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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.26 (1900)
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Nr. 7.

Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.

mit 27 Betten) entstanden, welche Besuchern der Leutasch u.s.w.
sehr willkommen sein wird.

Von der Seiseralpe. Herr Franz Dialer aus Bozen hat,
nach „Dill. Reisezeitung", zu seiner Pfitscherwiese auf der Seiser¬
alpe in der Nähe der Mahlknechtschwaige die an seinen Besitz
angrenzenden Maierhofweiden gekauft und arbeitet nun an der
Erbauung einer Unterkunftshütte, die näher den Rosszähnen
errichtet wird. Diese Hütte kommt gerade auf einen Kreuzungs¬
punkt der sehr frequentierten Wege vom Schiern über das Tierser-
alpeljoch durch das Duronthal nach Campitello einerseits, sowie
zu der Unterkunftshütte in der Langkofel Gruppe und nach
Gröden andererseits zu stehen.

Unglücksfälle.

Unfall in der Croda Grande Gruppe. Herr Oscar Schuster-
Dresden und dessen Führer G. Zecchini wurden am 17. März
bei der Ersteigung der Croda Grande von einem Schneesturme
überrascht, infolge dessen sie zu dreimaligem Bivouakieren ge-
nöthigt waren. Leider hat hiebei Zecchini an einigen Fingern
Frostschäden erlitten, so dass er jetzt in ärztlicher Behandlung
steht. Es ist aufrichtig zu wünschen, dass dem wackeren Führer,
einem der tüchtigsten Dolomitenkletterer, kein dauernder Nach¬
theil bleiben möge.' Herr Oscar Schuster, der glücklicherweise
ohne Beschädigung davonkam, sendet uns über den bedauer¬
lichen Unfall, der lediglich durch einen nicht vorherzusehenden
Wetterumschlag hervorgerufen wurde, folgenden Bericht: „Be¬
zugnehmend auf einige Notizen in Tagesblättern, die zahlreiche
unrichtige Angaben enthalten, erlaube ich mir, Ihnen das Nach¬
stehende über die Tour mitzutheilen, die ich Mitte dieses
Monats in der Pala Gruppe unternahm: Samstag den 17. März
verliess ich mit dem Führer Giuseppe Zecchini aus Primör
Gosaldo in der Absicht, die Croda Grande vom Passo di Luna
aus zu besteigen. Wir geriethen am Nachmittag in der Nähe
des Nordgipfels in schlechtes Wetter, das sich zum Schnee¬
sturm steigerte, und waren gezwungen, gegen Abend unter
einem überhängenden Felsen Schutz zu suchen. Da das Toben
des Sturmes immer schlimmer wurde, mussten wir bis zum
Montag Morgen in unserem Asyl ausharren. Erst dann konnte
der Abstieg beginnen, der durch Nebel und Neuschnee sehr
erschwert wurde. Bereits tief unten trafen wir auf unüberwind¬
liche Abstürze; ein weiteres Freilager war die Folge. Dienstag
Mittag endlich konnten wir die Felsen verlassen und kamen
am Nachmittag in Gosaldo an. Am 21. gelangten wir von dort
über den Ceredapass nach Primör. Zecchini sind nicht die
Hände, sondern nur einige Finger erfroren. Es ist möglich, dass
der eine oder andere verloren ist, doch lässt sich zur Zeit noch
nichts Bestimmtes darüber sagen. Für die Familie meines
Führers wird selbstverständlich Sorge getragen werden."
Bozen, Ende März 1900. Oscar Schuster.

Auf dem Hochobir verunglückt. Der Gehilfe des meteoro¬
logischen Beobachters im Rainerhause auf dem Hochobir, Franz
Mosgan, ist der-„Grazer Tagespost" zufolge seit dem 29. März
verschollen. An diesem Tage hatte er mit einem Lebensmittel-
vorrath den Markt Eisenkappel verlassen; er ist zweifellos im
Sturm und Schneegestöber verunglückt. Die Trage mit den
Lebensmitteln fand man 10 Min. "unterhalb des Rainerhauses an
eine Telegraphenstange gelehnt. Mosgan selbst konnte aber
nicht gefunden werden. Erst die Schneeschmelze dürfte die Leiche
des Verunglückten an das Tageslicht bringen.

Personal-Nachrichten.

L. Purtscheller. Am 24. März fand in Wien ein von der
Akad. S. Wien des D. u. Oe. Alpenvereins veranstalteter Trauer-
commers zu Ehren Purtscheller's statt, welcher einen sehr
feierlichen Verlauf nahm. Folgende Sectionen und alpinen Vereine
waren vertreten: Akad. S. Graz, Techniker Alpen-Club Graz,
Akad. Alpen-Club Innsbruck, Akad. Alpen-Club Zürich, S.Austria,
S. Steyr, S. Obersteier, S. Hallein, Oesterr. Alpen-Club, Nieder-
österr. Gebirgsverein; mehrere alpine Gesellschaften, ferner der
Verein der Salzburger Studenten, die Herren Dr. 0. Zsigmondy
und Hess von den näheren Freunden des todten Alpinisten, und
Andere. Herr Stud. jur. Gierth hielt die Trauerrede. — In
der S. Stuttgart wurde die letzte Monatsversammlung mit einer
Trauerfeier für L. Purtscheller eingeleitet. Hiebei sprach
die königl. Hofschauspielerin Fräulein Phil. Brand das folgende,
von Fräulein Isolde Weisser in Stuttgart gewidmete Gedicht:

„Weiss wie ein Bahrtuch ist die Erde,

Darüber fegt des Nordwinds eis'ger Hauch,

Nicht duldend, dass es Frühling werde,

Zerstört die Keime sie, die sprossten auf.

