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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.35 (1909)
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Mitteilungen des Deutschen und österreichischen Alpenvereins.

Nr. 11.

Weganlage setzt dann anfänglich über Geröll, später auf Gras*
halden fort zur Zirmbacher Alpe. Auf dieser Strecke trifft sie
dann mit dem über das Kreuzjoch von Stams und unterhalb
der Zirmbacher Schäferhütte mit dem von der Flaurlinger
Scharte nach Kühtai leitenden Wege zusammen. Von dieser
weit bekannten Sommerfrische führt dann ein Weg in west*
licher Richtung durch das Nedertal an dem Stuibenfall vorbei
ins Untere ötztal, ein zweiter in südlicher Richtung, der Gu*
bener Weg («Mitteilungen» 1909, Nr. 5, S. 70), zur Finstertaler
Scharte usw. (vgl. auch «Tiroler Verkehrs* und Hotelbuch»
1909, III. T S. 72).

Mein kurzer Bericht hat seinen Zweck erreicht, wenn sich
eine recht stattliche Zahl Naturfreunde durch ihn angeregt
finden würde, ein bisher wenig bekanntes, herrliches Stück
Tiroler Land, das von einer echt deutsch gesinnten Bevölke*
rung bewohnt ist, zu besuchen und kennen zu lernen. Sie
werden überall herzlichst aufgenommen und ebenso befriedigt
sein. Zum Schlüsse sei noch angefügt, was eine Münchner Zei*
tung im Jahre 1907 schrieb: «Die Neuburger Hütte dürfte für
Innsbruck ungefähr dieselbe Bedeutung haben wie
Vorderkaiserfelden für München.» Möchten doch diese
Worte in Erfüllung gehen I

Johann Stüdl.

(Ein Gedenkblatt zu seinem 70. Geburtstage [27. Juni 1909].)

Von Dr. A. Dreyer in München.

Vor 40 Jahren (am 9. Mai 1869) wurde in München das
Samenkorn zu dem mächtigen Baume gelegt, der nun seine
Äste über alle Gauen in Deutschland und Österreich dehnt, wo
begeisterte Freunde unserer Ostalpen wohnen. Von den vier
Gründern des «Deutschen Alpenvereins», Senn,Trautwein,
Hof mann und Stüdl, weilt der letztere, schaffensfroh und
der alpinen Sache in altbewährter Treue ergeben, in unserer
Mitte, und wenn im September dieses Jahres bei der heurigen
Generalversammlung des D. u. ö. Alpenvereins in Wien dieser
bedeutsame Gedenktag festlich begangen wird, dann soll ihm
lauter Jubel verkünden, daß die heutige Bergsteigergeneration
mit heißem Danke sich noch derer erinnert, die einst an der
Wiege unseres stolzen Bundes standen.

Im Gegensatz zu Paul Grohmann, einem der drei Väter des
österreichischen Alpenvereins, der sich schon nach einigen
Jahren von jeglicher Vereinstätigkeit zurückzog, widmete Stüdl
seine nimmermüde Arbeitskraft von 1869 bis heute sowohl dem
Gesamtvereine wie auch der von ihm im Mai 1870 ins Leben
gerufenen Sektion seiner Heimatstadt Prag, die ihn, ihren vor*
trefflichen Obmann und Gründer, anläßlich ihres 25 jährigen
Stiftungsfestes zu ihrem (einzigen) Ehrenmitgliede ernannte.

Als Schüler des Kleinseitner Gymnasiums in Prag schloß
er mit den damals in der böhmischen Hauptstadt lebenden,
fast gleichalterigen Brüdern Karl und Max Haushof er innige
Freundschaft und mit ihnen unternahm er auch im August
1857 von der lieblichen Chiemseeinsel Frauenwörth aus, dem
Sommersitze ihres Vaters, seine erste Bergtur nach der leicht
zu besteigenden Kampenwand. Karl Haushofer und ein
weiterer Schulfreund, Karl Rüben, waren auch 1864 seine
Begleiter bei dem ersten Übergange vom Schwarzenstein*
gletscher ins Ahrntal. Auf seinen Bergfahrten 1867 lernte er
im ötztal den Kuraten von Vent, Franz Senn, und den
Schweizer Joh. Jak. Weilenmann, «den Vater der Führer*
losen», kennen, mit dem er die Wildspitze, Kreuzspitze und
Weißkugel bezwang. Im Sommer jenes Jahrs kam er auch
nach Kais, das damals in der Turistenwelt fast gänzlich un*
bekannt war und das ihm als Glocknerstation vorzüglich ge*
eignet erschien. Sein ersprießliches Wirken daselbst zur
Hebung des Fremdenverkehrs, das die Gemeinde, wie später
auch Matsch, durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts be*
lohnte (die Erbauung der Stüdlhütte auf der Vanitschscharte

1868 und die Anlage eines neuen Kaiser Glocknerwegs, des
Stüdlwegs, aus eigenen Mitteln) lebt ja in aller Erinnerung.

