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Mitteilungen des- Deutschen und österreichischen Alpenvereins.
Nr. 17.
Vom Schottmalhorn im Steinernen Meere ist am 25. August
der Studierende E. Pinner abgestürzt und hat sich erheb¬
liche Verletzungen zugezogen. Er wurde durch Bergführer
nach St. Bartholomä und nach Berchtesgaden gebracht.
Unglücksfall auf dem Matterhorn. Über den Unglücks¬
fall auf dem Matterhorn, über welchen wir in der letzten
Nummer kurz berichtet haben, hat uns Herr Dr. R. Helb-
ling eine ausführliche Darstellung zur Verfügung gestellt,
der wir folgendes entnehmen: Die Herren Dr. Helbling,
Ingenieur Karl Imf eid und Artilleriemajor Heinrich Spörry
hatten, um sich entsprechend „einzugehen", am 13. August
den Pollux, 4094
m,
bestiegen und wollten dann das Matter¬
horn von der italienischen zur Schweizer Seite überschreiten.
Bei bestem Wetter wurde am 14. August zur italienischen
Matterhorn Hütte abmarschiert; da man aber vom Schwarz-
eeehotel spät aufgebrochen war, gelangte man erst bei
einbrechender Nacht zum Col du Lion, wo ganz leidlich
biwakiert wurde. Am 15. August war das Wetter nicht
mehr so günstig wie an den vorhergehenden Tagen. Da
die Gesellschaft aber eine Führerpartie (eine Dame mit zwei
Führern) bereits hoch oben in den Felsen ansteigen sah, ent¬
schloß man sich, die Tour doch auszuführen. Um 6 U. wurde
aufgebrochen, um 8 U. die italienische Hütte passiert und
bei besserem Wetter weitergestiegen. Um 2 U. kam die Ge-
eellschaft zu den Strickleitern. Das Wetter hatte sich zuletzt
rasch verschlechtert. Da aber bereits der ganze Tyndall-
grat überklettert war, entschied man sich dafür, den Gipfel
zu überklettern, da man auf der viel leichteren Zermatter
Seite rascher zu Tal kommen zu können hoffte. Während
die drei Bergsteiger hart an den Strickleitern waren, brach
plötzlich ein furchtbares Gewitter los, gegen das notdürftiger
Schutz wenig abseits von der normalen Route auf der Zmutter
Seite gesucht wurde. Das Wetter tobte von 3 U. nachmittags
bis nach Mitternacht. Alle drei wurden wiederholt von Blitz¬
schlägen getroffen, der später gestorbene'Spörry einmal so
heftig, daß er eine Zeitlang besinnungslos war. Kälte, Sturm,
Hagel und Schnee setzten dabei den Herren furchtbar zu.
Als der Morgen graute, fing es stärker zu schneien an und ein
eisiger Nordsturm setzte ein, so daß jedes Weitergehen un¬
möglich war. Zwischen 10 und 11 U. vormittags verlor
Spörry die Besinnung. Alle Versuche, ihn wieder marsch¬
fähig zu machen, waren vergebens, der Unglückliche schlief
zuletzt ruhig ein und um 3 U. nachmittags war er ohne
Kampf still entschlummert. Dr. Helbling und Ingenieur
Imf eid sicherten den Leichnam und unternahmen dann die
Überkletterung des Gipfels. Um 6 U. abends wurde der
Gipfelgrat passiert und bei Einbruch der Dunkelheit waren
die beiden bis unter die Schulter gekommen, wo zum dritten
Male, und zwar wieder bei Schneefall, biwakiert wurde. Am
17. August wurde der unter diesen Verhältnissen ebenfalls
sehr schwierige Abstieg zu Ende geführt und um 8 U. er¬
reichte Dr. Helbling, eine Stunde später Ingenieur Imfeid
das Schwarzseehotel, wo der letztere — er hatte sich an
beiden Füßen schwere Frostschäden zugezogen — sofort
sorgfältigste Pflege fand. Die Leiche Spörrys wurde dann
durch Schweizer Bergführer geborgen.
Die Hauptursaehe dieses Unglücksfalls war zweifellos
der Wettersturz von Mitte August, der ja auch in den Ost¬
alpen viel Unglück verursacht hat. Allein wenn die Herren
Helbling und Genossen am ersten Tage nicht zu spät von
Schwarzsee aufgebrochen wären, dann hätten sie doch noch
die italienische Hütte erreicht, dort nächtigen und am zweiten
Tage lange vor dem Ausbruch des den Wettersturz ein¬
leitenden Gewitters den Matterhorngipfel überschritten haben
können, während sie so durch das furchtbare Unwetter
knapp vor dem Gipfel überrascht und dann festgebannt
worden sind.
Auf dem Matterhorn durch Steinschlag verunglückt. Als
Einsender des in Nr. 16 vom 31. August veröffentlichten
Berichts über den durch einen Steinfall herbeigeführten
Tod des Herrn Regierungsrats Dr. Kath ist infolge eines
Versehens Herr P. Reuschel-Berlin genannt, während jener
Bericht von Herrn Reinhold Müller-Berlin freundlichst ein¬
gesandt worden ist, was wir hiermit richtigstellen.
