/ 416 pages
Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.51 (1925)
Search


Nr. 4

Mitteilungen des Deutschen und OpsierrMMen Vlpenoerems

Läufern geübt wird. Ganz ausgezeichnet sind die Ausführungen
über „Schneekunde" Lawinen, Einfluß dos Wetters auf den Schnee,
Verhalten im Lawinengelände, Fahren auf Gletschern u, dgl. Wenn
Lunn bei Besprechung hochwinterlicher Fahrten sagt: „Wenn man
fünf bis sechs Tage auszubleiben gedenkt, rechne man mit zwei
Führern oder Trägern fü»- jeden Teilnehmer — man mache sich alles
so bequem wie möglich «soweit offene Zlehwege reichen, miete
man einen Jungen zum Tragen der Schier" und ähnliches, fo geht
er von dem Grundsatz aus nach Möglichkeit Kräfte zu sparen".
Der deutsche Schiläufer mag! das. vielleicht als unsportlich verwerfen,
aber bei den «großen Fahrten" im W^lis etc. hat, das seine volle,
Berechtiguna, besonders wenn man das Kleingeld dafür besitzt.

Ich mächte nur zu ein paar Kle.nigköiten eine Richtigstellung
bzw. Ergänzung beinerken: Houng sagt,, „daß die^» Schädlichkeit des
Schmelzwassers nach 'seiner Erfahrung ein. Aberglaube,, ist und schlim¬
me Wirkungen chemi^
schen BeschLssenheit tonilyen Er muß.einen, beneidenswerten
Magen besitzen, denn c<-' ist einwandfrei nachgewiesen, dah chemisch
reines Wasser, d. die Magenwände giftig
einwirkt. Deshalb ist irgend e'w Zusatz nötiH um es genießbar zu
machen. Als Gletschersalbch empfiehlt,er gefärbte". Salben., klares
Fett, nützt nicht, Das beste Sä^utzmiltel ist Ülträzeozon, das ganz
, dünn aufget'-agpl' auch bei den längsten Türen absolut schützt, da es
die violetten und ultravioletten Strahlen nicht durchläßt. Ich habe
es wiederholt be! zwölfstü.ldiqen .Glct<cyerturen, bei Neuschnee und
Aber 40l)0 m versucht. Es ist merkwürdia daß dieses Mittel fast ganz
unbekannt ist. Lunn unterschechet trockenen und nassen Föhn,, der
letztere ist nach ihm der feuchtwanne Südwestunnd. Föhn hat grund¬
sätzlich mit der Himmelsrichtung, nichts zu tun, es ist ein Fallwind:
einen fehr instruktiven Aufsatz darüber findet man in der Zeitschrift,
des 2. u. Oe. A V. 1912 von H. r>. Fickcr.

Sehr erfreulich Hat mich wenigstens berührt, daß von der
Psychologie des Alpinismus, diesem beliebten, schon längst zu Tode
gerittenen Steckenpferd des deutschen Alpinisten, das heute jeder
alpine Anfänger und l!ter<.risch<r S^ümpe: neu zu reiten versucht,
kein Wort enthalten ist. Und das trotzdem Noung im Vorwort
schreibt, „er würde sofort chinesisch lernen, böte sich ihm die Gewi߬
heit, neue Aufschlüsse über das Verhältiis der menschlichen Seele
zu den Bergen zu erlangen" In seiner" Buche aber betrachtet er
den Berg nur „als ein" grundsätzlich besteig'.'are Anordnung von
Steilseiten und OberflächenbedinguMen" H. Kaiser sagt in einem
Aufsatz in den „Mitteilungen" Nr. 22 „Zur Psychologie des Alpinis¬
mus" das m. E. vernünftigste, was ich seit Jahren darüber gelesen
habe: Das Gebirge kann dem Vergfreund. dem Bergsteiger im
Grunde nur das sein, was er selber ist." Aber das braucht er nicht

jedem aufzutischen: die psychologische Selbstbefpiegelung, die fast jeden
alpinen Aufsatz ausputzen muh. ist eine, für mich wenigstens, nur
Eitelkeit und Ueberhebung bekundende Erscheinung, die in dieser
Art nur von Alpinisten gezüchtet wurde — man beliebt das „Ver¬
tiefung des Alpinismus" zu nennen — in der Art aber ist sie eim
Geschmacksverwirrung und Aufdringlichkeit, die man nur mit alpinem
Exhibitionismus bezeichnen kann. , ,'.,..

