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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.25 (1899)
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Mittheilungen des Deutschen und Oesterreicliischen Alpenvereins.

Nr. 2.

am 31. December in ihrer ganzen Ausdehnung dem Verkehre
übergeben.

Hotel-Missstände. In einem Hotel in S. Martino di Ca-
strozza wurde einem Mitgliede unseres Vereins trotz wieder¬
holten Verlangens, für die Mahlzeiten sofort bezahlen zu können,
nicht nur kein Speisentarif vorgelegt, sondern in die nach
mehreren Tagen vorgelegte Rechnung auch noch ein ziemlich
nennenswerther Betrag für „Service" aufgenommen. Der Gast
meldete sofort bei der zuständigen k. k. Bezirkshauptmannschaft
die entsprechende Beschwerde an und erhielt mit höchst lobens-
werther Raschheit den folgenden Bescheid: Auf Ihre Be¬
schwerde de dato S. Martino 7. August 1898 finde ich Ihnen
bekanntzugeben, dass der Hotelpächter ... in S. Martino
unter Strafandrohung aufgefordert wurde, sich in Hinkunft ge-
nauestens an die bestehenden Vorschriften über das Gast- und
Schankgewerbe, beziehungsweise über die Ersichtlichmachung
der Preise und Tarife (§ 52 Gewerbeordnung) zu halten. Gleich¬
zeitig wurde . . . aufgefordert, den für Couverts aufgerechneten
Betrag von ö. W. fl. 18.—, zu dessen Einhehung er nicht be¬
rechtigt war, zurückzubezahlen, was derselbe bereits gethan hat.
Dieser Betrag wird Ihnen hiemit übersandt. K. k. Bezirkshaupt-
mannschaft Primiero, am 12. August 1»98." — Es sind erfreu¬
licherweise nur Ausnahmsfälle, in denen die Behörde genöthigt
wird, die Herren Hotelbesitzer an ihre Pflichten zu erinnern;
sehr dankenswerth ist es, wenn die zuständige Amtsstelle so
rasch und energisch eingreift wie in dem oben angeführten
Falle. Im Interesse aller Mitbenützer der Alpenherbergen und
im Interesse der Vermeidung jeglicher Uebergriffe in denselben
ist es indess auch erwünscht, wenn die Gäste vorkommenden
Falles schonungslos Gebrauch von ihrem Rechte machen, so¬
fern dies durch die Umstände geboten erscheint. Nach der in
dem Bescheide angeführten Vorschrift der Gewerbeordnung
müssen in jeder öffentlichen Gastwirthschaft alle Preise deut¬
lich ersichtlich gemacht sein, sowohl jene der Zimmer und
Betten sammt allen Nebengebühren in jedem Zimmer, sowie
jene der Speisen und Getränke in den Speisesälen oder sonsti¬
gen Wirthschaftsräumen. Es liegt im Interesse der "Gäste selbst,
dass sie überall darauf achten, dass seitens der Hotel- und
Gasthofbesitzer diese Pflicht genau erfüllt wird.

Ausrüstung,

Ueber das Anseilen bei Bergfahrten. Wir erhalten folgende
Zuschrift: „Im Anschlüsse an den Aufsatz des Herrn Dr. C.
Wissemann-Gelsenkirchen in Nr. 21 vom 15. November 1898
der „Mittheilungen" erlaube ich mir hiemit auch meine An¬
sicht zu äussern. Schon oft bei Gletscherfahrten, und nament¬
lich wenn ich mit dem Führer allein gieng, habe ich mir Ge¬
danken darüber gemacht und auch meine Gedanken mit er¬
probten Führern darüber ausgetauscht, was ich wohl zu beginnen
hätte, wenn Einer von uns in eine Spalte einsinken würde. Es
war mir stets klar, dass wir mit dem am Leihe festgebun¬
denen Seile im günstigsten Falle wohl im Stande sein
würden, der Eine den Anderen, wenn er einbrechen sollte, eine
Zeitlang zu halten, dass es uns aber nie und nimmermehr
mögliuh werden würde, dass Einer den Anderen herauszöge,
wenn dieser wie bei dem bedauernswerthen Unglück am Piz Palü
gar freischwebend in einer Gletscherspalte am Seile hienge.
Sind aber selbst 3 bis 4 Personen am Seile festgebunden
und es fallen zwei davon in eine Gletscherspalte, so haben,
wie am Piz Palü, die zwei Obenbleibenden alle Mühe, die Schwe¬
benden festzuhalten; von einem Herausziehen kann auch da
keine Rede sein, es werden dann wahrscheinlich alle vier ver¬
loren sein, wenn nicht recht bald fremde Hilfe kommt. Nur
dadurch, dass im Falle am Piz Palü der selbstlose, wackere
Führer vom Seile losgekommen ist, sind ausser ihm wenigstens
zwei weitere Menschenleben gerettet worden. Wollen wir uns
doch einmal den Fall am Piz Palü vergegenwärtigen, wie es
gekommen wäre, wenn unglückseliger Weise der zu Unterst
hängende Führer am Seile verschieden wäre? Wir hätten dann
jedenfalls den Tod von vier wackeren Männern zu beklagen.

