/ 318 pages
Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.38 (1912)
Search


164

Mitteilungen des Deutschen und österreichischen Alpenvereins.

Nr. 13.

schmelzenden Gletschers, herrschen so im Grundplan dieses
glazialen Systems. Demgegenüber treten in den Interglazial*
zeiten die natürlichen Gefällsverhältnisse wieder in ihr Recht,
zerstückeln die peripheren Rinnen, setzen sie streckenweise
außer Kurs, sind aber doch auf Schritt und Tritt immer wieder
an die Richtungen der stark eingeschnittenen glazialen Tal*
bildungen und der als mächtige Hindernisse sich erhebenden
Moränenbildungen gebunden. Das ganze hydrographische
Bild Oberschwabens steht unter dem Zeichen dieses Dua*
lismus.

Nicht anders ist es selbstverständlich in den kleineren sub*
alpinen Talzügen, in denen eine Gletscherzunge gegen das
Gefälle emporstieg, und ein ganz ausgezeichnetes Beispiel für
diesen Fall ist unser Rotachtal.

Auf nebenstehendem Kärtchen habe ich das Flußnetz der
Rotach und Weißach südöstlich vom Pfänderzuge sowie der
nördlich von ihm verlaufenden Laiblach skizziert. Alle drei,
vor allem aber das der Rotach, zeigen einen ganz Charakteristik
sehen, an das Gezweig einer Trauerweide erinnernden
Verlauf. Im Rotachgebiet folgt das Wasser buchstäblich nur
in der Tallinie und ihrer nächsten Nachbarschaft dem Ge*
fälle des ganzen Tals. Hier sammelte sich in eisfreien Zeiten
bei dem nicht geringen Abfall der Talsohle und der Höhe
und Steilheit der Talflanken alles Wasser, zerschnitt und be*
seitigte die Hindernisse, die ihm durch das Eis etwa in Form
von Endmoränen quer in seinen Weg gebaut waren, und
stellte in kurzer Frist die natürliche Form des Ablaufs wie*
■ der her.

Ganzanders die seitlichen Tributären. Weithin fließen
sie noch heute in ihren Oberläufen direkt oder wenigstens
beinahe der Richtung des Talgefälls entgegen. Erst
spät biegen sie knieförmig um und wenden sich, oft in tiefen
Tobein, quer zur Rotach hinab, wie ja auch sonst in schmalen
Tälern die Regel ist.

Es ist wahr, der geologische Bau des tertiären Unter*
grün des begünstigt ja die Ausbildung parallel gerichteter
Nebentäler einigermaßen, denn unter dem Rotachtale und
dem Pfänderzuge streicht die nordwestlich einfallende Mo*
lasse von Südwest nach Nordost. So konnten sich neben
dem Haupttale auch unter normalen Verhältnissen auf wem*
ger widerstandsfähigen Schichten wohl gelegentlich parallele
Nebentäler etablieren. Warum aber entstanden diese Seiten*
bildungen hier in solcher Menge und Regelmäßigkeit? Wa*
rum laufen sie alle nach Nordosten ab ? Warum herrscht das*
selbe Bild auch im oberen Abschnitt des Talzugs, wo das
Diluvium im Untergrunde ziemliche Mächtigkeit erlangt?

Eine zufriedenstellende Erklärung gibt nur die hydrogra*
phische Zwangslage während der Eisperioden, speziell der
Rückzugsetappen der diluvialen Gletscher. Damals lag im
Grunde des Tals für lange Zeiten ungefähr konstant die
Zunge des Gletscherzweiges. Ihr Umriß bestimmte den
Lauf aller Gewässer, die in den niederschlagsreichen Zeiten
von den benachbarten Hängen sich sammelten oder von der
Oberfläche des Eises als Schmelzwässer herabstürzten. Was
ist natürlicher, als daß sie in dieser Randregion der Gletscher»
zunge, wo sie mit großer Fülle lange Zeit wirken konnten,

Talrinnnen einschnitten, die, nach der tiefsten Stelle vor der
Spitze des Eisstroms gerichtet, sich so kräftig entwickelten,
daß sie auch später für weite Strecken völlig maßgebend blie*
ben.*) Darum gruppieren sich denn auch die von rechts und
links herankommenden Seitenzweige des Systems an mehr als
einer Stelle deutlich paarweise.**) Die Form der Gletscher*
zunge in den einzelnen Etappen ihres Rückzugs markiert
sich in mehreren der Seitentäler ganz deutlich. Man muß da*
l>ei nur von den unteren, quer zur Tallinie gerichteten Ab*
schnitten absehen, die später die Verbindung an den jeweils
bequemsten Stellen herstellten und mit der Eisrandlage direkt
nichts zu tun haben.

