtlager für 30 Personen
(10 Betten), die Bewirthschaftung ist einer sehr erfahrenen und
die beste Gewähr bietenden Kraft übertragen, nämlich der
bei zahlreichen Besuchern des Hotels Eil er in Sulden in
bester Erinnerung stehenden, gewesenen Wirthschafterin Anna
Rauth, welche sich in Sulden durch ihre grosse Dienst¬
fertigkeit und Aufmerksamkeit die Zufriedenheit aller Gäste
erwarb.

Tepfitzer-Schutzhaus (2642 m.). Die Eröffnung dieses neu¬
erbauten Schutzhauses, welches 13 vollständig eingerichtete
Zimmer enthält, findet am 18. August statt.