Nr. 9.
Mitteilungen des Deutschen und österreichischen Alpenvereins.
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mit stetiger Abwandlung, die es gibt: unter Anpassung an die
Helligkeitsreihe (helle Farben springen vor, dunkle sinken
ein) und an die Sättigungsreihe (satte Farben springen vor,
matte sinken ein). Bei der Ineinanderfügung der Farben sind
zugleich noch drei Gesetze beobachtet worden: 1. Verwendung
der Natur färben (darum istz. B. Blauaus der spektralen Reihe
der Höhenstufen ausgeschieden; es bleibt dem Wasser reser*
viert), 2. Vermeidung der optischen Umstülpung (es
sind die Farben vermieden, bei denen ein Widerstreit der op*
tischen Eindrücke stattfinden könnte; das ist wieder Blau:
sattes Blau sinkt ein, statt hervorzutreten
I)
und 3. die stufen*
weise Steigerung. Violett ist noch ausgeschieden, weil es
einen Farbstoff mit dem Brechungsexponenten von Spektral«
violett nicht gibt. Auf der Dolomitenkarte wird darnach das
Gelände von unten nach oben durch die folgenden 15 Stufen
bezeichnet: Grau, Grüngrau,Graugrün, Blaugrün, Grün, Gelb*
grün, Grüngelb, Gelb, Orangegelb, Gelborange, Braunorange,
Orange, Rotorange, Orangerot, Rot.
Außer der genannten Dolomitenkarte ist inzwischen noch
eine zweite Karte in der Pe ucker sehen Art ausgeführt wors
den: eine Karte der Umgebung von Turin.* Neu ist im
gebirgigen Teile dieser Karte die Darstellung von Firn und
Gletschern. Sie sinken von Weiß über Blaugrün nach Graugrün
hinab.
Mein eigenes Urteil über die Peuckersche Darstellungss
art habe ich bei Gelegenheit der Besprechung der in der Ans
merkung genannten Schrift Dr. Peuckers schon in kleinerem
alpinen Kreise ausgesprochen,** damals noch, ohne eine
Ahnung davon zu haben, daß sich gleichzeitig auch der Aus*
schuß für Luftfahrerkarten mit der Karte beschäftigte. Die
Karte von Turin, die mir vor Weihnachten zuging, hat mich
in meiner Ansicht noch bestärkt. Die Plastik der Peuckers
sehen Karte ist überraschend. Auf der Turiner Karte sprins
gen einem die Felsgrate förmlich in die Augen. Mit einem
Blick überschaut man die Täler bis in die feinsten Verzweis
gungen, die vor Steilstufen enden oder über Einsattlungen
hinweg nach anderen Tälern weisen. Auch die Gletscher fügen
sich dem Ganzen prächtig ein. Das Weiß ihres oberen Teils
springt teils vor, und die graugrünen Gletscherzungen
sieht man förmlich in die Täler hinabhängen. Die Tatsache,
daß die Skala aus vielen einzelnen, deutlich von einander
unterscheidbaren Stufen besteht, ermöglicht ein sehr rasches
und dabei doch ziemlich genaues Ablesen und Vers
gleichen der Höhen. Was ich nach der Dolomitenkarte
fürchtete, daß bei der Darstellung höherer Gebirge die Hau*
fung von Orange und Rot angreifend für das Auge wirken
könnte, ist bei der neuen Karte nicht eingetroffen. Das Rot
der Gipfel übt im Gegenteil mit der Farbe der Gletscher eine
* Für den internationalen Luftschiffertag in Rom Ende
November 1911 hergestellt. Bis jetzt liegt nur erst in einigen
Exemplaren ein noch unfertiger Probedruck vor unter dem
Titel: »Saggio di rappresentazione del terreno ad uso della
Navigazione Aerea secondo la plastica del Dr. K. Pe ucker.»
(Auftraggeber der Karte: Kartographische Anstalt de Agostini
in Novara.)
** Vgl. «Ö. A.*Z.» 1911, Nr. 836 vom 20. Juni und Nr. 843
vom 5. Oktober.
ungemein wohltuende Wirkung auf das Auge aus. Meines
Erachtens sind die Pe ucker sehen Karten nicht bloß vorzüg*
liehe Luftfahrerkarten, sondern bezeichnen überhaupt einen
großen Fortschritt in der Kartographie. Ich bin über«
zeugt, daß sie bahnbrechende Bedeutung haben, vor allem
für die Darstellung gebirgigen Geländes.
