Mitteilungen des Deuischen und OefterrelihMen Alpenvereln«
Nr. 7
zusteigml Drunten lockten Heidelbeeren, so groß beinahe wie kleine
Klrjchen; da konnten wir nicht widerstehen: mitten Milchen den Bü-
schen ließen wir uns nieder zu köstlich mundendem ssrühmahl. In
der Alpe Tieflehn labten wir uns jedes an drei Riesentassen frischer
Milch — die Talgenüsse traten wieder in ihr Recht! Freudig wurden
wir in Planggerotz begrüßt: man war, da wir abends nicht zurück«
gekommen waren, doch ein wenig, in Sorge um unser Wohlergehen
gewesen.
Alles in allem: die Tur ist lang und anstrengend: d'e Veiwacht
allerdings war unser Sonderoergnügen, das sich Schnelläufer leicht
ersparen können, zumal wenn sie zu zweien, nicht zu dritt oder gar
zu viert am Seile gehn: das stete Umseilen und Warten aufeinander
an schweren Stellen ist ungemein zeitraubend. Der erste Anstieg bis
^ ^W.'lt,ein echter „Schinder", der Gipfelgrat ohn« Schwierla»
teit; die Kletterei am S. W..grat aber ist ununterbrochen anregend bis
sehr schwer; die eine Stelle im Kamin ist nach dem Ausspruch unseres
Führers ..äußerst schwierig". Das Gestein ist prachtvoll: unbedingt
zuverlässig ohne so scharf zu sein wie z. B. der Fels am Wakespike.
Ostgrat. Freunden einer schönen, schweren, luftigen, abwechslungs«
reichen Klettere: kann die Besteigung des Puikogels über
den S.W. Grat nicht warm genug empfohlen werden, ganz
abgesehen davon, daß der Gipfel selbst um seines stolzen
Aufbaue und seiner einzig schönen Aussicht willen eine der besucheng,
wertesten Hochzinnen der ganzen vetztaler Gebirgswelt ist
Das C. v. stahl-Haus auf dem Torrener Joch.
Von Dr. H. Hackel. Salzburg.
„Wie? Schon wieder ein neues Schukhaus?" Die Zornader
schwillt, der Bannfluch dröhnt: „Die Sektion, die das genagt, verstößt
gegen die Interessen des Gtzsamtvereins: hinaus mit ihr aus dem
Verein (8 3 der Satzungen. Absatz 7)!"
Gemach, gemach! Alles verstehen heißt alles verzeihen: ist es doch
bei der jetzigen Umwertung aller Werte wirklich so. als müßte man
ob einer solchen «Missetat" um Verzeihung bitten! Und so muß ich
denn darauf zurückgreifen, wie unsere Seition dazu gekommen ist,
aus dem Torrener Joch eine Schutzhütte zu erbauen.
In der Zeit vor dem Weltkriege war es die Sektion Salzburg,
die in dem bösen Kampfe zwischen Iagointeressen und Turisten als
Verfechterin der Rechte der Turistik in erster Linie stand: sie nahm
mutvoll auch den aussichtslos scheinenden Kampf gegen den künftigen
Thronfolger auf. der sich im Blühnbachtale eine Iagdtyrannis ge»
gründet hatte. Es ging übel zu: Willkür herrschte vor Recht. Turisten.
die das Blühnbachtal besuchen wollten, wurden unter Androhung, ja
sogar Anwendung von Gewalt zur Umkehr gezwungen, das Hoch,
löniggebiet wurde für den Turistenverkehr gesperrt, obwohl das Schutz¬
haus des Oe. T.'K. auf dem Gipfel durch den pompösen Namen
„Kaiser Franz Iosef-Iubiläums-Schutzhaus" vor jeder Gefahr gefeit
zu sein schien und der Thronfolger selbst „Protektor" des Oe. T.-K.
wart!). Damals hat es die Sektion Salzburg des D. u. Oe. A. V.
durch schwierige Unterhandlungen mit der kaiserlichen Familienfonds-
und Domänendirektion durchgesetzt, daß wenigstens einige Steige dort
freigegeben wurden. Aber es drohte die Gefahr, dan auch das zur
Gutsherrschaft Blühnbach gehörige Bluntau-Tal und in gar nicht fer¬
ner Zeit auch das Tennengebirge für den Turistenoerkehr geschlossen
werden würden. Um dies zu verhindern, soweit es auf rechtlichem
Wege überhaupt möglich war, sah sich unsere Sektion trotz ihres nahezu
chronischen Schuldenstandes gezwungen, sozusagen über Nacht die
Söldenalm auf dem TennengebiigI anzukaufen und bort eine Schutz¬
hütte zu errichten: im Vluntautale aber erwarb unser 2. Vorstand Dr.