Sie selbst, Natur, erfasst von herbem Weh!

Ihr liebster Sohn, ihr Freund ist heimgegangen,

Der Zwiesprach hielt mit ihr auf heil'ger Höh',

Dem sie enthüllt sich in der Morgenröthe Prangen.

Ein tückisch, grausam Schicksal warf ihn nieder —
Voll Mitleid ihn umsteh'n die Freunde bang,
Genesung, Kraft, Gesundheit kehre wieder!
Der Wunsch aus tausend Herzen zu ihm drang.
Er war uns lieb, vor Allen lieb gewesen,
Der, gross und gut, mit Jedem freundlich sprach,
Und Trauer ist auf aller Stirn zu lesen
Und Thränen fliessen, dass sein Auge brach.

Ist er auf ewig uns dahingeschwunden?
Wo weilt sein Geist, wohin ist er entfloh'n?
Die Alpen glüh'n, von Sonnengold umwunden!
Uns Kunde kommt von seiner Berge Thron —
Horch! leise klingt ein Ton hernieder —
Ist's Freundesgruss aus unbekanntem Land?
Hinauf, empor! Dort finden wir ihn wieder,
Unsichtbar führet uns des treuen Meisters Hand."

Dem Andenken Ludwig Purtscheller's! Wir erhalten die
nachfolgende Zuschrift, die wir hiemit gerne zum Abdruck
bringen: „Die Tagespresse, die auch der kleinsten Berühmtheit
wohlfeile Lorbeeren auf den Weg streut, hatte sich nicht beeilt,
die Kunde von dem Tode Ludwig Purtscheller's in weitere
Kreise zu tragen, und so wird der Mehrzahl der Genossen die
vorletzte Nummer der „Mittheilungen" die erste Nachricht ge¬
bracht haben von dem Verluste, der Alle betroffen hat, die den
Bergen ein warmes Herz entgegenbringen. Sicher hat die Nach¬
richt überall aufrichtige Betrübniss hervorgerufen, denn ob¬
gleich Viele den Verstorbenen nicht persönlich gekannt haben,
hat doch Jeder etwas von ihm gelesen, Jeder einmal unter
dem Banne seiner hehren Begeisterung gestanden, mit der er zu
froher Bergfahrt lockte und das Verständniss für die erhabenen
Wunder des Hochgebirges lebendig machte. Und sicher ist
Manchem bei dieser Todeskunde der Wunsch gekommen, es
nicht beim Klagen, beim stillen Trauern im Innern bewenden
zu lassen, sondern der Empfindung für den Geschiedenen einen
Ausdruck zu geben, seiner würdig und der Welt entsprechend,
die uns mit ihm vereint.

„Ein Denkmal auf dem Ahornboden kündet von den kühnen
Klettertouren Hermann v. Barth's; von Paul Grohmann's
unvergesslichen Verdiensten um die Erschliessung der Dolomiten
redet ein Wahrzeichen im Grödenerthale; auf der Franz Josefs¬
höhe über der Pasterze erzählt mit goldenen Lettern der Mar¬
morstein von dem Pfadfinder der Glockner Gruppe Carl Hof¬
mann, und im stillen Meiningen wurden bei dem Grabe Adolf
Schaubach's Gesteine aus allen Theilen der Alpen zu einem
rührenden Gedächtnisszeichen vereinigt, ehrend den Geehrten
und ehrend die ihn Ehrenden.

„Sollen wir nicht auch unserem so früh abberufenen Ludwig
Purtscheller ein Zeichen des Gedenkens nicht nur, auch ein
Zeichen des Dankes errichten für die Treue, mit der er die
Fahne des Alpinismus hochgehalten, für die Begeisterung, mit
der er für ihn geworben, für die Liebe, die er in so vielen
Herzen für ihn entzündet hat? Ich glaube nicht, dass Einer
die Frage verneinen möchte, und ich denke nicht besser und
nicht schöner, nicht entsprechender dem Triebe starker Be-
thätigung, der für Purtscheller so charakteristisch war, könnte
sein Andenken gewahrt werden, als dass seinem Gedächtniss
eine der in nächster Zeit zu errichtenden Schutzhütten als
Purtschellerhaus gewidmet wird. Sein Bildniss mag dann
an dieses Haus geheftet sein und vielleicht gleichzeitig ein
engerer Kreis der Genossen sich zusammenthun, um das, was
Purtscheller in seinen literarischen Arbeiten geschaffen hat,
zu einem würdigen Ganzen zu vereinigen und sie so den.
Freunden der Berge für alle Zeit zu erhalten.

„Es. ist so Vieles und so Reiches, was uns Ludwig Purt-
scheller gegeben, so Weniges, womit wir auf diese Weise
unseren Dank bezeigen könnten!"

Eisenach, im März 1900. Josef Kürschner.