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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.53 (1927)
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Mitteilungen des' Deutsche»! und OefterreiHischen

Nr. 5

saminen und gleitet ähnlich wie das Schneebrett in zahlreichen
Platten zu Tal. Die äußeren Kennzeichen für dieses Schneeschild
sind im großen und ganzen die gleichen wie beim Schneebrett, doch
ist naturgemäß das Geräusch beim Betreten desselben intensiver
und es ist infolgedessen leichter zu erkennen.

Dies über Entstehung, Art und Wirkung der einzelnen La¬
winengattungen. Nun ist noch die wichtige Frage offen, wie wir
uns der Gefahr gegenüber zu verhalten haben, nachdem wir sie
als solche erkannt haben.

Die Hauptsache ist auf alle Fälle Vorsicht walten zu lassen.
Die Lawinen bilden eine objektive Gefahr, der wir niemals durch
technisches Können entgegenzutreten vermögen. Nur Wissen und
eine Portion Schlauheit muß Ans die Gefahr überwinden lassen.
Doch bei absolut ungünstigen Verhältnissen, wie sie durch heftigen
Föhn nach Neuschneefall entstehen können, ist die Gefahr so groß,
daß alles menschliche Ermessen zu klein ist, um durch sie einen
sicheren Weg zu finden. Und dann ist es besser, einen Tag in der
Hütte, und wenn es sein muß, auch zwei zu bleiben, als die alpine
Unfalliste unnötigerweise zu berLichern. "

Hat man nun einen Steilhang vor sich, den man als lawinen-
gefährlich erkennt, und muß man ihn unter allen Umständen queren,
so wird man dies, wenn irgend möglich, an seinem oberen Ende
tun, denn es leuchtet ein, daß nur die Schneemassen gefährlich
werden können, die oberhalb des Bergsteigers sich befinden.

Muß ein solcher Hang aber nach aufwärts durchstiegen werden,
so ist es^H. V. bei Schneebrettgefahr angebracht, die Schier abzu¬
schnallen und senkrecht emporzusteigen. Dadurch wird es vermieden,
daß der Hang entzwei geschnitten, wird; die Schneedecke wird nur
durchlöchert, wobei die um die Beine durch Wärme und Druck sich
bildenden Eisstellen wie kleine Säulen (Piloten) wirken, die den
Hang stützen, also festigen.

In der Abfahrtsrichtung sind lawinengefährliche Hänge ebenso
zu Fuß hinabzusteigen. Wenn ein Hang nicht sehr kurz ist, so soll
eine schnelle Schußfahrt Nicht riskiert werden!

Muß der Hang aber in der Abfahrt gequert werden, so kann
man an seinem oberen Ende durchfahren, öffnet aber zweckmäßig
die Vindungsstrammer, um im Fall der Entstehung von Lawinen
die Schier schnell von den Füßen zu bringen.

Besteht die Partie aus mehreren Personen, so darf immer nur eine
Person den lawinengefährlichen Hang betreten. Ist die Gefahr
räumlich sehr ausgedehnt, so empfiehlt es sich in größeren Abständen

zu fahrend (Der bedauerliche Unfall an der Vallüga ist großenteils
darauf zurückzuführen, daß die ganze Partie ohne größeren Ab»
stand den kritischen Hang betreten hat.)

Bei der Abfahrt sind Erschütterungen der Hänge nach Möglich¬
keit zu vermeiden. Man fahre also in großen Spitzkehren oder im
Schuß durch einen Hang, nicht aber in zahlreichen Schwüngen
oder Umsprungen. Insbesondere Schwünge sind geeignet, gefähr»
liche Hänge aus der Ruhe zu bringen.

Ist man aber in eine Lawine geraten, so suche man in erster
Linie die Schier von den Füßen zu bringen. Durch kraftvolle
Schwimmbewegungen ist es vielleicht manchmal, insbesondere in
trockenen Lawinen, möglich, sich an der Oberfläche zu halten. In
einer kleinen Lawine wird man natürlich auf die Füße zu kommen
trachten. Ferner ist es angezeigt, mit einem Arm den Kopf zu
schützen, wodurch auch bei einer Verschüttung ein Hohlraum um
den Kopf geschaffen wird. Auch fuche man Stöcke oder Pickel hoch
zu halten, damit die Nachgrabungsarbeiten erleichtert werden. Es
sei auch mit einigen Worten auf die sogenannte Lawinen»
schnür aufmerksam gemacht. Es ist dies eine ca. 25 Meter lange
und 7—8 mm starke, grellrot, grün oder sonstwie gefärbte Rev-
schnur, die man in lawinengefährlichem Gelände lose ÜM den Leib
gebunden einfach nachzieht. Sie hat die Eigenschaft, daß, wenn
der Schieläufer auch in die Tiefe gezogen wurde, ein Teil der
Schnur in die Höhe gewirbelt wird, so daß der Verschüttete leichter
aufgefunden werden kann. Das Suchen von Seiten der Gefährten
oder der Rettungsmannschaft wird dadurch wesentlich erleichtert. '.,

Das Seil als solches ist bei Lawinengefahr absolut unangebracht
und würde nur die Gefahr erhöhen. Eine Ausnahme bildet natürlich
eine schmale Schneerinne, deren Querung von einem sicheren
Standpunkt, z. B. vom Fels aus gesichert werden kann.

