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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.26 (1900)
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MITTHEILUNGEN

DES

DEUTSCHEN UND OESTERREICHISCHEN ALPENVEREINS.

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sind die Verfasser verantwortlich.

Nr. 5.

Wien, 15. März.

1900.

I f Ludwig 1 Piirtseheller. I

In den Morgenstunden des 3. März trug der elek¬
trische Draht aus der Hauptstadt der Eidgenossen
nach allen Seiten die Schreckenskunde hinaus, dass
Ludwig Purtscheller, der bedeutendste deutsche
Alpinist, fern von seinen Lieben, die er seit sieben
Monaten nicht gesehen hatte, in die Ewigkeit hinüber¬
gegangen sei.

Die Nachricht traf alle Eingeweihten um so er¬
schütternder, als Pur tscheller für Mitte März die
langersehnte Heimreise in den Schooss seiner Familie
geplant hatte; das von seinen Freunden vorgeschlagene
Programm für dieselbe harrte nur noch seiner Zu¬
stimmung.

Aber ein höherer Wille hat es anders beschlossen:
ein tückischer Anfall von Influenza mit darauffolgen¬
der Lungenentzündung rieb die erst spärlich wieder¬
gekehrten Kräfte rasch auf und befreite den seit sechs
Monaten zum Märtyrer Gewordenen von seinen Leiden
und von den Sorgen für die Zukunft.

Purtscheller war ein echtes Tiroler Kind. Sein
Vater, ein k. k. Steuereinnehmer, war ein Innsbrucker,
seine Mutter eine Stubaierin. Am 6. October 1849
zu Innsbruck geboren, kam PurtschellernachBesuch
der Volksschule 1859 in die Realschule zu Innsbruck
und gieng dann noch ein Jahr an die Realschule in
Rovereto, um die italienische Sprache zu erlernen.
Von dieser Zeit her stammte auch seine treffliche
Kenntniss des Italienischen, in welcher Sprache er
ohneweiters druckfertige Aufsätze zu liefern verstand.

Das Jahr 1865 führte ihn nach Villach, wo er in
der Bleiberger Bergwerksunternehmung eine Anstel¬
lung bekommen hatte; hier verschaffte er sich reiche
mineralogische und geologische Kenntnisse, die ihm
später in seiner literarischen Beschäftigung sehr zu
statten kamen. Doch sagte die vorwiegend sitzende
Lebensweise seinem athletisch gebauten Körper nicht
zu, und er kam auf den Gedanken, seine hervor¬
ragende Geschicklichkeit im Turnen auch für Andere
nutzbringend zu verwerthen.

Er gieng nach Graz, unterzog sich dort der Turn¬
lehrerprüfung und wurde 1872 in Klagenfurt als Turn¬
lehrer angestellt. Hier war es, wo er der Bergwelt zuerst
näher trat, und zwar war der Obir jener Gipfel, den
er zuerst besuchte. An Ferialtagen durchstreifte er
die Karawanken, die Steiner Alpen, die Julischen und
Carnischen Alpen, die Gruppe der Koralpen, Saualpen
und einen Theil der Tauern.

Die ungebändigten Gewalten des Hochgebirges
fesselten seinen Sinn, und von jenen Tagen an bis
zu seinem letzten Athemzuge war er ihr begeisterter
Lobredner, ihr Hoherpriester. 1874 übersiedelte Pur t-
scheller nach Salzburg an die k. k. Lehrerbildungs¬
anstalt, in deren Lehrkörper, sowie am k. k. Gym¬
nasium er seither mit Lust und Liebe seinem an¬
strengenden Berufe oblag.

Purtscheller fasste den Beruf des Lehrers so hoch
auf, als er nur überhaupt aufgefasst werden kann. Es
kam ihm weniger auf das Anhäufen von Wissen und
Können als auf die Bildung des Charakters und auf
das Erwecken der Lernbegierde seiner Zöglinge an; er
meinte, dass es auch ausserhalb der Anstalt seine Pflicht
sei, den Schülern durch tadellose Lebensführung als
Vorbild zu dienen. Er eiferte reifere Zöglinge an, ihn
auf kleinen Touren zu begleiten, und legte durch sein
Beispiel früh in manch' jugendliches Hepz den Keim
für die reinen, edlen, nie versiegenden Freuden des
Naturgenusses.

Wenn dann die Woche unter wechselnden Mühen
und Plagen und mannigfaltigem Kummer, den ihm
übelwollende Männer und widerspenstige Knaben be¬
reiteten, vorbeigegangen war, dann schnürte er am
Samstag den Rucksack und flog hinaus in die hehre
Gottesnatur, um seinen Körper und Geist wieder ge¬
sunden zu lassen und beide für künftige Anforde¬
rungen zu stählen.

So durchwanderte Purt schell er während des
Schuljahres die westliche Steiermark, das Salzburger¬
land, Nordtirol und die bayrischen Alpen, und es