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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.35 (1909)
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Nr. 11.

Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.

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ohne jegliche Hemmung vollziehen kann. Trotz ihres ver*
hältnismäßig geringen Mitgliederstandes entfaltete die S. Prag
eine außerordentlich rührige Tätigkeit, so daß sie in dieser
Hinsicht zweifellos einen der ersten Plätze unter unseren Alpen?
Vereinssektionen einnimmt. Schon im Jahre 1894 wird in
der «Geschichte des D. u. ö. Alpenvereins» hervorgehoben:
«Die S. Prag besitzt wohl das größte Arbeitsgebiet; in den be*
deutendsten Gruppen der Ostalpen begegnen wir ihrer Tätig*
keit.» Der Löwenanteil an dieser Wirksamkeit gebührt jedoch
unstreitig ihrem allzeit opferwilligen und arbeitsfreudigen
Obmann Stüdl und auf jedem Blatt der Sektionsgeschichte
ist sein Name in leuchtenden Zügen geschrieben. Schon ein
flüchtige* Blick in die zum 25jährigen Bestehen der S. Prag
von Dr. M. Hammerschlag verfaßte Festschrift zeigt dies
zur Genüge. Die wahrhaft ideale Begeisterung für die alpine
Sache, die ihn durchglühte, wußte Stüdl auch in den Herzen
anderer zu entzünden; darin ruht das Geheimnis seiner Er?
folge als Sektionsvorstand.

Noch höher aber steht sein Wirken im unmittelbaren
Dienste des Gesamtvereins.

Daß unser Alpenverein schon frühzeitig einen seiner wich*
tigsten Programmpunkte verwirklichen konnte, die Bereisung
der Deutschen Alpen durch Weg* und Hüttenbauten zu er*
leichtern, so daß seine Daseinsberechtigung auch dem schlich*
testen Laienverstande einleuchtete, das verdankt er vor allem
Männern von eminent praktischer Begabung, wie Stüdl, die
ihr ganzes Wissen und Können bereitwillig in seinen Dienst
stellten. In Stüdl besitzt unser Verein einen Weg* und Hütten«
baumeister ersten Rangs, der die Bautätigkeit des Vereins in den
ersten Jahren fast ausschließlich leitete und dessen bewährter
Rat auch heute noch bei den praktischen Unternehmungen
des D. u. Ö. Alpenvereins eingeholt wird. Er ist der Erbauer
der ersten Unterkunftshütte in den Ostalpen und der praktische
Bahnbrecher der Erschließung unserer Alpen. «Es war selbst*
verständlich, daß Stüdl auch bei allen organisatorischen Fragen
auf diesem Arbeitsfelde das maßgebende Wort sprach, wie er
auch der erste war, der in einer trefflichen Abhandlung (Zeit*
schrift 1877) die Grundsätze für den Hüttenbau festlegte, die
auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen.» (Zeitschrift 1894.)
Diese Grundsätze finden sich in der unter seiner Leitung be*
arbeiteten, 1879 genehmigten «Weg* und Hüttenbauordnung»
und seine verdienstliche Tätigkeit in dem 1888 eingesetzten
«Weg* und Hüttenbauausschusse» braucht wenigstens den
älteren Mitgliedern unseres Alpenvereins nicht erst noch zer*
gliedert zu werden.

Auch die Organisation des Führerwesens nahm er schon
frühzeitig in die Hand. Der Entwurf einer Bergführerordnung
für Tirol, die Sorge für bessere Ausrüstung der Führer, die
Gründung von Führervereinen etc., all das ist sein Werk.

Aber auch am übrigen Vereinsleben nahm Stüdl stets
warmen Anteil. Seine innige Freundschaft mit Eduard Richter
seit 1871 ward auch dem D. u. ö. Alpenverein zum Heile. Ein
rezer brieflicher Austausch, in dem ausschließlich Vereinsan*
gelegenheiten behandelt wurden, entstand zwischen beiden. In
wichtigen Fragen wollte jeder die Meinung des andern hören.
Ein «Salzburger Brief» war immer ein «Festtag» für Stüdl,
und am 25.November 1881 schreibt er dem erprobten Freunde:
«Mit niemand bin ich so innig verknüpft und verwachsen in

treuer Freundschaft und alpiner Hinsicht wie mit Dir. Wenn
Du Dich ganz zurückziehen wolltest von der alpinen Sache,
käme ich mir vor wie ein Kahn ohne Steuer.»

Überall bekundete Stüdl einen weitschauenden Blick und
praktische Erfahrung sowie eine nie erlöschende Liebe zur
alpinen Sache und dem eifrigsten Vertreter derselben, dem
D.u.ö. Alpenverein. «Du weißt,» gesteht er Eduard Richter
1882, «wie ich dem Verein ergeben bin, er bildet ja die gute
Hälfte meines ganzen Denkens, Fühlens, meiner ganzen Arbeit
sogar.» Wie ein treuer Eckart wachte er über den Verein und
machte, namentlich in der ersten Zeit, seinen ganzen Einfluß
geltend, daß auch die rechten Männer an die Spitze desselben
kamen. Meinungsverschiedenheiten wußte er hier nicht selten
geschickt zu beseitigen und bestehende Gegensätze auszu*
gleichen. In der Fusionsfrage trat er mit voller Entschieden*
heit für die Verschmelzung des Deutschen und des österr.
Alpenvereins ein und die vorzeitige Vereinigung der Publi*
kationen der beiden großen ostalpinen Verbände 1872 be*
zeichnete er seinerzeit als «Übereilung», als einen schweren
«Mißgriff».

