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Mitteilungen des Deutschen und österreichischen Alpen Vereins.
Nr. 15.
aussprechen, daß wir in Paul Grohmann nicht nur
einen der Mitgründer unseres Vereins und einen der
eifrigsten Mitarbeiter desselben gerade in der ersten
Jugendzeit unserer großen Vereinigung verehren,
sondern daß wir jederzeit aus der Schar jener Männer,
die als wirkliche Erschließer in die damals noch fast
völlig jungfräuliche Alpenwelt eindrangen, Paul Groh¬
mann als einen der allereifrigsten und erfolgreichsten
Bahnbrecher in den Ostalpen hochhalten werden.
Eine überaus große Zahl der hervorragendsten Gipfel
hat Grohmann als Erstersteiger betreten. In allen
Teilen der Ostalpen hat er seine erfolgreiche Tätig¬
keit entfaltet, die eine wirkliche, wahrhafte Erschließer¬
tätigkeit war. Ganz besonders war aber die vordem
fast völlig unbekannt gewesene „märchenhafte Felsen¬
welt der Dolomiten" das Feld seiner rastlosen, kühnen
und an Erfolgen so reichen Forscherarbeit und wenn
irgendwer verdient, der „Erschließer der Dolomiten"
genannt zu werden, so ist dies Paul Grohmann. Sein
Andenken wird in unserem Vereine unentwegt fort¬
leben. Sein Bild möge allen vorschweben als das eines
Mannes, der mit ungewöhnlicher Begeisterung für die
Schönheit der Alpenwelt und mit größter Leistungs¬
fähigkeit eine ebenso große Bescheidenheit vereinigte.
Das neue Karwendel-Haus auf der Hochalm.
Von Georg Brendel in München.
„Gott sei Dank!" werden alle Alpinisten aus¬
rufen, die jemals auf einer Karwendeltour in der
alten Hochalm genächtigt haben und dort die un¬
verfälschte Ursprünglichkeit einer Sennenwirtschaft
zu kosten bekamen! Umsonst sträubten sich die
grobgenähten Bergstiefel, den glitschrigen Belag des
Kuhstalls zu durchwaten und auf nicht minder
speckiger, schwankender Leiter unter das Dach zu
klettern. Umsonst auch versuchte der Tourist eine
Ähnlichkeit zwischen dem. spärlichen Streuhaufen und
einem molligen Heulager sich vorzutäuschen und ins
Reich der Träume zu entschlüpfen, wo es keine
kalten Füße gibt und kein Stallvieh, das sich an
dem mit Unrecht so beliebten Glockenspiele auf der
Alm ergötzt, gleichsam als wollte es durch sein
energisches Schütteln des Kopfes dem Asylgenossen
unterm Dache begreiflich machen, daß eine repu-
tierliche Milchkuh niemals jene Abfälle zu fressen
braucht, auf denen man müde Wanderer bettet. Und
doch war es ein „kostbares" Lager dort im Kuh¬
stall; denn im gleichen Maße, wie die alte Hochalm
hinter dem bescheidensten Komfort menschlicher
Ansiedlungen zurückstand, im gleichen Maße war
der Senn in seinen Preisen für Kost und Logis
unserer Zeit voraus.
„Gott sei Dank!" werden diese Alpinisten sagen
in der frohen Erwartung, dort oben auf der Hoch¬
alm nunmehr ein stattliches Haus anzutreffen mit all
den wohnlichen Einrichtungen, die unsere neueren
Alpenvereinshütten auszeichnen und sie zu einer
Stätte der Behaglichkeit, des wunschlosen Geborgen¬
seins stempeln.
„Gott sei Dank!" sagen auch aus tiefstem Herzen
die Mitglieder der Sektion Männerturnverein
München, welche die Ausführung dieses alpinen
Baus unternommen und die Opferwilligkeit ihrer Mit¬
gliedschaft dabei auf eine scharfe Probe gestellt hat.
Die Sektion besteht jetzt seit 5*/
2
Jahren; davon
treffen P/g Jahre auf die Vorbereitung, 4 Jahre auf
die Ausführung des Hausbaus. Auf mindestens
72.000 Mark (85.000 Kronen) wird der Bau samt
Einrichtung zu stehen kommen. Die Beisteuer des
Gesamtvereins beträgt insgesamt 16.000 Mark. Die
Sektion hat die übrigen 56.000 Mark aus Eigenem
aufgebracht — eine gewaltige Ziffer für eine junge
Sektion!
Das Haus verrät in seiner heutigen fertigen
Gestalt nicht mehr die Schwierigkeiten, die sein
Entstehen bereitet hat. Der Platz, auf dem das
Haus steht, mußte künstlich geschaffen, d. h. aus
dem Fels gesprengt und nach vorn aufgeböscht
werden. Es war rund 4000 Kubikmeter Felsmasse
abzusprengen, eine Aufgabe, wie sie in der Ge¬
schichte alpiner Hüttenbauten bisher einzig dasteht
und wohl auch voraussichtlich nicht nachgemacht
wird; denn der Spaß kostete der Sektion zwei volle
Baujahre und runde 10.000 Mark, dem Akkordanten
eine Zubuße von vielleicht 4000 Mark.
Ein Kauf mann würde sagen: „Diese Etablierungs-
kosten sind Teichlich groß!", und sie sind es auch.
Es wäre die Sache billiger gekommen, wenn das
Haus statt am Fejshange auf dem Weideboden der
Hochalm errichtet worden wäre. Aber der Felshang
gehört dem Ärar. Die ganze Hochalm, groß genug
um eine ganze Stadt darauf zu bauen, ist herzoglich
Coburgscher Besitz und für baubeflissene Sektionen
ein „Rührmichnichtan!" Daran scheiterten alle Be¬
mühungen einer Anzahl von Schwestersektionen, die
in den vergangenen 30 Jahren die Errichtung eines
Unterkunftshauses auf der Hochalm sich zum Ziele
setzten.
Wenn jemals ein Hospiz für Alpinisten im Wir¬
kungsbereiche des D. u. Ö. Alpenvereins als Bedürf¬
nis empfunden wurde, so war es dieses auf der
Hochalm im Karwendel. Der zwischen der Vorderen
Karwendel- und Hinterautaler Kette sich einsphiebende
Querriegel des Hochalmsattels, 1800
m,
ist der natür¬
liche und kürzeste Ausgangspunkt für eine ganze
Anzahl mäßig schwieriger Hochtouren, so vor allem
auf den Hauptgipfel und die prächtige Aussichts¬
warte des Karwendeis: die Birkkarspitze, 2756 m,
deren Ersteigung von hier aus dank dem neuan¬
gelegten Steige in etwa drei Stunden erfolgen und
zu einem hochalpinen Übergänge auf gebahntem
Wege vom Karwendel-Hause zum Halleranger-Hause
der S. Schwaben ausgedehnt werden kann.
Als „Hüttenberge" des Karwendel-Hauses kommen
noch in Betracht (in der Hinterautaler Kette) die
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