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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.31 (1905)
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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.

Nr. 11.

heit und das stete Angewiesensein aufeinander die Menschen
inniger aneinanderschließt und daß die Teilnehmer solcher
Expeditionen es leicht vermögen, ein Stück Heimat in der
Fremde zu bleiben. So möchte man am grünen Tische ur¬
teilen und wundert sich zu Hause, daß die Wirklichkeit
dieses Urteil über den Haufen wirft.

Bei der Beurteilung von fremden Erscheinungen ist es
immer durchaus verfehlt,- von häuslichen Verhältnissen aus¬
zugehen.

Die Reibungsflächen in exotischen Gebieten sind groß.
Tagelanges Zusammenleben in primitiver, ungewohnter Um¬
gebung regt alle Schwächen des Charakters auf, die müh¬
selig die heimische Kultur zu verstecken gelehrt hat. Selbst
dann, wenn eine zielbewußte Selbsterziehung dazu zwingt,
Nachgiebigkeit in kleinen Dingen zu zeigen, mehren sich die
Fälle von Unverträglichkeit und die Erkenntnis, daß es nicht
wie zu Hause das einfache Mittel der Trennung gibt, trägt
eher zur neuen Erregung der überreizten Nerven bei.

Anschauung und Urteil erfahren eine durchgreifende
Änderung; was in der Heimat kleinlich und kläglich er¬
schienen wäre, nimmt den Charakter von Lebensfragen an
und die großen Fragen der neuen Lage, die die Verhältnisse
der Heimat weit überragen, werden alltäglich, wenn der
Reiz des Ungewöhnlichen verschwunden ist.

Und so mögen gewiß die unvermeidlichen Reibereien bei
allen exotischen Expeditionen an Ort und Stelle als überaus
wichtig und kaum erträglich erscheinen; aber alle Männer
dieser Art mögen beherzigen, daß diejenigen, die an expo¬
nierter und vielbeachteter Stellung ihre Fähigkeiten be¬
tätigen, die Pflicht haben, ihre persönlichen Neigungen und
Antipathien so viel wie möglich einem größeren Zwecke
unterzuordnen.

Eine Forderung aber darf man stellen: Häßliche Klein¬
lichkeiten sind in den normalen Verhältnissen der Heimat
wieder auf ihren wahren, nebensächlichen Wert zurückzu¬
führen und wohl alle Bücher von ausländischen Fahrten,
die uns heute erfreuen und uns als mustergültig erscheinen,
wären reich an Szenen von Zank und Streit, wenn die
Autoren es nicht verstanden hätten, Persönliches auszuschalten
und in der Heimat wieder Sinn und Verständnis für das zu
gewinnen, was an ihren Fahrten groß und für die Mensch¬
heit etwa wertvoll war; und nicht die unglücklichste Eigen¬
schaft von Forschungsreisenden ist es zu vergessen, was am
besten vergessen wird.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt. Un¬
geschriebene Gesetze entstehen in den ersten Lebensjahren
jeder neuen großen Bewegung; sie pflanzen sich in münd¬
licher Überlieferung von Mund zu Mund fort und werden
getreulich erhalten. Wenn aber die Zeiten einer Hochflut
der Entwicklung kommen, wird über neuen Anschauungen
und Aufgaben nur allzu leicht die alte Überlieferung ver¬
loren und es droht die Gefahr, daß die alten Gesetze ver¬
gessen werden. Dieser Zeitpunkt scheint beim Alpinismus
in drohende Nähe gerückt zu sein.

Einen Teil dieser alpinen Gesetze schriftlich festzulegen,
war der Zweck meines Themas. Wohl weiß ich, daß meine
Ausführungen weit davon entfernt sind, erschöpfend zu sein
und manche meiner Anschauungen dürfte wohlbegründetem
Widerspruche begegnen. Und so betrachte ich denn meinen
Vortrag nur als einen Anfang; mögen recht viele sich finden,
die im Anschlüsse oder in Erwiderung meiner Ausführungen
bereit sind, das Gebäude der Gesetze über „die Pflichten
gegen den Gefährten" auszubauen und zu vollenden.

Verschiedenes.

