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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.40 (1914)
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Nr. 1 u. 2.

Mitteilungen des Deutschen und österreichischen Alpenvereins.

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Kaisergebirge oberflächlich her. Man schreibt nicht: Des
Griesener Kar; der Weiterweg vollzieht sich auf den
Sommerweg; Schweizereisriesen; Kohlanersattel; von dort
auf den. Grat auf den Feldberg; Höhenkändl (Hohen«
kendl); Längsecksattel (Längeck); Fälle angenehm (Felle);
Sommerstieg; Anblick auf . . . ; des zahmen Kaiser usw.

Der Predigtstuhl hat keine Nordostwand; das Stripsen*
joch ist nicht 1810 m hoch, sondern der Stripsenkopf
1810 m u. dgl.. Diese Beispiele ließen sich nach Belieben
vermehren und ich möchte wünschen, daß bei einer Neu*
aufläge die Korrekturbögen sorgfältiger durchgesehen
werden. F. N i e b e r 1 * Kufstein.

Theodor SenestrSy: Lieder eines fahrenden Schülers.
Ein Epos in Liedern. München 1913. Hans*Sachs*Verlag.
8°. 3 Bl., XIX und 168 S. Preis M.3.—.

Ein in den Münchner alpinen Kreisen wohlbekannter
Humorist läßt in diesem Epos die alte, längst abgetane
Vagantenpoesie in der Art eines Baumbach und Wolff
neu aufleben. Die mannigfachen Abenteuer eines ruhe*
losen Scholaren gleiten in einer Reihe von Liedern an
uns vorüber. Auch eine Gletscherfahrt fehlt nicht. Wo
Senestrey einen frischkecken Ton anschlägt, da mag man
das wechselvolle Schicksal seines Helden mit Behagen
vernehmen;, nur darf man auch hier keinen allzuhohen
literarischen Maßstab anlegen. Weniger gut steht ihm
jedoch der Ernst zu Gesicht. Vielleicht ist der Dichter
ein anderes Mal glücklicher in der Wahl seines Stoffs;
an Begabung mangelt es ihm ja nicht. A. D.

Töpffer Rodolphe: Reisen im Zickzack. Übersetzt und
herausgegeben von Heinrich Conrad. München 1912,
Georg Müller. 8°. VI und 405 S., 1 Blatt. Preis M. .—.

Die „Genfer*Novellen" des liebenswürdigen Er*
Zählers Rudolf Töpffer sind der deutschen Lesewelt
längst durch gute Übersetzungen vertraut^ geworden,
nicht so jedoch seine „Vovages en zigzag". Heinrich
Conrad unternahm es mit Glück, zwei der besten dieser
teils feinhumoristischen, teils übermütig*launigen Reise*
Schilderungen in unsere Muttersprache zu übertragen,
nämlich; „Wanderung, nach, Schwyz" (1838). und „Reise
nach Venedig" (1842), letztere schon um deswillen für
uns interessant, weil sie Top ff er s Eindrücke von Tirol
in frischen Farben spiegelt. Eine Verdeutschung ohne
die köstlichen Bilder dieses •Zeichnerhumoristen wäre
nicht vollständig; darum fügte der Übersetzer auch
dessen witzige Illustrationen von Landschaften und Rei*
senden bei. Jetzt, da die Schülerwanderungen immer
nachdrücklicher gefordert werden, können Töpffers
„Reisen im «Zickzack" eine frohe Urständ feiern. Denn
der Genfer Wort* und Bildhumorist unternahm ja diese
Ferienwanderungen in Begleitung seiner Institutszöglinge,
denen er Freund und Lehrer zugleich war. Seine Art zu
reisen darf wohl teilweise auch noch heute vorbildlich
für diejenigen Pädagogen gelten, die mit ihrer Schüler*
schar die Alpenwelt durchstreifen wollen. A. D.

H. y. Staff: Zur Morphogenie der Präglaziallandschaft
in den Westschweizer Alpen. Zeitschrift der Deutschen
geologischen Gesellschaft. Bd; 64, Jahrgang 1912. S. 1^0.

Das Aussichtsbild eines höheren Alpengipfels zeigt
die weite Reihe der Berggipfel in einer nur im kleinen
gezackten oder gewellten, sonst aber sehr gleichmäßig
hohen Linie am Horizont sich hinziehen: der Geograph
spricht von Gipfelhöhenkonstanz. Diese Erscheinung
wird vom Autor — in Übereinstimmung mit manchen
anderen seines Fachs — als Zeugnis eines früheren Zu*
Stands erklärt, in welchem das Gebiet der Alpen bis
nahe an das Denudationsniveau abgetragen und einge*
ebnet war. Staff geht diesem Gedanken zunächst in den
westschweizerischen Alpen nach: Die Berge des Zer*
mattertals, des Val de Bagnes und der Montblancgruppe
zeigen diese Gleichmäßigkeit der Gipfelhöhe; sie ist
nahezu unabhängig von der Gesteinsbeschaffenheit, wohl
aber ist die Lage'der Gipfel zur einstmaligen Wasser*
scheide von Bedeutung. Die Firnkappe des Montblanc*
gipfeis hat einen Rest jener Einebnungsfläche vor der
völligen Zerstörung bewahrt. Jener Zustand weit vor*
geschrittener Abtragung bestand vor der Eiszeit; aus*
gedehnte Plateauflächen, wechselnd mit schmäleren