Eisend!« eine Hütte auf der oberen Iochalm und überließ sie unserer
Sektion, weil es vielleicht besser war, wenn der zu erwartende Zorn
des Allgewaltigen eine Privatperson als den Verein träfe. Auf diese
Weise war zum mindesten das Durchnangsrecht einerseits auf das
Plateau des Tennengebirges, andererseits durch das Bluntautal ge¬
sichert. Unsere „Torrenerjochhütte". wie wir die 5» St. unterhalb
des Jochs gelegene Hütte nannten, wurde mit den bescheidensten Mit¬
teln als Schutzhütte hergerichtet und bot. als bald darauf der Krieg
ausbrach, den damals so spärlichen Bergsteigern und weitaus zahl¬
reicheren Mäusen recht behagliche Unterkunft: oft kam wochenlang
niemand hinauf. Im Juli 1918 aber fand ein Besucher an ihrer
Stelle einen rauchgeschwärzten Trümmerhaufen: die Ursache des
Brandes haben wir nie erfahren.
Aus der Trauer um die' uns so lieb gewordene kleine Hütte ent¬
stand das Verlangen, sie neu erstehen zu sehen, aber wenn möglich,
nicht an derselben Stelle, sondern an einem juristisch viel wichtigeren
Punkte, nämlich auf der Höhe des Torrener Joches. 1728 m. un¬
mittelbar neben der Reichsgrenze. Die Gutsherrschaft Vlühnbach war
inzwischen in den Besitz des Herrn Krupp von Vohlen-Halbach in
Essen übergegangen, welcher der Turislik gegenüber einen wesentlich
freundlicheren Standpunkt einnahm als sein
Voia.ima.er
Franz Ferdi¬
nand d' Este, und so kamen die schon 1916 begonnenen Verhandlungen
über den Grundaustausch zu einem befriedigenden Ergebnis. Der
Baugrund auf dem Joch war also erworben: aber unsere ursprüngliche
Absicht, die Feier des 50jähngen Bestandes unserer Sektion durch
Eröffnung des neuen Turistenjochhauses zu begehen, aina infolge der
laschen Verschlimmerung unserer Verhältnisse nicht in Erfüllung, ja,
wir konnten überhaupt kaum mehr darauf rechnen, in absehbarer Zeit
diesen Plan verwirklicht zu sehen und sprachen diesen wehmütigen Ge¬
danken auch in dem Bericht über unser 50. Vereinsjahr aus.
Aber das Unzulängliche, hier ward- Ereignis: doch aalt diesmal
nicht: ex oriente lux, sondern aus Amerika, das m der Nachkriegszeit
so viel zur Linderung unserer Not getan hat. kack uns unerwartete
Hilfe. Unser liebes Seltionsmitglied E. v. Stahl, ein gebürtiger
Oesterreicher, der in seiner Jugend als Turengenosse eines H. Heß
und Aichmger die Alpen lieben gelernt und ihnen auch, nachdem er
längst in dem anderen Erdteil seine zweite Heimat gefunden hatte, als
Siebziger seine begeisterte Liebs bewzhrt hat. las unseren Jahres«
Bericht und schrieb uns: „Sie sollen Ur
50Mria.es
Jubiläum nicht
vorübergehen sehen, ohne wenigstens einen Ihrer Wünsche der Ver¬
wirklichung näher zu bringen," und erklärte sich hochherzig bereit, die
Kosten für den Bau des Torrenerjochhauses zu tragen, das auf
SektionZbeschluh seinen Namen führen sollte. Aber infolge der ra»
senden Preissteigerungen und Lohnerhöhungen zerrann uns der ame«
rikanische Goldregen zwischen den Fingern, und oft hätten wir uns
so etwas wie das Wunder von Kana gewünscht, um nicht immer
wieder von neuem unseren Gönner mit dem peinlich durchsichtigen
Bekenntnis: „Herr, unsere Krüge sind leer!" belästigen zu müssen.
