Nr. 5.
Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichisehen Alpenvereins.
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Auf dem StilfserjOCh beabsichtigt der langjährige Pächter
der Cantoniera, "Wallnöfer, ein geräumiges Unterkunftshaus mit
Gasthofbetrieb zu erbauen. Nachdem nunmehr ein vieljähriger
Rechtsstreit mit dem k. k. Finanzärar zu Gunsten des Pächters
entschieden ist, dürfte die Erbauung des Gasthofes in kurzer Zeit
erfolgen.
Unglücksfälle,
Absturz von der Raxalpe.
Die Raxalpe hat abermals ein
Todesopfer gefordert. Der Vorstand unserer S. Beichenau, Herr
HansStaiger, berichtet hierüber: „August Hassler, 2 7 Jahre alt,
Diurnist im Handelsministerium, hatte am Samstag den 24. Februar
seine Angehörigen in Wien verlassen, um über den Preinthaler-
steig auf die Rax zu wandern. Da er am Montag noch nicht
zurückgekehrt war, erhielt ich vom alpinen Rettungs-Ausschusse
in Wien ca. 2U. nachmittags die Aufforderung, der Ursache seines
Ausbleibens nachzuforschen. So rasch als möglich begab ich mich
zum natürlichen Ausgangspunkte meiner Erhebungen, dem Tou¬
ristenheim im Weichthale. Daselbst war zwar ein einzelner Tourist
gewesen, derselbe hatte sich aber nicht eingeschrieben und auch
nicht angegeben, wohin er wolle. Da die Telephonverbindungen
von Reichenau mit Weichthal, Ottohaus, Carl Ludwighaus gestört
waren und weder im Weichthale noch Kaiserbrunn Hilfskräfte zu
erlangen waren, berichtete ich meine Wahrnehmung telegraphisch
meinem Stellvertreter in Rettungsangelegenheiten, Herrn Polizei-
commissär Höllersberger in Reichenau, und beorderte Führer
AI. Baumgartner, mit zwei Gefährten zum Ottohause zu gehen
und eventuell morgens die Partie zum Preinthalersteige abzu¬
suchen. Gleichzeitig fuhren die Sectionsmitglieder Ferd.Höllers-
berger, Carl Haus er, denen sich in Kaiserbrunn Emil Pokorny
anschloss, sowie der hiesige Gendarmerie-Postenführer in das
Höllenthal, um trotz vorgerückter Stunde einen Aufstieg zu ver¬
suchen. Die einbrechende Nacht zwang dieselben beim Katzen¬
kopfsteige und Preinthalersteige zur Umkehr, doch hatten sie
so viel Erfolg, dass constatiert werden konnte, es habe ihren
Rufen keine Stimme geantwortet, ferner wurde bei den Gedenk¬
tafeln am Katzenkopfsteige ein Lodenhut gefunden, der noch
nicht lange dort gelegen haben konnte. Für den nächsten Morgen
war der Führer Jak. Wurzel beauftragt, mit noch zwei gewandten
Männern bei Tagesgrauen an die Untersuchung der Felsensteige
am Preinthalersteige zu gehen. Herr Höllersberger und ich
fanden uns auch früh morgens im Höllenthale ein und beauftragten
die auf der Höhe erschienene Expedition vom Ottohause, da sie
auf dem Raxplateau keine Spur entdeckt hatte, den Preinthaler-
steig von oben her abzusuchen. Beide Partien trafen sich bald
darauf und gewannen von einer Stelle des Kleeblattsteiges einen
Einblick in eine Schlucht, wo sie eine Weste entdeckten. Der
Jüngste wurde abgeseilt und fand einen weissen Rucksack, Berg¬
schuhe, Pickel etc., sowie auf dem Schnee den Abdruck eines
schwer aufgefallenen Körpers, der weitergerutscht und über die
nächste Wandstufe weitergestürzt war. Der Absturz dürfte nahe
am Ausstiege vom Katzenkopfsteige erfolgt sein. Von dort war
dem Verunglückten nicht beizukommen, infolge dessen wurde
Baumgartner jun. aufgeseilt und mit den gefundenen Gegen¬
ständen der Abstieg über den Pr ein thalersteig angetreten. Herr
Höllersberger und ich eilten mit den gefundenen Sachen in
das Weichthalgasthaus, um Rettungs-Ausschuss und Behörden zu
verständigen und für den Transport der Leiche Sorge zu tragen;
unterdessen stiegen die Führer den Katzenkopfsteig hinauf, wo
sie nach längerem Suchen in einer Schlucht, eingekeilt in einen
Felsenriss, die auf dem Kopfe stehende Leiche fanden; der Kopf
war fürchterlich zertrümmert, sonst wenig Verletzungen wahr¬
nehmbar, die Kleider wenig beschädigt, die Füsse mit Klettertuch
umwunden. Da die Felsen stellenweise stark vereist waren und
die hohe Lufttemperatur das brüchige Gestein sehr gelockert hatte,
bot die ganze Action viele Schwierigkeiten. Die Leiche musste
vielfach abgeseilt werden und wurde nachmittags ca. 3U. nach
Payerbach überführt, wo sie Donnerstag den 1. März beerdigt
wurde. Der aufgebotenen Hilfsmannschaft gebührt volles Lob,
desgleichen den erwähnten Sectionsmitgliedern."
Hans Staiger.
Was den Absturz des kräftigen und für diese Touren ge¬
übten jungen Mannes verursacht hat, ist natürlich nur zu ver-
muthen. Doch muss erwähnt werden, dass die genannten, ohne¬
hin schwierigen Klettersteige bei den jetzigen tiefwinterlichen
Verhältnissen wirklich gefährlich sind und in der Regel von
geübten Alpinisten in dieser Zeit vernünftigerweise gemieden
werden. Schwierige Felsen bieten eben unter starker Vereisung
Gefahren, die man nicht aufsuchen soll, schlimm genug, wenn man
unter Umständen gezwungen ist, solche Felspartien zu forcieren.