Absturz von der Jungfrau. Über das schwere Unglück
auf der Jungfrau, von dem wir in der letzten Nummer kurz
berichtet haben, wurde noch gemeldet, daß die drei Verun¬
glückten, der Arbeiter E. Biedermann aus Wien, der Bild¬
hauer Lehmkuhl aus München und H. Lehmann, Schreiner
aus Luzern, geübte und erfahrene Bergsteiger gewesen sein
sollen. Der Absturz erfolgte angeblich beim Abstiege auf
der Rottalseite, die Absturznöhe wurde sehr verschieden an¬
gegeben, sie ist jedenfalls eine ganz bedeutende gewesen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist auch in diesem Falle der
plötzliche schwere Umschlag des Wetters die Ursache der
Katastrophe gewesen. . .
Allerlei.
König Friedrich August von Sachsen auf dem Triglav. König
Friedrich August von Sachsen hat am 28. August den
Triglav bestiegen. Der Vorstand unserer S. Villach, Herr
J. Aichinger, welchem die Ehre zuteil wurde, den König
begleiten zu dürfen, berichtet hierüber wie folgt: Der König,
sein Flügeladjutant, Oberst v. Wilucki und Kammerdiener
Vollbrecht kamen am 26. August 5 U. 10 nachmittags nach
Wocheiner Feistritz, wo ich am Bahnhof den König er¬
wartete. Wir fuhren nach St. Johann am Wocheinersee und
übernachteten im dortigen Hotel. Am 27. August gingen
wir von Mitterdorf über den neuen, sehr schönen Alpenverems-
weg zur Maria Theresia-Hütte, wo übernachtet wurde. Der
König war entzückt von den herrlichen Bildern und machte
zahlreiche photographische Aufnahmen. In der Hütte fand
es der König sehr gemütlich, war mit allem zufrieden und
schlief ganz vorzüglich. Am 28. stiegen wir um 5 U. 30 früh
zur Spitze auf und blieben dort eine Stunde; es war pracht¬
volles Wetter bei wolkenlosem Himmel. Den Abstieg nahmen
wir über den Gletscher zum Deschmann Hause. Der Vor¬
stand der S. Krain, Herr Dr. Roschnik, begegnete uns beim
Abstieg von der Spitze und wurde von mir dem König vor¬
gestellt. Der König äußerte sich sehr befriedigt und erklärte
die Tour als die schönste, die er je gemacht. Die gro߬
artigen Weganlagen fanden seine Bewunderung. Er ging
sehr gut, vollkommen unerschrocken und nahm keine Seil¬
hilfe in Anspruch. Die Kletterstellen wurden alle vom
Könige photographiert. Beim Deschmann Hause blieb der
König bis 12 U. Mittag und wir, stiegen dann durch das Kot¬
tal nach Mojstrana ab, wo in Smerc' Gasthaus das Mittag¬
essen eingenommen wurde. Um 6 U. 36 erfolgte die Abreise
nach Tarvis. Der König war während der Tour stets sehr
liebenswürdig, anspruchslos und immer lustig und voll
Humor. In den Hütten schrieb er stets: „Friedrich August,
König von Sachsen, D. u. Ö. A.-V." in die Bücher ein.
Aus den Ampezzaner Dolomiten. Die strengen militärischen
Bestimmungen, welche bisher aus strategischen Rücksichten
beim Besuche der Gipfel im Umkreise des Forts Tra i Sassi
bei Cortina (Sasso della Stria, Kleiner Lagazuoi, Castello etc.)
in Kraft waren, haben insoferne eine für die Touristenwelt
sehr angenehme Änderung erfahren, als das Verbot des Be¬
suchs dieser Gipfel aufgehoben wurde. Eine einfache Mel¬
dung in dem genannten Fort genügt in der Folge, um die
im Rayon des k. k. Forts Tra i Sassi gelegenen Bergspitzen
unbehindert besuchen zu können. Das Photographierverbot
bleibt natürlich aufrecht.
Die Punta Emma im Rosengarten, ca. 2500 m. Der präch¬
tige Blick von der Vajolet Hütte zu den Vajolettürmen
und ins „Gartl" mit den neugierig hereinlugenden Zacken
der Laurinswand wird linksseitig begrenzt von einem mit
einer kolossalen, steilen Wand abstürzenden Ausläufer des
Rosengartenhauptstocks, der nach seiner Erstersteigerin
Emma Della Giacomo „Punta Emma" genannt wird. Die
Besteigung dieses Ausläufers von ca. 2500
m
Höhe kann
Kletterfreunden angelegentlich empfohlen werden; sie ist auf
zwei Wegen möglich: einmal von der die Punta Emma vom
Rosengartenmassiv trennenden Scharte in nicht zu schwie¬
riger, hübscher Kletterei. (Von der Hütte ca. l
1
^ St.) Auf
diesem Wege wurde ßie überhaupt zum ersten Male von
dem bekannten Dolomitenkletterer G. B. Piaz im Jahre 1899
und dann unter seiner Führung von der genannten Italienerin
im August 1900 erklettert. Seither wurde sie nur noch sieben¬
mal erstiegen, darunter im August 1906 zum ersten Male
führerlos von E. Kronstein-Wien und dem Unterzeichneten.
Die zweite Anstiegsmöglichkeit bietet eine Klettertour
ersten Rangs. Die der Vajolet Hütte zugekehrte, so im-
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