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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.24 (1898)
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Nr. 19.

Mittheilungen des Deutschen und öesterreichischen Alpenvereins.

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die ja durch den starken Zug nach oben und unten zweifellos
bestand, auch ohne, dass die Scilsehlinge sich zusammenzog.
Alis der gerichtsärztlichen Praxis wissen wir, dass die Behin¬
derung der Excursionen des Brustkorbes zu Herztod führen kann.
Zu alledem hatte Prof. Nasse früher eine schwere Brustfell-
und Nierenentzündung durchgemacht, also Erkrankungen, welche
nicht selten den Herzmuskel schädigen. Möglich aber ist, dass
auch eine innere Verletzung stattgefunden hat, ja sie ist viel¬
leicht, ebenso wahrscheinlich wie die Herzparalyse. Nasse trug
das Seil auf dem unteren Theile des Brustkorbes, die Schlinge
lag auf der Leber und Milz. Es ist sehr leicht denkbar, dass
vor Allem durch den zweiten Sturz des vielleicht 90 kg. schweren
S chnitzler eine Zerreissung der genannten Organe stattgefunden
hat. — Unsere beiden Führer, Schnitzler und Klimmer,
verdienen vollste Anerkennung. Sie haben geleistet, was irgend

in ihren Kräften stand. Ihrer Tüchtigkeit ist es im Wesentlichen
zu danken, dass wir bei der Katastrophe nicht alle Vier zu
Grnnde gegangen sind.

So hat die Alpenwelt mit ihrem unwiderstehlichen Zauber
wieder ein blühendes Menschenleben vorzeitig in das Grab ge-
stossen. Prof. Nasse's Tod hat schmerzliche Trauer hervor¬
gerufen bei Verwandten und Freunden, bei Allen, die ihn kannten.
Es trauert um ihn eine Schaar von Kranken, denen er sich
so oft als Lebensretter gezeigt. Er gehörte zu den seltenen
Menschen, von denen man sagen kann, sie hatten keinen
Feind! Sein Schicksal ist um so tragischer, weil er, zu den
edelsten und wahrsten Naturfreunden gehörend, gerade in den
Bergen seinen Tod gefunden, in denen er Erholung und Stär¬
kung des Körpers und Geistes für seinen schweren Beruf ge¬
sucht. Ehre seinem Andenken!

Ueber eine neue Methode kartographischer Darstellung.

Von Dr. Friedrieh Benesch in Wien.

Einer Einladung Folge leistend, begab ich mich vor geraumer
Zeit zu Herrn J. Pauliny, emerit. Vorstand des k. u. k. mili-
tär-geographischen Institutes in Wien, um die Revision seiner neuen
Karte des Schneeberg-Raxgebietes vorzunehmen. Schon früher
waren mir Andeutungen über eine kartographische Erfindung
des genannten Herrn zu Ohren gekommen; jedoch in der Mei¬
nung, es handle sich hiebei wie gewöhnlich blos um eine zeich¬
nerische Verbesserung der bisherigen Methoden, konnte ich mich
zu einem zeitraubenden Besuche nicht recht entschliessen. Zu¬
dem sollte auch die Neuheit in einer eigenartigen Reliefmanier
bestehen, ein Umstand, welcher genügte, mir als entschiedenem
Gegner dieser unwissenschaftlichen Darstellungsweise ein un¬
günstiges Vorurtheil einzuflössen. Die Aufforderung zum Be¬
suche aber legte mir nunmehr einen moralischen Zwang auf,
schon im Interesse der Touristik etwaige Irrthümer der Karte
nach Möglichkeit hintanzuhalten. Was ich dabei zu sehen Ge¬
legenheit hatte, erscheint mir aber so überaus wichtig, dass ich
nicht umhin kann, an dieser Stelle über die interessante Me¬
thode Einiges zu berichten.

Zuerst legte mir Herr Pauliny eine einfache Schichten¬
karte vor, an der mir nichts auffiel, als dass die zart gezeich¬
neten Isohypsen besonders dicht aufeinanderfolgten. Ein Relief
war hier zwar schon zu erkennen, aber offenbar blos durch die
zahlreichen Schichtenlinien gebildet, trat es nicht stärker hervor
als auf einer blass schraffierten gewöhnlichen Karte mit Vertical-
beleuchtung. In der Meinung, das wäre schon die bewusste
Methode, wagte ich es nicht, meiner Enttäuschung darüber
Ausdruck zu geben, sondern wollte erst das Weitere abwarten.
Wie ich später erfuhr, war das der erste Urzustand der Karte
gewesen. So wird die Karte gezeichnet, um dann in blassem,
für die photographische Platte indifferentem Blau reproduciert
zu werden. Danach kann die Trennung in die verschiedenen
Farben vor sich gehen, indem für jeden Farbton die ent¬
sprechenden Linien der Zeichnung in Schwarz ausgezogen und
dann photographisch auf je eine Druckplatte übertragen werden.

