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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.25 (1899)
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20Ö

Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.

Nr. 17.

Touristische Mittheilungen.

Ennsthalcr Alpen.

Admonter Reichenstein (2247m.). LErst. aus der Wildscharte.
Am 22. Juli d. J. um 11 Ü. 45 nachts von Gstatterboden ab,
im Mondenschein durch den Kofergraben zur Koferalm. 23. Juli.
Rast 2U. 15 bis 3 U. Einstieg zur Wildschartenschlucht öU. 15.
Nachdem die Schlucht fast aper war, boten sich einige recht
hübsche, plattige Kletterstellen. Wildscharte an 6 U. 15. Der
Grat stürzt von der Schulter des Reichensteins mit gewaltigem
Ueberhange in die Scharte ab; wir suchten daher den Abbruch
möglichst nahe der Kante auf der Flitzenalmseite zu umgehen.
Nach Süden absteigend, hielten wir bei den ersten grünen Flecken
Rast. Von hier scharf links (östlich) in die ausserordentlich
glatten und steilen Platten. Um 7 U. begannen wir zu klettern
(Steinmann). Unser Weg geht ganz gerade hinauf auf den Ab¬
satz, der die beiden grossen Ueberhange des Westgrates trennt.
Nach einigen Seillängen erreichten wir eine begraste Rippe
und in brüchigem Gestein weiterkletternd eine wenig geneigte
Terrasse, über die wir zu dem erwähnten Absatz gelangten.
Wir standen nun unter dem gewaltig ausgebauchten, obersten
Absturz der Schulter. Auf der Nordseite leitet ein breites Band,
das aber von unten her nicht erreichbar sein dürfte, in diese
Scharte. Lange genossen wir den grossartig erhabenen Anblick
der gegenüberliegenden Sparafeld-Ostabstürze, ehe wir weiter-
giengen. Auf der Nordseite ist der Abbruch nicht zu umgehen,
wir querten deshalb in der Südseite am Fusse der Felsen nach
Osten unter höher oben befindlichen Ueberhängen durch und
wandten uns sobald als möglich links aufwärts in der Richtung
zum Hörn der Schulter. Durch eine plattige, seichte Rinne in der
Wand aufwärts, bis eine senkrechte Stufe Halt gebot. Schwierig
über Rasenpölster nach rechts um eine Ecke und gleich wieder
links hinauf auf eine sich später verflachende, brüchige Rippe.
Ueber unschwierige, grasige Schrofen erreichten wir nahe der
Absturzkante jenes Hörn, mit dem die Schulter in die Wild¬
scharte absinkt. Nun hinab auf den Sattel, wo links der Nord¬
weg heraufkommt, und auf bekanntem Wege auf den Gipfel
(11 U. 10). Ab 11 U. 45. Nach wenigen Schritten gegen Osten
über die im oberen Theile ungemein steile Wand schwierig
hinab in die Scharte zwischen Reichenstein und Todtenköpfel
(1 U. 25). Nun leicht auf das Todtenköpfel (1 U. 45). Rast bis
(2 U. 15). Auf dem Ostgrat anfangs weniger steil, die letzten
30 m. in die Scharte jedoch sehr steil und schwierig, 3 U. 45.
Den nächsten Thurm umgiengen wir ungemein ausgesetzt auf
dessen Nordseite, überschritten den zweiten Thurm und hierauf
in Schrofen und Gras hinunter zur Pfarrmauer (4U. 30). Johns¬
bach an 6 U. 15. Der Aufstieg von der Wildscharte erfordert
Geübtheit und wegen der Glätte und Steilheit der Platten und
der zahlreichen Graspartien bedeutende Vorsicht. Die ganze
Tour, mit deren Durchführung ein sehr altes Problem gelöst
wurde, ist eine der herrlichsten und interessantesten im Gesäuse
lind bietet ausdauernden Bergsteigern einen unvergänglichen
Schatz von Naturschönheiten und Erinnerungen.

Eduard Garns, Ing. Eduard Pichl.

Grosser Buchstein über die Nordwand. I. Durchkletterung.
29. Juni 1899. Vom Eisenzieherwirthshaus grabeneinwärts, vor
der Brücke auf kleinem Strässchen nach rechts auf den be¬
waldeten Kamm des Schafgrabenriegels, der mühelos bis an die
Wände aufwärts verfolgt wird, sodann nach rechts zum Einstieg.
Bis hieher 2 J / 2 3 St. Entweder durch eine breite, plattige
Rinne, die links von gelben Ueberhängen, rechts von einer
plattigen Gratrippe begrenzt wird, hinauf und höher oben, wo
die Rinne sehr steil wird, nach rechts auf die Rippe oder von
rechts her über einen Zerbenrücken auf dieselbe. Man bleibt nun
auf der gut gestuften Rippe, die eine schöne sichere Kletterei mit
interessantem Einblick in die Felsscenerien der Umgebung bietet.
Hoch oben wird die Rippe dachförmig und wir gelangen über
den First derselben in eine enge, von hohen Wänden einge¬
schlossene Plattengasse. Durch dieselbe in einen Kessel und
nach rechts heraus auf eine riesige Terrasse (Steinmann). Nun
ganz leicht über Geröll und niedrige Schrofen zum Ausstieg in
der zweiten Scharte westlich von der St. Gallenerspitze. 2 stündige,
sehr hübsche und sichere Kletterei ohne Schwierigkeiten.

