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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.48 (1922)
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Mitteilungen des Deutschen und Oesterrelchischen Alpenvereins

Nr. 1

den Schlüssel, und ein urgemütlicher Hüttenabend befchueht den
glücklichen Tag. Draußen schwimmt oie Silberjcheibe des Voll--
mondes durch den weiten Himmelsraum, und die Berge schla¬
fen. In unserem weltfernen Hüttlein knistert das Feuer, die
Pfeifen qualmen, und einer der vier „Kameraden vom Berge"
erzählt von seinen Sommerfahrten, bis langsam einer nach dem
anderen geruhsam einschläft.

Und nun müßte ich noch so viel von der Abfahrt erzählen!
Denn sie ist ja das Schönste von dem vielen Schönen, das man
vom Hundstem erzählen kann. Nun der nächste Vormittag
sieht uns auf dem idealen Scyigeländs vor dem Hause mit der
unermüdliü)en Tätigkeit bescnä'iügt, elegante Spuren in das
jungfräuliche Weiß oer unberührten ScyneeMche zu zeichnen.
Mehr als 2000 Meter hoch, mit herrlichster Ansicht auf unge¬
zählte Gipfel, dazu Pulverschnee und Sonnenschein — kann rs
ein präcyngeres u,evungvlcmo geben? ^cu schwerem Herzen
und leider auch wieder mit dem schweren Ituchack nehmen wir
Abschied von der Höhe. Die Abfahrt hinunter nach Alm känme
nicht herrlicher erdacht werden als sie ist. Natürlich muß man
schon über die Anfangsgründe des Schilaufens hinaus sein,
wenn man auch von oen steilen oberen Kammstrecken unge¬
trübten Genuß haben will. Dem Kenner aber brauche ich
nur zu raten, auf der Spezialkarte den freien Hang und die
weiten Wiesenflächen anzusehen, die vom Gipfel völlig ohne
Wald nach Norden bis ins Tal hinunter führen, bann weih

er genug. Und wenn ich noch dazu das klingende Wort „Nauh-
reis" niederschreibe, der in Wirklichkeit aus Milliarden fun¬
kelnder Kristalle glitzerte, dann bin ich ja des ehrlichsten Neides
sicher.

Ein Wiegen und Schwingen, ein jubelndes Fliegen, daß
der Schneestaub hoch auffprüht und bei jedem Schwung wie
eine leuchtende Fahne hinter den Bretteln aufwirbelt. So
fährt der Schiläufer wohl einmal nach seinem braven Leben
zum Lohn in den Himmel ein. Wie wir vor dem Dörflein
Alm, dessen Kirche den spitzesten Turm besitzt, den ich kenne, un¬
sere erste Schneeschuhfahrt dieses Winters beendigen und dle
Bretteln wieder schultern, wissen wir, daß der ganze Winter
uns keine schönere Fahrt mehr wird schenken können.

Dorf uno Kirche >mo se,Mü) ge,a)muut. ntit Blechmusik und
weiiMiieloeten kyrenjung>rauen wird die Installation des
„neuen Herrn Pfarrers" gefeiert. Wir aber behaupten, es
sei das Fest des Winteranfanges: ja wir haben sogar behauptet,
was immer aucy tommen mag, der Nationalfeiertag müsse
zumindest als Schijeiertag gehelligt werden.

Oyges mußte seines Weibes Schönheit fremden Augen
zeigen und verlor darum sein Glück. So ergeht es auch uns
Bergsteigern, wenn wir von der Schönheit einsamer Aerge
allzu gezcywätzig plaudern. Vielleicht ist auch der Hund^tem
bald an die Vielzuvielen" verloren. Dann suchen wir uns
eben wieder einen anderen Berg; es gibt ja noch so viele!

Von den schätzen des alpinen Museums.

Von Landgerichtsrat C

Es ist noch viel zu wenig bekannt, daß das Alpine Museum
eine große Anzahl von hervorragend schönen und wertvollen
Werten besitzt. Wir dürfen ruhig sagen: der Bergfreund kann
nicht bloß draußen in der freien Natur, sondern auch in den
beschaulichen Räumen des Museums reine Genüße in sich auf¬
nehmen und sich an den dort ausgestellten Schätzen ebenzo
erqicken wie an dem lebendigen Born des Hochgebirges; ja noch
mehr: solch' herrliche Meisterwerk wie das Heim'sche Sänris-
Relief. das Aegerter'sche Dachstein-Relief, das Imfeld'fche Jung¬
frau-Relief bringen uns die Schönheit der Natur in manchen
Einzelheiten erst recht zum Bewußtsein und bereiten uns durch
ihre Vergleichung anregende Stunden, die ebenso lange in
uns nachklingen als manche genußreiche Bergwanderung. Die
Reliefkunst ist ja noch eine junge Kunst und unsere staatlichen
Sammlungen in Deutschland besitzen kein einziges tadelloses
Werk der plastischen Gebirgsdarstellung in großem Maßstab.
Man muß die Reliefs im Alpinen Museum gesehen haben, um
M erkennen, daß ein Relief mehr ist als nur eine plastische
Landkarte, daß die Meister der Geoplastit es verstehen, uns die
Eigenart des Hochgebirges vorzuführen, soweit menschliche
Kunst dies vermag. Gewährt die Betrachtung eines Reliefs
schon einen großen äschetischen Genuß, so kommt für den Berg-
fteund noch die Freude hinzu, die Erinnerung an schöne Türen
wieder aufleben zu lassen, mögen sie nun in einer Wanderung
durch die herrlichen Täler des Karwendel oder durch die
Elsespracht des Großglocrner und die Wunderwelt der Dolo¬
miten oder in der Ersteigung der kühnen Gipfel des Matter-
horns, Kleine Zinne, Totenlirchls usw. bestanden haben.