Daß Young ein alpiner Psychologe ist. beweist er durch, eine
Menge außerordentlich feiner Beobachtungen und Bemerkungen
über „Teelenzustände und ihre Uriachen"; „der Einfluß der S^-le
auf den Leib ist für den Betrieb der Bergsieigerei außerordentlich
wichtig" Namentlich' das Kapitel „Betrieb und Führerschaft" ist in
dieser Hinficht eine Fundgrube.

- Das Buch soll „den^.'Stoff'liesern für Erörterung von Magen,
die noch in der Schwebe' sind". ,,Wer mit meinen Ansichten und
Ätatschlägen" ^- ^gt Vounß' „nicht einverstanden, ist, mag'trotz¬
dem etwas aus ihnen »lernen, indem er sie drr eigenen Meinung
vergleichend entgegenhält".' Mag der'eins oder andere in einzelnen
Punkten vielleicht auch'anderer Ansicht fvin, so wird es, wenige
Heben, Weicht 'aus'diesem Buche lernen können.'Es-spricht daraus
nicht nur ein sehr erfahrener'Alpinist, der die' Vergsteigerei als
eine hohe Kunst auffaßt sonoern auch stine prächtige Persönlichkeit,
der die Berge ein Lebensinhalt sind, wenn er das auch nicht jedem
auf die Nafe bindet, sm d^rn nur bescheiden zwischen 'den Zeilen
herausfühlen läßt. Gerade m letzterer Beziehung könnte diese per¬
sönliche Zurückhlllwna. twrlmdlich wirken. '

Wenn ich an dem üb?r us wertvollen Buch etwas zu bean¬
standen habe, so ist es die illustrative Ausstattung. Das Buch ist mit
hochalpinen Landschaftsaufnahmen ausgestattet, vornehmlich von dem
als hervorragenden Liebhaber'photographen bekannten Sidnen Spencer,
„die etwas Abwechslung in das Geschriebene bringen und den Leser
an die gcheimn,-wolle Schönheit der Berge erinnern sollen". Sie
stehen aber 'n keinem Zuzammenhang mit dem Inhalt des Buches
Eine, illustrativ? Ergänzung d-t Abschnitte über Fels-. Eis-. Seil¬
technik etc. wäre vorzuziehen; d?c Alpine Elub verfügt über so
vortreffliche Zeichner daß es unschwer gewesen wäre, einen geeig¬
neten Illustrator zu finden,

.,: Die NebeNcagung °au^ der. Fe>er vo,'i Willy '^lca^rs rcci^
meisterhaft die Sprache und den Ge>ft des Originals' festzuhalten
und wiederzugeben was wcht leicht war. Denn der Stw Houngs ist
von prägnanter Sachlichkeit verbunden mit origineller > Blldhaftigkei't
und ohne literarische Ansprüche zu machen, höchst persönlich: in seiner
Hrt geradezu klassisch. Der Verlag, hat das Buch würdig und vor¬
nehm ausgestattet. > , , - ^ Alfred Sie in itzer.

Im Nachtrage bringen wir heute die durch Posthindernisse nicht
rechtzeitig zum Abdruck gelangte Grabrede des Vorstandes der Sek-
twn Salzburg, Professor Dr. Heinrich Hacke l, der dem teuren
Toten bis zum Schlüsse nahe war. Sie lautete:

So heißt es denn Abschied nehni'n!

Was Du uns warst, das wissen wir erst, seitdem Du nicht
imehr bist; als Du nock unter uns lebtest, nahmen wir Deine liebe
Gegenwart als etwas Selbstverständliches hin; nun aber fühlen
wir es mit grausamer De Michkeit: einem Menschen, wie Du warst,
werden wir nie wieder begegnen!