In Karl Hof mann fand er einen ebenbürtigen Bundes*
genossen und die Verdienste dieser alpinen Dioskuren hin*
sichtlich der Erschließung des Glocknergebiets im Sommer

1869 kennzeichnet Ruthner mit den Worten: «Im ganzen
wurden drei neue, noch nie begangene Pässe gemacht, drei*
zehn Gipfel, darunter fünf bisher unerstiegene, erklommen. Ge*
wiß ist, daß jetzt nach Hofmanns und Stüdls Forschungen
keine Gletschergruppe so gekannt ist wie die Glocknergruppe.»
Die wertvollen Ergebnisse ihrer kühnen Glocknerfahrten hatten
die beiden aufs innigste miteinander verbundenen Freunde
schriftlich niedergelegt, und als Karl Hofmann am 1. Sep*
tember 1870 den Heldentod fürs Vaterland starb, veröffent*
lichte Stüdl im Band II der «Zeitschrift des Deutschen Alpen*
Vereins» diese gemeinsam verfaßte Monographie unter dem
Titel «Wanderungen in der Glocknergruppe», die bei allen

Bergfreunden freudige Aufnahme fand, nebst einem tief*
empfundenen Nekrolog auf den «unvergeßlichen Freund und
treuen Reisegefährten».

Der «Glocknerherr», wie Stüdl von den dankbaren Kaisern

genannt wurde, sorgte aber auch für durchgreifende Ver*
esserung der Verpflegungsverhältnisse und des Führerwesens
in Kais und später auch an anderen Orten der Ostalpen. Ihm
war es weniger darum zu tun, reiche Bergsteigerlorbeeren
durch Bewältigung bisher jungfräulicher Gipfel einzuheimsen,
als vielmehr den Hochturisten, die auf gleichen Pfaden nach
ihm kamen, die Wege nach Möglichkeit zu ebnen und einzelne
unbekannte Gebiete für den Fremdenverkehr zu eröffnen. Als
Alpinist war er kein so schneidiger Draufgänger wie Hermann
von Barth; er ließ es im Gegenteil nie an der nötigen Vor*
sieht fehlen und wußte genau, wieviel er seiner Kraft zutrauen
konnte.

Ein kleines Bild seiner alpinen Leistungsfähigkeit gibt
u. a. seine anregende Schilderung der mit Karl Hofmann
im Juli 1869 ausgeführten 18 stündigen Wanderung über die
Untere ödenwinkelscharte ins Fuschertal im Band I der «Zeit*
schrift des Deutschen Alpenvereins». 1

Für den ihm zu früh entrissenen Wandergenossen und
Herzensfreund fand er einen trefflichen Ersatz in Professor
Eduard Richter in Salzburg, mit dem er im August 1871
mehrere höchst beachtenswerte Hochturen in der Venediger*
und Rieserferner*Gruppe unternahm, so die erstmalige Be*
wältigung der Schlieferspitze; doch betrachteten die beiden
die mühevolle (II.) Besteigung des Hochgall als die Krone
ihrer damaligen turistischen Leistungen.

Inzwischen hatte Stüdl nach Beendigung seiner Studien
an der Oberrealschule und polytechnischen Schule in Prag das
Geschäft seines Vaters übernommen und sich mit einem
liebenswürdigen, für die alpine Sache begeisterten Mädchen
vermählt. Die Hochzeitsreise des jungen Paares im September
1872 ging direkt (von Prag aus) in das Venediger* und Glockner*
gebiet, und er wohnte hier der feierlichen Einweihung der
Clarahütte im Umbaltale bei. Auf seinen weiteren Bergfahrten
tritt der Pfadfinder Stüdl hinter dem Pfadebner zurück, unter
dessen Schritten — nach dem Urteil Eduard Richters— «seit*
her überall in den Alpen nützliche Werke in unübersehbarer
Reihe aufsprießen».

Diese seine Tätigkeit bewegt sich jedoch im Rahmen unseres
von ihm mitbegründeten Alpenvereins. Gleich dem Kuraten
Senn suchte er noch in letzter Stunde — allerdings vergeblich —
den Österreichischen Alpenverein zum Anschluß an den neuen
Bund zu bewegen und mit Senn wohnte er der Gründungs*
Versammlung desselben in München bei und war Mitunter*
Zeichner der beiden Aufrufe, die die deutschen Alpenfreunde
zum Beitritt und zur Bildung von Sektionen aufforderten.
Seinen rastlosen, vor mancherlei Schwierigkeiten nicht zurück*
schreckenden Bemühungen gelang es auch, am 19. Mai 1870
in seiner Heimatstadt eine Sektion zu begründen, deren Mit*
gliederzahl nun von 36 auf über 600 gestiegen ist. Für Prag,
wo das Deutschtum und die alpine Sache, die sich von jenem
nicht trennen läßt, fast stetig harte Kämpfe zu bestehen haben,
bedeutet dieser erfreuliche Zuwachs an Mitgliedern weit mehr
als für reichsdeutsche oder deutschösterreichische Gebiete, in
welchen sich die Entwicklung der alpinen Vereinstätigkeit