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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.51 (1925)
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Nr. 17

Mitteilungen des Deutschen und vesterreichisHen Alpenvereins

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vorausgingen, den steilen Firnhang hinaufgetragen, über den das
Achneebrett abgegangen war; eine ganz außerordentliche Leistung'
besonders hervorgetan haben sich dabei die Führer Joseph Maria
Iulen und Gottfried Perren. Auch der alte Truffer, der mit seiner
Rettungskolonne seinerzeit den schwerverletzten Erler am Schalligrat
geborgen hatte, war wieder zur Stelle.

An dem Unglückshang waren noch alte Spuren zu sehen, die
von einer Partie herrührten, welche dort vor etwa zwei Wochen
mit dem Führer Ferdinand Imboden gegangen war. Das Schnee¬
brett war nicht von einer glatten Fläche abgerutscht, sondern teils
war diese tief ausgehöhlt, teils waren nur wenige Zentimeter der
Schneeauflage abgegangen. Die Unterlage war so wenig hart, daß
die Rettungsmannschaften fast ausschließlich mit Stusentreten aus¬
kamen.

Mit größter Vorsicht wurde Pfann zur Weißhornhütte hinab¬
getragen, wo er bald nach 9 Uhr vormittags ankam, und dort er¬
wärmt und gelabt. Die sterbliche Hülle der Frau Noll wurde von
hier auf einem Schlitten hinabgefahren. Sie traf um 2 Uhr in
Randau ein, Pfann um 3 Uhr nachmittags. Dabei wurde das
Empfinden der Expeditionsteilnehmer von der gaffenden, ausfragen¬
den und photographierenden Menge der schaulustigen Sommer¬
frischler recht peinlich berührt. Pfann wurde mit dem Zuge 4 Uhr 20
von Dr. med. Martin nach Br»g (Wallis) ins Krankenhaus gebracht
und befindet sich jetzt dort auf dem Wege der Besserung. Frau Noll
wurde in einen Sarg gebettet und abends mit Fuhrwerk nach
Zermalt gebracht.

Der telegraphifch aus Frankfurt herbeigerufene Gatte der Ver¬
blichenen ordnete ihre Beisetzung in ihrer Vergheimat Zermatt
an, was auch allen anwesenden Bergsteigern und Einheimischen
aus dem Herzen gesprochen war.

Am Freitag, den 21. August vorm. 9 Uhr versammelten sich
die üeidtragend?n in der englischen Kapelle, die der englische
Pfarrer bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte. Das Gotteshaus
war bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Unter einem Hügel von
Blumen verschwand de». Sarg. Das gerade anwesende Hauptaus¬
schuhmitglied Dr. Borchers hatte einen großen Kranz aus Edelweiß
niedergelegt mit einer Schleife mit der vom Kunstmaler Harald
Kaufmann in aller Eile aufgemalten Inschrift „Der D. u. Oe. A. V.
seiner grüßten Bergstrigerin". Der Kranz des O.A.K. trug die In¬
schrift „Unserer besten Kameradin der O.A.K., der des A.A.V.V.
„Der A.A.V.B. der besten deutschen Bergsteiger!«". Ferner hatten
die Sektion Frankfurt des D. u. Oe. A. V., der Frankfurter Schi¬
klub, Dr. Seiler und viele andere Freunde der Verstorbenen Kränze
niedergelegt.

Der unverletzte Kamerad d^r letzten Bergfahrt, Prof. Trier,
widmete der Verstorbenen Worte des Abschieds.

Unser H.A.-Mitglied Dr. Borchers widmete ihr folgenden Nach¬
ruf: „Als junges Mädchen von 16 Jahren ging sie zum erstenmal
in die Berge und hatte schon früh als Eleonore Hasenclever in der
alpinen Welt sich einen Namen errungen. Der Altmeister der Berg¬
führer, Alexander Vurgener, war ihr Lehrmeister, und es ist ein

besonders tragisches Geschick, daß sie bei dem weißen Tud durch
die Lawine zum Opfer gefallen sind. Als sie 10 Jahre lang in
Alexander Vurgenevs Lehre gewesen war, da erklärte er sie' für
alpin mündig, und nun war sie in der Tut eine Bergsteigerin von
ganz außergewöhnlichen Leistungen und Erfolgen. Mehr als 150
mal weilte sie auf Gipfeln über 4000 m, und' von den 75 Vier¬
tausendern, die wir in den Alpen zählen, hat sie 65 erklommen. An
! Ausdauer, Schnelligkeit, Entschlußkraft, alpinem Können und Ver¬
ständnis war sie den besten Verggängern gleich. Sie war ohne
Zweifel die beste und bedeutendste deutsche' Bergsteigen», ja, die
beste Bergsteigerin in der ganzen Welt.