Da die Peuckersche Darstellungsart, weil sie etwas ganz
Neues bringt, hier und da auf Mißtrauen oder gar Anfeindung
stößt, füge ich für die, denen mein Urteil in dieser überaus
wichtigen Sache nicht maßgebend erscheint, einige Ur*
teile anderer hinzu. Auf dem Luftfahrertag in Breslau im Ok*
tober 1911 hat eine große Versammlung von Luftfahrern die
Peuckersehen Ideen mit Begeisterung aufgenommen. Auch
die Turiner Karte hat auf dem internationalen Luftfahrertag
in Rom (Ende November 1911) großen Beifall gefunden. Als
Beweis dafür, daß die Mitglieder des Kartenausschusses für
Deutschland die Eignung der Pe ucker sehen Karte für Luft*
schifferzwecke rückhaltslos anerkennen, will ich zwei Urteile
anführen, die ich mir persönlich schon vor Weihnachten für
den vorliegenden Aufsatz erbeten habe: Herr Prof. Dr. Bam=
ler
in Essen (Vorsitzender der Kommission für Deutschland)
schrieb mir: »Ich betrachte die Peuckersehen Karten als die
idealsten, die wir für Luftschifferzwecke haben können. . . .
Die Lösung der Frage finde ich geradezu glänzend», und Herr
Hauptmann Dr. Hildebrandt in Berlin (Vorsitzender der
Internationalen Kartenkommission) antwortete mir: «Ich halte
die Karte von Herrn Dr. Peucker für das Beste, was bisher
auf diesem Gebiete geleistet ist, und ich hoffe sehr, daß man
sein Verfahren sowohl in Deutschland, als auch im Auslande
bald annehmen wird.» Selbst Leute, die die Eignung der
Peuckerschen Karte für Luftfahrerzwecke noch nicht zu*
geben, zollen ihr unverhohlene Anerkennung. So hat kürz«
lieh Dr. Gasser in einem Vortrage geäußert: «Peuckers
Karte ist eine topographische Leistung.»
Die deutsche Kommission hat Dr. Peucker bereits um die
Herstellung einer Probekarte deutschen Gebiets (Teutoburger
Wald mit angrenzendem Tiefland) gebeten, und auch die öster*
reichische Kommission strebt die Herstellung einer Probekarte
in der Peuckerschen Art an (Becken von,Wien mit Wiener
Wald und einem Stück österreichischer Alpen). In den
nächsten Monaten, vielleicht noch im Mai, soll die nächste
Sitzung der internationalen Kommission, und zwar in Wien,
stattfinden, bei der vielleicht noch mancher andere Staat für
die Peuckersche Karte gewonnen wird.
Wenn die Probekarten den Erwartungen entsprechen und
die Geldfrage zu einem günstigen Abschluß kommt, was beides
zu hoffen ist, dann wird sicher in den nächsten Jahren mit
der Herstellung einer einheitlichen Luftfahrerkarte für die
ganze Erde begonnen werden. Der Grundplan dafür (Fest*
legung eines einheitlichen Maßstabes, 1:200.000, Einteilung
der ganzen Erdkarte in Einzelblätter, genaue und einheitliche
Bezeichnung dieser Blätter) ist schon auf dem Brüsseler Inter*
nationalen Luftschiffertag 1910 geschaffen worden. 30 Blätter
der Erdkarte entfallen auf die Alpen. Das geplante Unter*
nehmen ist somit das erste große, einheitliche Kartenunters
nehmen für die ganzen Alpen und als solches nicht bloß
für Alpenluftfahrer, sondern für alle Alpenfreunde von Ins
teresse.
Die Bedeutung des Saalachtalbahnprojekts für den
Turistenverkehr.
Von Dr. C. C. Hosseus in Bad Reichenhall.
Allenthalben macht sich seit längerer Zeit ein reges Inters
esse für das Projekt der sogenannten «Saalachtalbahn» aus
Verkehrs*, strategischen und anderen Gründen geltend. Es
dürfte daher an der Zeit sein, diese Frage auch einmal in ihrer
Bedeutung für den Alpinismus zu behandeln.
Die geplante, oder, besser gesagt, gewünschte Bahn soll in
erster Linie eine Abkürzung der Strecke Wien—Innsbruck
bringen, in der Weise, daß der Weg der alten Reichsstraße
Wien—Linz —Salzburg —Bad Reichenhall in Bayern—Lofer—
Wörgl—Innsbruck wieder zur Geltung kommen soll. Das Pro*
jekt bedeutet zu gleicher Zeit die Verringerung der Fahrzeit
für Schnellzüge um 2
1
/*, für Personenzüge um 3—4 Stunden,
oder annähernd um 100km Wegstrecke gegenüber der Gisela*
bahnlinie Wien—Bischofshofen—Innsbruck. Hieraus ersehen
wir bereits einen ungeheuren Vorteil für den Turisten*
verkehr. Dazu käme des weiteren, daß von Lofer eine Ver*
bindungsstrecke nach Saalfelden führen soll. Damit würde
die Möglichkeit gegeben, die Tauernbahn auf zwei gleich in*
teressanten Zugangslinien zu benützen: 1. Regensburg—Salzs
bürg—Bischofshofen—Gastein—Triest; 2. Regensburg—Salz*
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