Wer Dich flüchtig kennen lernte, muhte Dich achten; wer
über das Glück hatte, näher mit Dir verkehren Zu dürfen, mußte
Dich lieben, Du wundersomer Greis mit der Schaffenskraft eines
rüstigen Mannes, mit dem Feuer der Begeisterung und dem Froh¬
mut eines Jünglings, D'l Greis mit dem goldenen Herzen eines
Kindes!

Mir ist, als wäre es gestern gewesen: da kamst Du nach Deiner
Uebersiedlung von Prag, als Du kaum den Reisestaub von den
Füßen geschüttelt hattest, zu mir und meldetest Dich und die Deinen
bei unserer Sektion an: so wurdest Du der Unsere und gerne
folgtest Du bald darauf der Berufung in unseren Ausschuß. Mehr
als 5 Jahre sind darüber vergangen. Was Du uns seither geschenkt
hast, war unendlich viel mehr als der bloße Glanz Deines in allen
Bergsteigerkreifen berühmten Namens: Du wurdest uns ein treuer
Ratgebet, der aus dem reichen Schätze einer 50jährigen Erfahrung
schöpfen konnte; als bester Fachmann auf dem Gebiete des Schutz-
hütlenbaurs wandtest Du Dich nut Feuereifer unseren Hütten¬
bauten zu und wußtest auf kluge Verbesserungen im Großen wie
im Kleinen aufmerksam zu machen. Dentt wie bei den schönen
Bildern, ditz Deine Künstlerhand schuf/ war das überhaupt Deine
Eigenart, daß Du neben Großzügigkeit auch den Blick für das
Meine, scheinbar Unbedeutende, hattest. So hast Vu, der Örgcmi-

sator des Alvenuereins. auch die ärgerlichste Kleinarbeit nicht
gescheut, die nndc-.e zermürbt, hast aber 2ank und Auerlennuni
hiefür immer bescheiden abgelehnt; wie oft hast Du Dich der Mühe
unterzogen, Hunderte von Adressen M schreiben: wer von unseren
auswärtigen Mitgliedern hätte, wenn er zum Jahresbeginn seine
Mitgliedskarte zugestellt erhielt, ahnen können, daß er mit dem
Briefumschlag ein Autogramm des berühmten Stüdl bekam? Aus
sturmumbrausten Berghöhen stehen zahlreiche Wegtafeln, unserer
Sektion mit schöner, deutlicher Schrift: welcher Bergwanderer, der
an ihnen vorübergeht, würde glauben, daß unser 85jähriger
Stüdl sie gemalt hat?

Wie oft hast Du bescheiden bei mir angeklopft: Verzeih, lieber
Freund, daß ich Dich störe! Ich muß mich leider schon wieder als
Arbeitsloser bei Dir melden", und wie herzlich, hast Du mir die
Hand gedrückt, wie warm hast Du mir gedankt, wenn ich Dich
wieder mit. Arbeit für unsere Sektion versorgte! Ja, Arbeit
war Dein, Leben, Arbeit für andere, Arbeit zum Wohle der
Allgemeinheit! , ^

So hast Du gewirkt Dein Leben lang, selbstlos, opferwillig,
so hier wie früher in Prag, wo Du ein Wohltäter der Armen, ein
Vater der Blinden, dieser Aermsten unter unseren Mitmenschen,
warst; durch Dem? unbegrenzte Mildtätigkeit hast Du Dir Ver¬
dienste erworben, so hoch, edel und schön, daß jeder Titel und jede
Ordensauszeichnung uls ein gar ärmlicher Lohn erscheinen mußte.
So hast Du gewirkt unverdrossen, unermüdlich, in den letzten
Jahren immer getrieben von dem Gedanken: „Schaffen! schaffen!
Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann!"

Und nun. da dip Nacht gekommen, schlafe wohl und ruhe aus
von Deinen fell'stlofen Mühen! Aber aus der Nacht des Todes
tritt verklärt Dein liebes Bild vor unsere Seele: das Bild des
idealen Manschen. Edel sei der. Mensch, hilfreich, und
gut". Dieses Ideal reinster Menschlichkeit hast D ü verkörpert wie
wenige. Habe Dank, lieber Freund, heißen Dank für alles, was Du
uns und unseren Blüdern getan! Es soll Dir unvergessen bleiben!