Absturz im Todtengebirge. Am 27. Februar verunglückte
bei der Besteigung des 1752 m. hohen Hundskogels (Todtes
Gebirge, Trisselwand) der 16jährige Grundbesitzerssohn Franz
Gas perl aus Grundlsee durch Ausgleiten auf dem Schnee und
Absturz über eine 10 m. hohe Wand. Seine beiden Begleiter
brachten den Verunglückten zu Thal
s
wo er am folgenden Tage
an innerlicher Verblutung verschieden ist.
Unfall am Eisenerzer Reichenstein.
Die Tagesblätter brachten
Ende Februar eine Meldung über einen angeblich ernsten Un¬
fall am Eisenerzer Reichenstein. Das Vorkommniss trug sich
nach dem Berichte des Hauptbetheiligten wie folgt zu: Nach
zweitägigem Aufenthalte auf dem Eisenerzer Reichenstein unter¬
nahm unsere aus sieben Mann bestehende Gesellschaft am 28. Fe¬
bruar früh den Abstieg nach dem Präbichl. Um noch den Vor¬
mittagszug zu erreichen, wurde unterhalb des Grübeis über die
reichlich mit Schnee bedeckten, circa 30 Grad geneigten Hänge
abgefahren, wobei ich an einer weicheren Stelle mit dem rechten
Fusse in den Schnee einbrach und hiedurch vornüberstürzte,
wobei ich mir eine Auskegelung des rechten Schenkelknochens
aus dem Kniegelenke und eine Nervenquetschung zuzog. Die
Unfallstelle befindet sich eine halbe Stunde oberhalb der Bahn¬
station Präbichl.
Dr.
A. Karner-GQss.
Personal-Nachrichten.
f Ludwig PurtSCheller. Das unerbittliche Schicksal hat
unserem Vereine einen seiner Allerbesten jählings entrissen:
Ludwig Purtscheller, unbestritten der beste, tüchtigste und
erfahrenste deutsche Bergsteiger, ist nicht mehr, eine tückische
Lungenentzündung hat um 2 U. morgens des 3. März diesem
thatenreicben Leben ein plötzliches Ende bereitet. Wir bringen
an der Spitze dieses Blattes einen von Freundeshand dem Dahin¬
geschiedenen gewidmeten Nachruf, später wird sich ja noch Ge¬
legenheit finden, ausführlicher des Unvergesslichen und Unersetz¬
baren zu gedenken. Hier möge in Kürze nachgeholt werden,
was bisher auf Wunsch des so unvermuthet abberufenen Freundes
unterblieb. Wie in Nr. 18 vom vorigen Jahrgang dieser „Mit¬
theilungen" berichtet, hatte Purtscheller das Unglück, am
25. August v. J. beim Abstiege von der Grand Aiguille du Dru
den rechten Arm zu brechen. Er hatte die Tour in Gemein¬
schaft mit Dr. H. Löwenbach aus Wien und Führer J.Ober-
hollenzer aus Fusch unternommen. Beim Abstiege war, nachdem
alle Schwierigkeiten überwunden waren,Führer Oberhollenzer
infolge Bruches seines Pickelstockes ausgeglitten, und alle Drei
waren etwa 6—7 m. über den Firnhang geglitten und in den
i
—5 m. tiefen Bergschrund gestürzt. Herr Dr. Löwenbach
brachte Purtscheller — nachdem dieser in Chamonix den
ersten Verband bekommen — nach Genf in die Klinik Dr. An-
dreae, wo Purtscheller etwa fünf Wochen verblieb. Wider
alles Erwarten trat die sicher erhoffte rasche Heilung nicht nur
nicht ein, sondern Purtscheller's Zustand wurde zeitweilig
sogar besorgnisserregend. AnfangsOctober war es den unablässigen
Bemühungen seiner Freunde gelungen,P u rtscheller zubewegen,
nach Bern zu übersiedeln, wo er in der Klinik des Dr. Lanz
sorgsamste und aufopferungsvollste ärztliche Behandlung fand, und
woselbst eine grosse Zahl von bergsteigerischen Genossen, ins¬
besondere die Herren W. Forster aus Solothurn und P. Mon¬
tandon in liebevoller Aufmerksamkeit wetteiferten, um Purt¬
scheller den Aufenthalt in der Fremde, fern
de-,
eigenen Heim
und seinen Lieben, so angenehm als möglich r.u machen. In
manchem Briefe, den er dienstwilligen Gefährt t in die Feder
dictierte, gab Purtscheller dem glücklichen L-.-'pfinilen über
diese rührende Liebe der Berggenossen beredten Ausdruck.
Langsam gieng die Genesung vor sich; der Kunst der Aerzte
und Purtscheller's zäher Kraft war es allmälig gelungen,
das qualvolle Leiden zu besiegen, und Mitte Februar erfreute
der nun für immer Geschiedene den Schriftleiter dieser Blätter
mit der nach vielen Monaten ersten eigenhändig geschriebenen
Postkarte, in welcher er der Freude über die endliche Heilung,
die nahe Heimkehr zu den Seinigen und dem bevorstehenden
Wiedersehen Ausdruck gab. Es sollte nicht so kommen. Ein
Influenzaanfall fesselte Purtscheller nochmals an das Zimmer,
eine Lungenentzüngung trat dazu. Sie ergriff zuerst den einen
und mit erschreckender Schnelligkeit auch den zweiten Lungen¬
flügel; das durch die monatelangen Fieberschauer schwer ge-
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