Doch immer, wann die Trockenheit katastrophal zu werden drohte,
brachte der Westwind neuen Goldregen, und so gedieh unser Werk
trok zahlloser Schwierigkeiten, wie sie eben in der Unsicherheit der
Zeltverhältnisse begründet waren: alles, was früher gewissermaßen
von selbst gegangen war, hing jekt wie an tausend Ketten. Gleich»
wobl konnten wir uns auch weitgehender Förderung unserer Ziele
erfreuen; insbesondere erwies uns die Kruppsche Gutsverwaltung durch
kostenlose Überlassung des nötigen Bauholzes und Anzeigung des«
selben an möglichst nahe gelegener Stelle sowie auch durch sonstige
Begünstigungen das größte Entgegenkommen. Weit über den Rah«
wen dieses Berichtes würde es hinausgehen, wollten wir alle die.
jeninen nennen, die sich durch Spenden, verbilligte Warenlieferung,
unentgeltliche Arbeitsleistung u. dergl. den warmen Dank unserer Sek»
tion erworben haben. Aber eines Mannes müssen wir hier gedenken,
dem gegenüber unsere Sektion eine untilgbare Dankesschuld hat: un¬
seres erprobten Hüttenbaumeisters Rich. Wagner; er. der den Zubau
zum Zittelhaus, die Söldenhütte und das Zeppezauerhaus geschaffen
hat, entwarf auch die Pläne zum C. v. Stahl-Haus: er hatte auch die
Oberleitung des Baues, den Baumeister Sepp Huber in Gollina. zur
vollen Zufriedenheit der Sektion durchführte. Sein Bestreben war es,
das Haus in das Landschaftsbild einzupassen, und diese Absicht ist
ihm. obwohl der Plan noch während des Baues erweitert wurde,
wohl restlos gelungen. Und da uns auch unser „Papa Sllldl" mit
dem reichen Schatz seiner 50jährigen Erfahrung als treuer Berater
zur Seite stand und mit jugendlichem Feuer und Begeisterung unsere
Sache förderte — er übernahm nicht nur Vettelgänge, sondern malte
auch nebst Wegtafeln eine von den beiden reizenden Schützenscheiben, die
zum Schmucke der Vorderseite des Hauses dienen —. so kam ein Schutz¬
haus zustande, das nicht nur äußerlich zu den hübschesten unseres
Vereines zählen dürfte, sondern aucft im Innern süsir zweckentsprechend
eingeteilt ist.
Aeußerlich stellt es sich als behäbiges Bergoan^nhaub in landes»
ühlichem Stil dar mit einem Balkon an der Vorderseite und zierlichem
Dachreiter. Im Erdgeschoß liegen zwei gemütliche Gaststuben, die
Küche und das Zimmer des Wirtschafters, im 1. Stock 9 Zimmer mit
im ganzen 19 Betten*), unter dem Dach ein allgemeiner Schlaf-
raum für Herren mit 17 und einer für Damen mit 7 Matratzen,
außerdem zwei Kammern für das Personal und Führer. Ein Neben«
gübäude dient als Holzlage und Waschküche.
Talstationen für das Haus sind Golling und Berchtesaadcn. Von
Gollina. führt der Weg durch die Bluntau angesichts der gewaltigen
Mauer des SchneibstemZ etwa 15< St. eben bis zu einer Unter-
stands-Hütte des Verschönerungsvereins: von dort kann man entweder
die vom Erzherzog Franz Ferdinand in bequemen Windungen ange¬
legte Iagdstrahe zum Jagdhaus benützen oder den etwas kürzeren,
aber rauhen Almweg, der sich auf dem linken Ufer hält und über
die untere Iochalm zum Jagdhaus emporführt: von diesem leitet ein
bezeichneter Saumweg zur oberen Iochalm, wo man noch die Grund¬
mauern unserer ersten Hütte bemerkt, und an einem köstlichen Brun¬
nen vorbei über Latschenhänge schärfer ansteigend zur Iochhöhe l172s
Meter). 4^—5 Std. — Von Verchtesgaden stehen gleichfalls
zwei Wege zur Verfügung: a) über die reizend gelegene Gastwirtschaft
Vorderbrand, dann über die, im Winter von Skifahrern wimmelnden
„Jennerwiesen", an der Krautkaser» und Mitterlaseralm vorüber, em¬
por zum Jennersattel, von dem aus der Gipfel des Ienner in ^ St.
bestiegen werden kann, und nun, die Hänge auf bezeichneten Steiglein
nach links querend, zum Torrenerjoch, 3^—4 St.: oder b) nach Königs«
see; vom Bahnhof auf bezeichnetem Weg über die „Hochbahn" lmit
herrlichem Tiefblick auf den See) zur Königsbach- und KömgZbera.-
alm und hinauf zum Joch. 3^ St.
*) Als die Pläne entstanden, wußten wir ja noch nichts von
den neuen „Richtlinien"
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