Welche Opfer an Zeit und Geld er unserm Alpenvereine
während der 40 Jahre seines Bestehens brachte, läßt sich nicht
mit ein paar dürren Worten sagen. Auf seine Kosten ließ er
noch eine weitere Vergrößerung der nach ihm benannten
Hütte in der Glocknergruppe vornehmen und nach seinen
Entwürfen wurden die jüngsten Umbauten, bezw. Erwei*
terungen einzelner Hütten der S. Prag in letzter Zeit durch*
geführt, und zwar nach persönlichen Verhandlungen mit den
betreffenden Baumeistern. Ebenso kaufte er das Mobiliar für
sämtliche Hütten der S. Prag selbst an und leitete die Durch*
führung der Weganlagen dieser Sektion persönlich. Wenn
man erwägt, daß dabei auf seinen Schultern noch die Last
einer ausgedehnten geschäftlichen Tätigkeit ruht, so kann man
seiner erstaunlichen Arbeitskraft und seinem Bienenfleiße
volle Bewunderung nicht versagen.

Stüdl ist eine liebenswürdige und bescheidene Natur, ein
treubesorgter Familienvater, ein großer Wohltäter der Armen,
ein energischer Verfechter des Deutschtums in seiner Heimat*
stadt, ein lauterer, für alles Hohe und Edle begeisterter Cha*
rakter, der sich die wärmste Zuneigung aller derer erwarb, die
mit ihm in näheren Verkehr traten und seine vortrefflichen
Eigenschaften schätzen lernten.

Mancherlei Auszeichnungen wurden ihm im Laufe der Jahre
zuteil. Er ist u. a. kaiserlicher Rat, Hoflieferant, Vorstandsmit*
glied verschiedener gemeinnütziger und wissenschaftlicher Ver*
eine in Prag sowie Ehrenmitglied der Alpenvereinssektionen
Prag, TeplitzsNordböhmen, Dresden und Hannover. Seine
Verdienste um die Erschließung des Ortlergebiets wurden im
Sommer 1897 durch die feierliche Enthüllung einer Gedenk*
tafel in Sulden an der Stelle, wo der Weg von der Straße zur
Payer*Hütte abzweigt, in würdiger Weise geehrt.

Trotz seiner 70Jahre fühlt Stüdl noch kein Ruhebedürfnis;
bei seiner arbeitskräftigen und schaffensfreudigen Natur wäre
es ihm unerträglich, sich schon jetzt in das «Austragsstübchen»
zurückzuziehen. Mögen ihm — das ist der Wunsch seiner zahl*
reichen Freunde zu seinem Jubelfeste — noch viele Jahre
gleich ersprießlichen Wirkens wie bisher beschieden sein, auch
zum Segen unseres Alpenvereins!

Verschiedenes.

Weg* und Hüttenbauten.

Die Ansbacher Hütte, 2380 m (der S. Ansbach), in den
Lechtaler Alpen wird vom 28. Juni ab wieder bewirtschaftet.
> Die BettelwurfsHütte der S. Innsbruck, 4 St. nördlich von
Hall, wird vom 20. Juni an wieder bewirtschaftet (Wirtschaf*
terin Fräulein Rosa Daxenbichler). In der Hütte ist eine
k. k. Postablage. — Am 25. Mai wütete im Waldgebiete unter*
halb der Hütte ein verheerender Brand, der auch die Bettel*
wurf*Hütte bedrohte.

Die Franz Sennstte der S. Innsbruck (5 r / 2 bis 6 St. von
der Bahnstation Fulpmes im Stubaitale), welche bei Benützung
des an Sonn* und Feiertagen während der Monate Juni, Juli,
August und der ersten Hälfte des Septembers in Innsbruck
um 5 U. 07 früh abgehenden Zugs der Stubaitalbahn das Ziel

eines schönen Tagesausflugs von Innsbruck aus bildet, ist vom
20. Juni an wieder bewirtschaftet (Wirtschafter Michael Eg*
ger). In der Hütte ist eine k. k. Postablage. Am 27. Juni mit*
tags findet die feierliche Eröffnung des 1908 fertiggestellten
Zubaus statt. Durch diesen Zubau wurde die Hütte so ver*
größert, daß sie auch für stärkeren Turistenverkehr hinläng*
lieh Raum bietet. Die Hütte ist auf bequemem Saumwege von
Stubai aus für jedermann leicht erreichbar, bildet an sich ein
schönes Wanderziel und ist ein sehr günstig gelegener Stand*
ort für Eis* und Feisturen im nördlichen Aste der Stubaier
Gebirgsgruppe sowie für lohnende Übergänge in das ötztal
(Amberger Hütte) und nach Seilrain. Turisten, die an der
Hütteneröffnungsfeierlichkeit am 27.Juni teilzunehmen beab*
sichtigen, werden ersucht, dies womöglich vorher der S. Inns*
brück anzuzeigen, damit die nötigen Vorkehrungen getroffen