Aber nicht nur die Hochachtung vor ihrem Können war das,
was uns mit ihr verband, sondern auch ihre herzliche Kamerad¬
schaft. Wo sie auch in den Alpen weilte, sei es in Zermatt, sei es
in Ehamonix oder an anderen Orten, stets sammelt? sich um sie
ein Kreis frischer froher deutscher Bergsteiger und sie sorgte sich um
jeden wie eine Mutter, wenn er in Bergnot war oder 'es zu sein
schien. Ebenso herzlich war sie auch mit den Einwobnern der Alpen¬
täler und vor allem mit denen Zermatts verbunden. Groß und
Klein, Alt und Jung, jeder kannte sie, jeder schätzte und liebte sie.
Und die Liebe der Einwohner dieses Zermatter Tales hat sich jetzt
mit aller Eindringlichkeit wieder gezeigt, nicht mit Worten, sondern
mit stiller, pflichterfüllender Tat, indem die Führer von Nandn und
Zermatt in so außerordentlich schneller Weise ihre sterbliche Hülle ^
. und ihren verletzten Kameraden geborgen haben. Ebenso rechnet Z
> es sich die Führerschaft zur Ehre an, ihren Sarg aus der Kapelle >
zum Friedhof tragen zu dürfen. '

Und noch eins. Frau Nall war nicht nur Vergsteigerin allein, ,
die darob etwa andere Pflichten vernachlässigt hätte. Sie war in l
erster Linie Gattin und Mutter, voller Liebe und Pflichten für!
ihren Gatten und ihr Töchterlein. Kurz, wir sehen in ihr eine
Idealgeftalt von Frau und Bergsteigen« zugleich.

Nun ist sie nicht mehr. Gottes unerforschlicher Ratschluß hat
sie von uns gerissen. Sie ist mutig und tapfer gefallen, wie der
gute Soldat im Kriege. Auch sie ist auf dem Felde der Ehre geblie¬
ben. Wir muffen jetzt von ihr Abschied nehmen, aber wir werden
sie, so oft wir nach Zermatt kommen in jenem Winkel Zermatts
suchen, und wenn wir auf die Berge steigen, wird sie bei uns sein.
Sie wird uns stets unvergeßlich bleiben. Sie wird nun hier ruhen,
wo ihre wahre Heimat ist. und ihr Grab wird für uns Bergsteiger
ein Wallfahrtsort werden. Möge ihr die Erde leicht werden, die sie
deckt. Die ewigen Berge halten ihr die Totenwache."

Noch ein ergreifendes Geigenspiel und ein Gebet des Pfarrers.
Dann wurde der Sarg zum Friedhof getragen und in das Grab
gesenkt neben den vielen, meist am Matterhorn gebliebenen Berg¬
steigern. Der Gesangverein von Zermatt sang-ihr ein letztes Lied,
der protestantische Psarrer und der englische Reverend sprachen ein
Gebet, dann fielen die Erdschollen auf den Sarg und weinend über
das tragische Geschick dieser großen Frau und ihrer Hinterbliebenen
verließ die Trauergemcinde den Friedhof.

Personalnachrichlen.