Hans Barth, Ing. Eduard Pichl.

Grosser Buchstein über den Nordgrat. I. Begehung. 9. Juli
1899. Wie beim Aufstieg zur Nordwand auf den Schafgraben¬

riegel und immer auf der Kammhöhe bleibend bis an die Ecke,
welche die Ost- mit der Nordwand bildet, und von welcher der
Nordgrat steil aufstrebt. Bis hieher 2 J / 2 St. Links von einem
Felsthor über eine schlechte Platte und nun stets über steile,
brüchige, gras- und erddurchsetzte Schrofen in */ 2 St. an den
Fuss des ersten kleinen Thurmes. Hinter demselben sperrt der
grosse, mit gewaltigen Platten drohende Hauptthurm den Grat.
Gelegentlich eines früheren Versuches waren wir einige Meter
nach rechts abgestiegen und nach links durch einen schwierigen,
nassen, in der Mitte überhängenden Kamin auf die Spitze des
ersten Thurmes geklettert; es folgten einige Meter horizontaler
Grat, worauf in einer Schleife von links her die ausserordent¬
lich steile, plattige Kante des Thurmes erreicht und auf der¬
selben bei riesiger Aussetzung bis auf eine Seillänge unter die
Thurmspitze vorgedrungen wurde. Dichter Nebel und Regen
zwangen uns zur Umkehr, wobei wir uns vom ersten Thurm
in eine schmale Scharte am Fusse desselben abseilten. Dies¬
mal erstiegen wir den grossen Thurm von rechts. An dem
ersten Thurm vorbei und etwas absteigend auf ein ungemein
breites Schuttband, das bis zu seinem Abbruch verfolgt wurde.
Nun nach links unter Ueberhängen in einen seichten Riss, der
unvermittelt in einer 200 m. hohen Wand endigt, mit kleinen
brüchigen Griffen um eine Kante herum und hinauf in eine
Mulde ober dem ungeheuren Absturz. Aus dieser leicht nach
rechts auf einen wieder in eine Schuttmulde führenden Grat.
In einem plattigen Spalt empor und, über lose Blöcke hinweg¬
spreizend, auf eine Terrasse, rechts herum und nach links hin¬
auf in einen düsteren, von zwei Graten eingeschlossenen Kessel.
Auf den rechten Grat nicht leicht hinauf, bald darauf etwas
nach rechts hinaus, einige Meter empor und nach links querend
mit einigen Schritten auf die Spitze, 2 St. seit Verlassen des
Fusses des ersten Thurmes. Nun in die Scharte zwischen Gipfel
und vorgelagertem Zacken und über sehr brüchige Blöcke hinab
in die horizontale Scharte zwischen unserem Thurm und dem
abenteuerlichen Gegenüber. Von hier ganz leicht über Schutt
und Erde zur flachen Ausstiegsscharte, wo auch der Weg über
die Ostwand in das Plateau mündet. — Die Kletterei ist stellen¬
weise schwierig und sehr ausgesetzt, die Plattigkeit, namentlich
aber die oben auftretende Brüchigkeit verlangen Üebung. Die
Ausblicke in die wilde Umgebung sind prächtige.

Eduard Garns, Ing. Eduard Pichl.

Sextener Dolomiten.

Grosse Zinne von Osten mit grösstentheils neuem Anstieg.
Am 16. Juli d. J. unternahm Justizrath Caspari und Leutnant
Caspari von der S. Cassel mit den Führern Michel und Christian
Innerkofi er von Sexten die (wohl vierte) Besteigung der Grossen
Zinne von Osten. Eingestiegen wurde ca. 10 Min. oberhalb des
Wassers, wo auch der von Antonio Dimai zuerst eingeschlagene
Weg beginnt. Dieser Weg wurde ca. 100 m. bis zur ersten Stein¬
daube verfolgt, dann nicht in der Richtung auf den Thurm vor¬
gegangen, sondern nach links geklettert. Auf dem ersten Bande
wurde der Dimaiweg wieder erreicht, aber nicht verfolgt, es
wurde nicht nach rechts traversiert nach der Rinne zu, sondern
links aufwärts geklettert bis zum Grat und von da bis zum Gipfel,
nach Ueberwindung eines ca. 1 m. breiten Spaltes, der frei über¬
schritten werden rnusste. Vom Einstieg bis zum Gipfel ununter¬
brochen höchst interessante Kletterei.

Justizrath Caspari, H. Vorsitzender der S. Cassel.

Breuta Gruppe.

Guglia di Brenta (Campanile basso), 2908 m. Die erste Er¬
steigung dieses Gipfels gelang den Unterzeichneten am 16. August
d. J., nachdem sie zwei Tage vorher 15m. ober dem von Garbari
errichteten Steinmanne zurückgeschlagen wurden. Ungefähr 20 m.
unterhalb der Scharte zwischen Guglia di Breuta und Campanile
di Brenta erfolgte von Osten her der Einstieg. Ueber eine un-
schwierige Wand mit kleinem Kamine kletterten wir hinauf zu
einem Thurm und zu einem zwischen diesem und dem Berg-
körper festgeklemmten Block. Auf schmaler Leiste querten wir
an der Südseite des Berges zum Fusse einer gelbrothen, vielleicht
30 m. hohen, senkrechten Wand, über welche wir, nach rechts
aufwärtskletternd (der Brüchigkeit wegen im obersten Theile
der Wand sehr gefährlich!), auf einen kleinen Absatz der Süd-