Eine Frage bleibt hier einstweilen often:Wo blieben die
Gewässer, die sich so vor dem Eisrande zusammenfanden?
Frei am Rande des Eises, um das Südwestende des Pfänder*
zugs, konnten sie nicht abfließen. Dort lag das Eis, entspre*
chend seinen oben erörterten Gefällsverhältnissen, sehr viel
höher als weiter oben im Tale. Zunächst mußte sich das
Wasser also stauen. Aber diese Stauung scheint nicht sehr be*
deutend gewesen zu sein. Wenigstens wurde bishervon den
charakteristischen Sedimenten der ruhigen Staugewässer, den
in Oberschwaben so ungemein verbreiteten Becken tonen
und Mergelsanden, im Talbecken der Rotach noch nichts
gefunden. Nun konnte ich allerdings in den viel flacheren
Staubecken Oberschwabens nicht selten feststellen, daß ihre
schlammigen Auskleidungen mit dem Auslaufen des Beckens
teilweise mit ausgelaufen sind, als gewaltige Schlammschlipfe.
In dem steiler geneigten Talbecken der Rotach könnte ein
solches Ausschlipfen seiner nassen Sedimente sogar regelmäßi*
ger und in größerem Maßstabe stattgefunden haben. Aber
dennoch müßte man an günstigen Stellen Reste solcher Stau*
beckensedimente noch vorfinden. Fehlen sie, so muß man
eine ziemlich freie Zirkulation der Schmelzwässer unter
dem Eise und im Eise nach Stellen annehmen, wo sie aus*
treten konnten. Die viele Meilen langen Asar der nordischen
Glazialgebiete beweisen die Möglichkeit einer solchen Erklä*
rung. Spuren solcher subglazialer Wasserläufe sind hier aller*
dings noch nicht beobachtet.

So ist also das Rotachtal auch sonst ein interessanter und
mehrfach noch problematischer Abschnitt in dem weiten Ge*
biet des diluvialen Rheingletschers. Eine genaue topographi*
sehe und geologische Kartierung wäre eine dankenswerte Ar*
beit, zumal jetzt, wo die ersten geologischen Spezialkarten der
Glaziallandschaft nördlich vom Bodensee aufgenommen
sind***) und die weitere geologische Neuaufnahme Oberschwa*
bens rasche Fortschritte macht.

*) Auch Überbleibsel von Randtälern der Rückzugslagen
der älteren Vereisungen werden beteiligt sein.

'**) Der Oberlauf des nach Nordosten durchbrechenden
Tobelbachs ist wohl auch nur ein solches Eisrandtal, das nur
die Verbindung mit der Rotach nicht gefunden oder durch
Anzapfung später verloren hat.

***) Die Blätter Tettnang, Neukirch und Langenargen der
württembergischengeologischen Spezialkarte in 1: 25.000 sind
im Druck und dürften im Herbst im Buchhandel vorliegen.

Verschiedenes.

Wegs und Hüttenbauten.

Anhalter Hütten. Wie die S. Anhalt mitteilt, findet die
kirchliche Weihe der Heiterwandhüte (2020 m) auf dem Tar*
renzer Grubigjöchl Donnerstag den 25. Juli d. J., vormittags
11 Uhr, statt; die feierliche Einweihung der Anhalter Hütte
(2040 m) nächst dem Steinjöchl erfolgt tags darauf am 26. Juli,
vormittags 11 Uhr. In der Zeit vom 25.—27. Juli ist die
Heiterwandhütte für den allgemeinen Verkehr ge*
sperrt. An diesen Tagen ist auch die Anhalter Hütte für die
Ehrengäste der S. Anhalt belegt, so daß Turisten erst vom
28. Juli ab auf Unterkunft in der Anhalter Hütte rechnen
können.

Ansbacher Hütte. Da die S. Ansbach in der Zeit vom
1. bis 3. August zur Feier ihres 25 jährigen Bestehens eine
Sektionstur in ihr Hüttengebiet unternimmt, ist an diesen

drei Tagen auf Nachtquartier in der Ansbacher Hütte nur in
beschränktem Maße zu rechnen.

Badner Hütte. Die am Frosnitzkees in der Venediger*
gruppe erbaute Unterkunftshütte ist seit dem 1. Juli bewirt*
schattet. Am 5. August findet die feierliche Einweihung statt.
Aus diesem Anlasse wird die Hütte vom 5.-7. August nur für
geladene und angemeldete Festgäste offen sein. Die Hütte
liegt 2620 m hoch, 5 1 /, Stunden oberhalb Windisch*Matrei. Von
ihr aus ist der Große Venediger in 4 Stunden zu besteigen.

Die Bettelwurf hütte (der S. Innsbruck) an der Bettelwurf*
spitze, 4 Stunden von Hall i. T., ist bereits seit 25. Juni wieder
bewirtschaftet.

Die neue Freiburger Hütte (der S. Freiburg i. B.) auf dem
Rauhen Joch, 1934 m, ist im Bau so weit gefördert, daß die
Hütte für den Turistenverkehr seit Beginn des Juli benützt