Weg- und Hüttenbauten,

Braunschweigerhütte im Pitztale. Die Braunschweiger¬
hütte wird vom 1. Juli bis 15. September bewirtschaftet werden.
Der Besuch der Hütte hat auch, im vergangenen Jahre eine
Zunahme erfahren. Nach dem Hüttenbuche ist die Hütte von
888 Personen (gegen 835 Personen im Vorjahre) besucht
worden. Unter den 888 Besuchern der Hütte befanden sich
137 Damen. Außerdem haben mehr als 400 Führer und
Träger auf der Hütte verkehrt. Den Aufstieg zur Hütte
haben die Besucher nach dem Hüttenbuche von folgenden
Orten beziehungsweise Hütten aus angetreten: a) von Mittel¬
berg unmittelbar 612, b) von Mittelberg über den Mittags-
kogel 4, e) von Sölden (Pitztalerjöchl) 165, d) von Vent (be¬
ziehungsweise Breslauerhütte oder Taufkarjoch) 68, e) von
Hüben (Pollesjoch) 2, f) von der Taschachhütte beziehungs¬
weise vom Gepatschhause 37, zusammen: 888 Personen. Von
der Hütte aus haben die Besucher nach dem Hüttenbuche
folgende Bergbesteigungen und Jochübergänge ausgeführt:
Wildspitze 149, Innere schwarze Schneide 4, Mittagskogel 5,
Südlicher Polleskogel 11, Pitztalerjöchl 259, Taufkarjoch 98,
Mittelberg- und Gepatschjoch 23, Pollesjoch 11, Pitztaler-
kamm (Gratwanderung) 1 Person. Von der Hütte aus werden
für die Folge Hochtouren auch an Sonn- und Feiertagen
unternommen werden können, da nach r einer Mitteilung
des Engelbert Kirschner in der Kapelle von Mittelberg
während der Reisezeit Frühmessen für die Führer abgehalten
werden.

Die Edeihütte der S. Würzburg an der Ahornspitze in
den Zillertaler Alpen wurde beträchtlich erweitert und ent¬
hält jetzt 24 Betten in 12 Zimmern, außerdem ein Matratzen¬
lager mit 7 Lagerstätten. Für die feierliche Eröffnung der
vergrößerten Hütte ist der 7. August 1905 in Aussicht ge¬
nommen zugleich in Verbindung mit der hundertjährigen
Geburtstagsfeier des um die alpine Sache hochverdienten
Dr. Edelj nach dem die Hütte benannt wurde. Die Hütte
ist wie bisher durch Bräu Schneider von Zeil vorzüglich
bewirtschaftet.

Die Grelzerhütte (der S. Greiz\ deren völliger Neubau
im Herbst vorigen Jahres begonnen wurde, wird im Laufe
dieses Sommers fertiggestellt werden, so daß am 29. Juli
ihre Einweihung erfolgen wird. Die Hütte ist wesentlich
vergrößert und durchaus wohnlich eingerichtet, so daß sie
allen Anforderungen auf Bequemlichkeit entspricht. Der
Weg zur Hütte ist neu hergestellt, die Bewirtschaftung wird
schon in diesem Sommer ein neuer Wirt, der Führer
Wilhelm Kröll aus Ginzling, übernehmen, der erforder¬
lichenfalls seine Führerdienste zur Verfügung stellt. Seine
erprobte Sorgfalt, Umsicht und Zuvorkommenheit lassen er¬
warten, daß die Touristen eine behagliche Unterkunft und
vorzügliche Verpflegung finden werden. Der von der Sektion
mit erheblichen Kosten bewirkte Umbau der Hütte, welcher
von dem bewährten Baumeister Felix Wasserer in Klein¬
boden bei Fügten, durchgeführt wird, ihre herrliche Lage
am Gletscherzirkus des Floitenkeeses, die hinter der viel¬
bewunderten Lage der Berlinerhütte nicht zurücksteht, die
schöne Wanderung durch das romantische Floitental, eines
der schönsten Seitentäler des Zemmtales, werden gewiß zahl¬
reiche Besucher anlocken. Hochtouristen wie Sommer¬
frischlern kann ein Besuch der Hütte in gleichem Maße
empfohlen werden. Von Anfang Juli an wird auch während
des Umbaues nach Möglichkeit für Unterkunft und Ver¬
pflegung gesorgt werden. Gäste, die an der Einweihungs¬
feier teilnehmen wollen, werden gebeten, sich bis zum 6. Juli
bei dem Hüttenwart Herrn Kaufmann Hermann Gerhardt,
Greiz (Reuß ä. L.), Leonhardtstraße, anzumelden.

Haller Anger-Haus. DasHaller Anger-Haus der S.Schwaben
im Karwendel ist seit 8. Juni durch den seitherigen Wirt¬
schafter, Bergführer Alois Ruech, wieder bewirtschaftet.

Hütten der S. Vorarlberg. Das Freschenhaus der
S. Vorarlberg wurde am 8., die Douglaßhütte am 10. Juni
eröffnet. Das Madienerhaus und die Tilisunahütte
werden wegen ungünstiger Schneeverhältnisse kaum vor Ende
des Monats Juni eröffnet werden können.

Die Lodnerhütte der S. Meran ist ab 15. Juni durch den
Bergführer Josef Kofi er bewirtschaftet.