Hofral Dr. l). Strohschneider f. Die Sektion Salzburg hat
durch den jähen Tod ihres Ausschußmitgliedes Hofr. Dr. Stroh¬
schneider einen schweren Verlust erlitten. Dr. Strohschnei¬
der, ein hochgebildeter, feinsinniger Mann, hatte sich schon früher
in den Sektionen Stenr, Abtenau und Vöcklabruck betätigt und ge¬
hörte feit dem Jahre 1920 dem Ausschuß der Sektion Salzburg an;
durch sein Interesse für Angelegenheiten des Gesamtvereins, seine
vielseitigen Kenntnisse und seine Gewissenhaftigkeit in der Durchfüh¬
rung übernommener Arbeiten wurde er eine Hauptstütze der Sek¬
tion. Er verwaltete das Führerreferat mit vorbildlichem Eifer,
lehrte bei den Führerkursen Rechte und Pflichten der Bergführer,
trug bei den alpinen Ausbildungskurfen über Geschichte des Alpi¬
nismus und Rechte und Pflichten der Bergsteiger vor, setzte sich
eifrig für den Schutz der Alpenflora ein, vertrat wiederholt die Sek¬
tion bei allgemeinen Besprechungen und war insbesondere auf den
Salzburg-Chiemgauifchcn Scktionentagen ein ebenso kluger wie ge¬
wissenhafter Berichterstatter und Ratgeber. All diese Verdienste ma¬
chen ihn uns für immer unvergeßlich. S. Salzburg.

Vergführer Hanns Ziechtl f. Der unzweiselhaft erfolgreichste
Bergführer der letzten alp'nen Entwicklungsgeschichte, Hanns Fiechtl,
ist am 1. August 'l. I. im Kaisergcbirge tödlich verunglückt. Ursache
seines Absturzes war vermutlich ein plötzlicher Schwächeanfall an
einer an sich nicht besonders schwierigen Klelterstelle, deren Be¬
zwingung feiner außerordentlichen Kl^tterkunst fönst gewiß ein
Leichtes gewefen wäre.

Die alpine Tätigkeit Ficchtls hat sich über die ganzen Ostnlpen
erstreckt. Er war einer jener ganz seltenen Führer, die nicht um
des Lohnes willen in die Berge gingen, sondern aus reinem alpinem
Interesse. Nicht nur unser bester Bergführer ist mit ihm dahingegan¬
gen, sondern auch einer unserer besten Alpinisten überhaupt. Viele

seiner Erstbesteigungen führte er mit gleichwertigen Alpinisten als
treuer Bergkamerad aus und ließ diese Zeit ungenützt, die ihm als
Führer gewinnbringend gewesen wäre. In Gemeinschaft mit dem
Unterzeichneten gelang ihm eine Reihe erfolgreicher Besteigungen
in den Dolomiten, darunter dis Bezwingung der gewaltigen Nor
wand des Einsl-rkofels c>uf einem neuen, großartigen
Wege, der auch heute n^ch zu den schwierigsten alpinen Unterneh¬
mungen in den Ostalpen zählt. Seine glanzvollste Leistung im Fels
war aber die mit Otto Herzog durchgeführte erste Bestei¬
gung der Südwand der Schüssel karspitze im Wetter¬
steingebirge, wo die letzten Grenzen alpinen Könnens erreicht wor<
den sind. Bemerkenswert sind seine Bergfahrten in den Ziller-
taler Alpen, fa z. B. verschiedene neue Anstiege auf die Zsig-
mondnfpitze und die 1. Ersteigung der Nordruand
der Seekarlfpitze im Rofan. Es wären noch zahllose Erstei¬
gungen im Kaiser, Knrwendel, in den Dolomiten und vielen ande¬
ren Gebieten zu nennen, um ein erschöpfendes Bild von der alpinen
Leistung Fiechtls zu gewinnen. Im ganzen genommen, können wir
sagen, daß ein so reiches Vergsteigerleben seinen Abschluß gefunden
hat, wie es nur ganz wenigen, den Durchschnitt weit überragenden
alpinen Bahnbrechern beschieden war. Adolf Dene,

hüllen und Wege.

. yüllenschluß^ l925. Das Westfalen Haus auf der Längen»
taler Alpe im ^ellraintal wurde am 15. Septbr. geschloffen. Der
Hüttenschlüssel ist nun erhältlich beim Pächter und Bergführer
Alois Schöpf in Praxmar oder beim Besitzer des Gasthofes
„Zum Akad. Alpenklub", namens Haselwanter. Die Hütten¬
gebühr beträft 2 Schilling und ist an Führer Schöpf zu zahlen. Im
Schlafraum find wollene'Dccken (in beschränkter Zahl), Holz u. dgl.
vorhanden. — Die Friedrichshafener- Hütte wurde am
15. September gefchlossen. .