Das große Uebersichtsrelief der Ostalpen von S. Hirth
bietet dem, der es gründlich nimmt, die Möglichkeit, alle seine
Alpenfahrten im Geiste noch einmal zu machen. Er wird bei
der Betrachtung an manchem Punkte schwanken, ob er seiner¬
zeit östlich oder westlich gegangen ist und nicht bloß Erinnerun¬
gen, sondern auch Kenntnisse auffrischen. Wer aber ein tieferes
Interesse an dem geologischen Ausbau der Alpen nimmt, der
kann mancherlei lehrreiche Erkenntnis aus den Reliefs schöp¬
fen. Von den. wissenschaftlichen Stücken ist vor allem das
Herrliche Inngletscher-Relief zu nennen, das uns eine eiszeit¬
liche Landschaft von ganz eigenem Reiz vorzaubert und die
Kette der Alpen in überraschendem Dornröschenschlaf zeigt.
Aus der einzig dastehenden gletscherkundlichen Abteilung he»

. Müller, München.

den wir die Reihe von Gemälden von Nd. Reschreiter hervor:
wie er die Bewegungen des Vernagtferners dargestellt hat,
das zu beschauen, lohni allein einen Besuch des Museums. Das
Gleiche gilt auch von dem wohl allen Bergsteigern aus den Ver¬
vielfältigungen bekannten Gemälde O. Barths: Morgengäbet
auf dem GroWloclner, das man in seiner glühenden Farben¬
pracht im Original gesehen haben mutz, um seine ganze Schön¬
heit zu genießen. Wir kennen kein anderes Bilo, das in so
stimmungsvoller Weise die heilige Reinheit des Hochgebirges,
die auch den Ungläubigen zu innerer Einkehr und stummer An»
betung zwingt, wiedergibt, wie dieses Meisterwerk des leider
viel zu früh verstorbenen Wiener Künstler. 3!cch viele an¬
dere prächtige Bilder, meist Geschenke der Künstler selbst, zieren
die Wände des Museums. Wir nennen nur die himmclrng^n-
den Vajolettürme von E. T. Compton. die stolze Pyramide
der Alpspitze von N. Krapf, das einsame träumerische St.
Christoph von K. Keßler, die mächtigen Wänoe de» Hocynitzl
von H. Krenßig, die Pracht des Großen Mösele von Rummels»
pacher usw. Von E. Geiger und I. Steine! stammen edle bild»
hauerische Werke und sogar unser Altmeister F. v. Defregger
hat seiner Anerkennung ftr das Alpine Musum durch Stiftung
eines Gemäldes Ausdruck gegeben. Wir sehen aber nicht blas
unsere deutschen Alpen in winterlicher und sommerlicher Pracht,
sondern auch die nordische Vergesschönheit (Magdalenenbay
in Spitzbergen von H. V. Wieland), den eisgepanzerten Chim-
borazzo und MountEvereft, sowie aus dem Himalaja eineReihe
von großen Lichtbildern (von V. Sella), die das höchste bieten,
was die alpine Phoiographie zu leisten vermag und jedem
unvergeßlich bleiben, der sie gesehen. Eine reichhaltige Samm¬
lung von älteren Stichen gibt uns einen Einblick in die köst¬
liche Naivität der früheren Darstellung des Hochgebirges in
Bild und Karte, die auch in Bezug auf die damalige Aus¬
rüstung lehrreich find. Eine Handzeichnung von Goethe (Re¬
produktion), die Berge des Gotthardt, sticht durch künstlerische
Treue hervor und auch unser allverehrter Papa Stüdl ist durch
ein treffliches Glocknerbild als Künstler vertreten. Die Er-
fchließungsgefchichte der Alpen und die moderne Turistik wer¬
den in unterhaltfamen, ausgeklügelten Vorführungen, reizenden
Hüttenmodellen ufw. auf mannigfache Weise veranschaulicht,
während die Ausrüstung der Pioniere unserer Berge manche
eigenartige, wertvolle Stücke aufweist. Der Benjamin des