Der derzeitig gebräuchlichen Methode des „festgebundenen
Anseilens" kann ich nur den einen, ebenfalls sehr wichtigen
Zweck zusprechen: das Seil hält die sämmtlichen an einer Berg¬
fahrt Theilnehmenden beisammen, die einzelnen Mitglieder
können sich nicht verlaufen. Im Zustande der Gefahr wird aber
das Festgebundensein für alle Theilnehmer zum Verhängniss.
Verschaffen wir uns aber die Möglichkeit, dass der einzelne

Angeseilte sich im Augenblicke einer Gefahr selbst-
thätig abseilen kann, so ergiebt sich wohl der eine Nach¬
theil, dass sich ein selbstsüchtiger Feigling abseilen könnte
(ein Solcher kann aber auch das derzeitige Seil durchschneiden),
um davonzulaufen und seine Begleiter ihrem Schicksale zu
überlassen. Diese Möglichkeit ist aber nicht gross und wird
vielleicht unter hundert Malen nicht einmal vorkommen, wo¬
gegen die Möglichkeit, dass sich festgebundene Theilnehmer
nicht helfen können, wohl in der Mehrzahl der Fälle als Regel
ergeben wird. Dagegen bietet die Möglichkeit, sich rasch ohne
Hilfe eines Zweiten abseilen zu können, bedeutsame Vortheile.

Dem Gedanken, wie ihn Herr D. C. Wissemann aus¬
spricht, kann ich daher nur beipflichten; ich halte es ebenfalls
für ein unbedingtes Erforderniss, dass jeder Angeseilte im Zu¬
stande eines Unglückes in der Lage sein soll, sich abseilen zu
können, sowohl der am Seil in einer Spalte Hängende, als ein
oder mehrere von den den Gefallenen Festhaltenden. Der am
Seile Hängende, in Gefahr befindliche ist in seiner unlösbaren
Seilschlinge hilflos, kann er sich aber abseilen, so kann er
wohl unter Umständen am Seile emporklettern und sich und
den ihn Haltenden befreien. Umgekehrt kann, wenn der Hän¬
gende sich absolut nicht helfen können sollte, der oben Fest¬
stehende oder Liegende sich abseilen und zunächst das Seil
an dem Bergstock oder Eispickel befestigen; kurz sobald er
sich freimachen kann, kann er dann um so leichter dem in
eine Spalte Gestürzten helfen, sich zu befreien, oder er kann
vielleicht ganz nahe Hilfe holen.

Die von Herrn Dr. C. Wissemann vorgeschlagene An¬
wendung von Ringen, Carabinerhaften und Gürteln mag nun
ihre Schwierigkeiten im Beschaffen haben. Es lässt sich aber
durch einfachere Vorrichtungen doch dasselbe Ziel erreichen,
nämlich durch Beibehalten und Verwenden des heute gebräuch¬
lichen Seiles in folgender veränderter Methode: Die Anseilung
besteht aus einem Hauptseile (dem jetzigen Seile)

Hau pt^eil

und so vielen Nebenseilen, als Theilnehmer an einer
Bergfahrt angeseilt werden sollen.

Das Hauptseil hat in seiner Länge in angemessenen Zwi¬
schenräumen Schleifen, die aufgeknotet sind, Knoten, die sich
aber nicht zuziehen können. Durch diese am Hauptseile ge¬
bildeten Schleifen werden die Nebenseile durchgezogen. Diese
Nebenseile werden dann dem Anzuseilenden unter den Armen
einfach umgebunden und mit einem durch Anziehen eines
Endes leioht zu lösenden Knoten festgemacht.

Zur besseren Veranschaulichung ist hier eine Zeichnung
beigegeben. Das Hauptseil hat zwei baumelnde Enden, vier
Knotenschleifen und beispielsweise zwei Nebenseile (a und b)
mit verschiedenen Ziehknoten zum Anseilen von Führer und
Bergfahrer. Die am Hauptseile angeknoteten Schlingen (diese
„Nebenseile" können etwas schwächer und leichter als das Haupt¬
seil sein) können jederzeit in beliebiger Anzahl angebracht und
auch leicht* wieder gelöst werden; es würde sich ausserdem
empfehlen, bei zwei oder mehreren Theilnehmern etwa in
halber Armeslänge vor jedem Angeseilten noch einen derartig
unbenutzten Schlingknoten anzubringen, damit der Angeseilte
im Nothfalle das Hauptseil an dieser Art Handgriff fassen, es
an sich ziehen und so die Last von seinem Körper abwenden
kann; auch ist es ihm möglich, im Falle er auf dem Boden
zu liegen käme, durch diese Reserveschlinge (wenn er die
Schlinge am Hauptseile, an welcher er im Nebenseile hängt,
nicht erreichen kann) den Bergstock oder den Eispickel zu
stecken und so gewissermaassen vor sich das Hauptseil zu ver¬
ankern. In diesem Zustande kann der Angeseilte dann leicht
die Schlinge seines Nebenseiles lösen und sich so bequem zur
weiteren Hilfeleistung freimachen.

Die Enden des Hauptseiles, die beim ersten und beim
letzten Angeseilten in der Länge von der Brust des Angeseilten
bis zum Erdboden lose baumeln, können von einem in einer
Spalte Hängenden mit den Füssen erfasst, gleichsam als Kletter-