Nun gieng Herr Pauliny zum zweiten Blatt über. Zu¬
vor aber legte er mir ein Exemplar der Specialkarte (Original¬
aufnahme) 1 : 25.000 vor, welches eine Karstgegend darstellen
sollte. Man sah darauf ein unentwirrbares Durcheinander von
Gruben, Trichtern und Dolinen, in welchem sich auch der ge¬
übteste Kartenleser kaum zurechtfinden konnte. Daneben breitete
Herr Pauliny jetzt die entsprechende, in seiner Methode ge¬
zeichnete Karte aus. Das war nun wirklich etwas ganz Neues.
Silbergraues Papier mit weissen und schwarzen Linien und eine
Plastik der Formen, dass man sich fast versucht fühlte, mit den
Fingern daraufzutasten, ob das Relief nicht theilweise in das
Papier getrieben wäre. Die erstaunliche Wirkung einer Kohle-
Kreidezeichnung war hier zum ersten Male in der Kartographie
angewendet, und zwar auf höchst sinnreiche Weise. Zur Er¬
zielung einer so greifbaren Plastik musste die Beleuchtung
naturgemäss von der Seite erfolgen. Der Erfinder bemühte
sich nun, diese Art der Schattierung der Willkür des Zeich¬
ners zu entziehen und dafür unverrückbare Regeln aufzustellen.
Hiezu nahm er wie Lehmann die steilste Böschung mit
45° an, denn die wenigen Ausnahmen können das Relief
kaum merklich stören. Weiters Hess er das Licht von Westen

unter 45° Neigung auf die Kartenfläche fallen, so dass die steil¬
sten (45°) Hänge an der Westseite senkrecht, mithin am grell¬
sten beleuchtet, die abschüssigsten der Ostseite vom Licht blos
tangiert werden, also am dunkelsten bleiben. Den Zwischen¬
stufen der Böschung entsprechen dann Zwischengrade der Be¬
leuchtung, und das Mittel wird bei 0°, bei der Horizontalebene,
erreicht sein. Dieses Mittel ist seinem Tone nach durch die
silbergraue Farbe des Papiers bestimmt, welche sich nach den
beiden Extremen hin allmälig in Weiss, beziehungsweise Schwarz
abstuft. Wäre nun das Papier in diesem Sinne blos bemalt,
dann hätte die neue Karte vor den bisherigen Reliefkarten —
und deren haben wir schon mehr als genug — gar nichts voraus
als höchstens den äusseren Effect einer seltenen Plastik. Das
neue Relief ist aber ein mathematisches, weil es. sich nach einer
sorgfältig ausgerechneten, einfachen Scala vollkommen gesetz-
mässig entwickelt, und es ist auch zugleich ein wissenschaftliches,
indem sich der Helligkeitsgrad des Tones genau nach dem
Böschungswinkel richtet. Diese Aufgabe verrichten nun auf
höchst einfache und sinnreiche Weise blos die Isohypsen, jene
Linien, welche einzig und allein das Terrain auf mathematisch
richtige Weise wiedergeben. Sie werden hiezu an der Licht¬
seite, also an den gegen Westen geneigten Hängen weiss, an
der Schattenseite schwarz gezeichnet und an den Uebergangs-
flächen im Norden und Süden nach einer bereits ausgerechneten
Scala entsprechend punktiert. Je dichter nun die zahlreichen
Höhencurven nebeneinander zu stehen kommen, d. i. bei den
steilsten Böschungen. (45°), desto mehr werden sie an der Licht¬
seite mit ihrer weissen Farbe den grauen Ton des Papieres
aufhellen, an der Schattenseite durch das intensive Schwarz
verdunkeln. Die abschüssigsten Hänge müssen daher im ersteren
Falle (Westen) am hellsten, im letzteren (bei entsprechenden
Uebergängen im Norden und Süden) am dunkelsten erscheinen.
Minder steile Böschungen werden sich in ihrer Helligkeit von
beiden Extremen her dem die Horizontalebene darstellenden
Mitteltono desJPapieres allmälig nähern. Diese thatsächlich in
ganz überraschender Weise nur durch die Isohypsen erzielte
Wirkung stimmt nun auch vollkommen mit den obenerwähnten
Beleuchtungsprincipien überein, denn darnach müssen ja die
steilsten (45 °) Böschungen im Westen von dem senkrecht darauf¬
fallenden (45°) Lichte am hellsten beleuchtet werden, während
die Extreme der Osthänge dunkel bleiben, indem die Licht¬
strahlen parallel über sie hinweggehen. Der Grad der Böschung
kommt so dem Beschauer wie bei der Lehmann'schen Methode
ganz mechanisch zum Bewusstsein, nur dass hier eine Doppe
regel gilt: die Westhänge je steiler desto heller, die Osthänge
je steiler desto dunkler. Das Relief der neuen Methode ist
demnach ein ganz naturgemässes, was auch die überraschende
Plastik erklärt.

Die geniale Erfindung bringt uns nun ein streng wissen¬
schaftliches und praktisch verwerthbares Relief im Gegensatze
zu den bisherigen, blos — wenn man so sagen darf — künst¬
lerischen, welche keinen anderen praktischen Werth haben, als
dass sie den Formensinn und die Bequemlichkeit des Karten¬
lesers unterstützen, im Grunde genommen aber nur ein ganz
unrichtiges, der Phantasie des Zeichners entsprungenes Bild
der Landschaft geben. Freilich wird sich die neue Methode