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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.26 (1900)
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DEUTSCHEN UND OESTERREICHISCHEN ALPENVEREINS.

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Nr. 24.

München-Wien, 31. December.

1900.

Bergfahrten im Occupationsgebiete.

Von Ing. Eduard Pichl in Wien.
(Schluss.)

Erst der nächste Sonntag brachte mein Project, .
den Veleäkamm zu überschreiten, zur Ausführung.
Knapp hinter dem türkischen Friedhofe, einem idea¬
len Schlangenherde, steigt der am Fuss rebenbestockte,
höher oben verkarstete Podvelez zu einer ansehnlichen
Hochebene empor und wellt über den Hügel Sipovac
gomila bis zum Hochvelez, dessen Kamm vom West¬
gipfel, 1897 m., in südöstlicher Richtung über den
Hauptgipfel, 1969 m., streichend, dann an Höheallmä-
lig verlierend, in den Hügeln um Nevesinje untergeht.

Der Dämmerung dunkle Schwingen lagen noch
über dem Nordlager, als die Nägel meiner Schuhe
über die Platten der matterleuchteten Kasernengänge
knirschten; um 3 U. 30 lag das Hauptthor hinter mir,
bald auch die „Grüne", aus deren verschlossenen
Fenstern noch Licht und lustiger Lärm auf die Gasse
quollen, und im ersten Morgengrauen erreichte ich
den „Blitzweg", der wie alle derartigen Zickzack¬
wege im Karst seiner blitzartigen Form halber so be¬
nannt wird. Es ist überraschend, wie leicht und schnell
die schwer bepackten kleinen Gebirgspferdchen der
Gebirgsbatterien über diese Blitzwege ansteigen und
auf den schlechtesten Pfaden der Karsthöhen mit
einer grossartigen Sicherheit klettern, die dem Reiter
das Absitzen fast durchaus erspart. Es kommt wohl
vor, dass ein Rohr- oder ein Lafettentragthier ab¬
rutscht und ein Stück hinabkollert; in einem solchen
Falle zieht es einfach die Beine ein, wartet, bis es
an einem Busche hängen oder in einer Mulde liegen
bleibt, und klettert dann hoch vergnügt in seine Marsch-
colonne zurück. An einem vorspringenden Felsen-
-riff, dem Stolac, vorüber, gelangte ich mit den ersten
Strahlen der Sonne zum Werk 3, wo sich zum letzten
Male die rothen Dächer der Stadt zeigen. Anstatt
nun das Werk 6 zum Directionsobject zu nehmen,
hielt ich mich unnöthigerweise zu weit links und
gerieth in die grüne Mulde von Dobric, deren Stein¬
butten anscheinend untrennbar mit der grauen Fels¬
wand verwachsen sind. Kein Laut störte die Ruhe,
Alles war wie ausgestorben, aber hier heroben Hess es

sich doch athmen. Durch den grünen Einschnitt schritt
ich gegen Süden aufwärts auf den Sattel, dessen
Höhe in der österr. Specialkarte durch ein Kreuz
gekennzeichnet ist. Unweit dieser Stelle kündigt die
Karte eine Quelle an, und da mein Wasservorrath
erschöpft war, so begab ich mich auf die Suche. Jen¬
seits des Sattels entspringt eine nach Süden ziehende
Schlucht, zu deren Beginn mich ein an einer kreisrunden
plattigen Erhöhung vorbeilaufender Steig geleitete. Ob¬
wohl durch ein auf den Platten kauerndes altes Weib
und einen Knaben mit vollen Wassereimern in meiner
Zuversicht gestärkt, blieb das ersehnte Nass meinen
Augen verborgen, und erst auf meine Frage hin
wies der Bursche mürrisch auf einen schmalen Spalt
im Felsen, durch welchen ich mit dem Becher
zum Wasserspiegel hinabgelangen konnte. Eine Ci-
garette, mit der ich den Jungen beschenkte, that wie
immer ihre Schuldigkeit, seine Miene erhellte sich, er
wurde sogar gesprächig und richtete zahlreiche Fragen
an mich, kurz wir unterhielten uns während der kurzen
Rast, die ich hier hielt, prächtig, nur schade, dass
keiner den Andern verstand. Das armselige Nest Si-
povac rechts lassend, lenkte ich meine Schritte über
Sipovac gomila dem Westgipfel des Velez zu. Durch
diese öde, in flimmernder Gluth dahinbrütende Karst¬
landschaft brüllte nicht lange nachher unter meinem
Commando der Donner der Geschütze. — „Feindliche
Artillerie in der Steinbatterie am Hange, Shrapnels 18,
Zielpunkt die linke Flanke. Schuss -------"

Es muss davor gewarnt werden, sich über die
Beschaffenheit der in der österr. Specialkarte ein¬
gezeichneten Karrenwege optimistischen Täuschungen
hinzugeben, nur der geübte Karstwanderer wird, den
Wegspuren genau folgend, in dem Klippengewirre
den besten Weg finden. Da die Einheimischen keine
genagelten Schuhe, sondern Opanken tragen, sorgen
nur die beschlagenen Hufe der Tragthiere für die
Markierung des Pfades.

Von Westen her stieg ich über den Grashang
auf die Rückfallkuppe des Hrsovac, 1457 m., an,