Rücken, dehnten sich zu jener Zeit über diese Gebiete
aus. Die Eiszeit und die nacheiszeitliche Wassererosion
haben an der Zerstörung dieser Flachlandschaft gear*
beitet und zerstören allmählich auch die letzten Reste
derselben. Alte Flächenstücke wie jene des Montblanc*
gipfeis sind schon sehr selten (Serpentineplateau, Grand
Combin). Häufiger sind lange, gleichhohe, wenig ge*
schartete Grate, die, wie z. B. der Grat Bouquetin
Garde de Bordon, auch durch große Gesteinsverschie*
denheiten nicht in ihrer Höhenkonstanz gestört werden
und nach Staff als Zeugen jener Fastebene angesprochen
werden können.

Aus jener Einebnungsphase stammen die quer zum
Streichen der Gesteinszonen durchschneidenden Täler.
Sie wurde beendet durch eine Hebung des Gebiets, welche
die Erosion belebte, und die Bildung jener Täler, welche
den weicheren Gesteinszonen folgen, veranlaßte (Längs*
ler). Mehrfach wurden dabei alle Talläufe angezapft,
z. B. Champeux Drance d'Entremont, und eine be«
deutende Umordnung des Flußnetzes erzeugt. Die He*
bung setzte schon vor der Eiszeit ein und dauerte wäh*
rend derselben fort. Es wurde dabei nicht nur die
ganze Fläche des Alpenlands flach aufgewölbt, sondern
. es erfolgten nach Staffs Anschauung Verbiegungen,
welche ältere tektonisch vorgezeichnete Gebiete neuer*
lieh hervorhoben. Darauf führt Staff die heutige Höhen*
lape der Zentralmassive zurück.

Weitere Belege für den Bestand jener Fastebene sieht
der Autor in der Unabhängigkeit der Gipfelhöhen von
dem tektonischen Bau (Synklinalgipfel. Einbeziehung der
Deckschollen in das allgemeine Gipfelniveau).

Der Autor zieht zum Vergleich die morphologische
Entwicklung anderer Gebirgsketten, wie des Jura, der
Cascade ränge u. a. heran, von welchen eine analoge
Einebnungsphase mit nachträglicher Hebung, beziehungs*
weise eine Wiederholung dieses Vorgangs bekannt ge*
worden ist. Herausgehoben sei hier nur das schon lange
bekannte Vorkommen von Schottern mit Gerollen aus
den Zentralalpen auf dem Dachsteinplateau und den be*
nachbarten Hochflächen, als Zeugen ähnlicher einst*
maliger Oberflächengestaltung und Entwässerung durch
Ouertäler gegenüber den jüngeren, den Gesteinszonen
folgenden Längstälern in den Ostalpen.

Der Autor schließt seine Abhandlung mit den Wor*
ten, als äußerste verallgemeinernde Zusammenfassung
seines Gedankengangs: „Die heutige Alpenlandschaft ist
nur eine Phase eines Prozesses, der aus einer hochöeho*
benen eine tiefliegende Ebene terrestrischer Abtragung
zu machen strebt." W. Hammer.

Dr. G. Hegi: Aus den Schweizerlanden. Natur*
historisch*geographische Plaudereien. Mit 32 Bildern.
Zürich, Oreil Füßli, 1914. 8°. 128 S. Geh. M. 2.—, ge*
bunden M. 2,50.

Der Nachteil einer ganzen Reihe unserer populären
naturwissenschaftlichen Darstellungen liegt einerseits
darin, daß die Verfasser den Stoff nicht gründlich be*
herrschen, andererseits darin, daß ihr Stil zu schwerfällig
und für weitere Kreise daher ungenießbar ist. Diesen
Mängeln gegenüber kann das vorliegende Bändchen als
Muster volkstümlicher Darstellung wissenschaftlicher
Stoffe bezeichnet werden. Professor Hegi meistert die
Feder und den Gegenstand in gleicher Weise, so daß seine
Plaudereien auch über die Grenzen der Schweiz hinaus
Beachtung verdienen, mag er nun den Nationalpark schil*
dem oder das Volksleben des Tößtales oder die Eiben
erzählen lassen und die Blutbuchen. Zum Texte hat er
geradezu künstlerisch empfundene kleine Bilder nach
photographischen' Aufnahmen geliefert. St.

Heer J. C: Gedichte. Zweite und dritte Auflage. Stutt*
gart 1913, J. C. Cottas Nachfolger. 8°. 104 S. M.3.50.

Jakob Christoph Heer, einer der bedeutsamsten
neueren literarischen Lobredner der Schweiz, der Ver*
fasser farbenglühender Stimmungsbilder („Freiluft",
„Streifzüge im Engadin", „Blaue Tage") und kraftvoller
Hochgebirgsromane („Der König der Bernina" u. a.), tritt
nun auch als Dichter in die Schranken. Tiefes Natur*
empfinden und bildreiche Gestaltungskunst zeichnet diese