Wenn wir den Weg in das Heiligtum des winterlichen Hoch¬
gebirges suchen, so müssen wir uns klar sein, daß wir bewußt
einer Gefahr entgegengehen, und deshalb die Waffen gegen sie mit
uns führen, die aber in diesem Fall nur Waffen des Geistes sind,
die Kenntnis der Natur und ihrer Tücken.

Viele Unglücksfälle können vermieden werden, ohne daß des¬
halb die Leistung verringert zu werden braucht, aber Vorsicht muß
das Losungswort für den sein, der sich in die Gefahr begibt.

Vorsicht mit Mut gepaart wird uns zum Ziele führen. Unser
Leben liegt in der Hand des Weltgeistes, wir steuern es durH'Ae,
Klippen der Gefahr, um seinen Wert zu finden.

Verschiedenes.

Von unserem Verein, seinen Sektionen und anderen
Körperschaften.

Landesoerein für Höhlenforschung in Innsbruck. Der Landes¬
verein für Höhlenforschung in Innsbruck,, geleitet von Postober-
offizial L. Weirather, hat an die Alpenvereinssektionen ein Rund¬
schreiben Uln Unterstützung zu Gunsten der Gebirgsforscherreisen
dieses Vereins und zu Gunsten des Alpinen Museums gerichtet.
Es wird hiermit ausdrücklich festgestellt, daß der
V erw altung saussch uß des Deutschen und Oe st er¬
reich ischen Alpenuereins wie auch die Leitung
des Alpinen Museums dieser Werbung völlig
ferne stehen und dies,e Werbung ohne Wissen
b eider erfolgt ist.

Die Tagung der österreichischen Sektionen. Auf dem österreichi¬
schen Sektionentag, der unter dem Vorsitz der Sektion Salzburg
um 27. Februar in Salzburg im Hotel Mirabell stattfand, waren
40 Sektionen vertreten; vom Verwaltungsausschuß waren die
Herren Oberbaudirektor Rehlen, Ministerialrat Sotier, Prof.
Enzensperger und Generalsekretär Dr. Moriggl erschienen.
Zu der Aussprache, die über die ermäßigten Turistenfahrkarten
gepflogen werden sollte, hatte die Bundesbahndirektion in Wien
Herrn Dr. Vockhorn entsendet, der allerdings den vielen vor¬
gebrachten Wünschen und Klagen gegenüber in der Regel nur auf
die angebliche technische oder wirtschaftliche Schwierigkeit einer
Acnderung uerwies. Die Frage der Festlegung des Vereinssitzes, die
durch den Aufsatz Dr. Hofmeiersin Nr. 2 der „Mitteilungen"
in Fluß gebracht worden ist, fand durch den Referenten Hofrat
Pichl (Austria) und Oberbaudirektor Rehlen eine durchaus sachliche,
leidenschaftslose Besprechung; der Sektionentag war einmütig der
Meinung, daß an der Satzungsbestimmung, daß der Vereinssitz
zwischen Deutschland und Oesterreich zu wechseln habe, derzeit fest¬
zuhalten sei. (Als nächster Vereinssitz, ab 1929, ist bekanntlich Inns¬
bruck'bestimmt.) Der Sektionentag erklärte sich ferner gegen eine
Erhöhung der Uebernachtungsgebühren, gegen die EinHebung einer
gesonderten Wäschegcbühr, sowie gegen irgendwelche anderweitige
Zuschläge und die Zurechnung des Trintgeldzuschlages; auch vertrat
er einmütig die Anschauung, daß von Nichtmitgliedern nicht mehr
als öas Doppelte der Mitgliedergebühren verlangt werden sollte.
Neber Iugendwanderu berichtete H.A.-Mitglied Direktor Greenitz
(Graz). Das Iugendwandern in Oestcrreich solle nach dem bewähr¬

ten Muster des rührigen Ortsausschusses München (Leiter Prof,
Enzensperger) organisiert werden; es sei gelungen, mit dem deutsch«
österreichischen Iugendbund (Wien) zu einem Uebereinkommen zu
gelangen, in welchem die Grundsätze des Ortsausschusses München
vollkommen anerkannt werden; die Bildung von Ortsausschüssen in
den Hauptstädten der österreichischen Bundesländer fei teils schon
erfolgt, teils in die Wege geleitet; gerade auf dem Gebiet des
Iugendwanderns könne der Alpenverein noch eine sehr reiche und
fruchtbare Tätigkeit entfalten. Die Sektion Reichensteiner setzte
sich zu Gunsten der vielversprechenden jüngeren Bergsteiger für
rege Förderung von Forschungsreisen in außereuropäische Gebirge
ein. Gegen den Bau von Seilbahnen verhielt sich der Sektionentag
keineswegs völlig ablehnend; nicht weniger als 40 Berge wurden
nach dem Vorschlage des H.A. für Seilbahnen freigegeben; dagegen
sprach sich der Sektionentag gegen den Bau von Bahnen auf andere,
turistisch wichtigere Gipfel aus. Die steiermärkischen Sektionen (Re¬
ferent Dr. Schäftlein) wünschten, daß möglichst bald wieder die
allgemeine Belieferung sämtlicher Mitglieder mit den „Mitteilungen"
eingeführt werde, die aber nach Inhalt und Form einer Umgestal¬
tung bedürftig seien. Zum Vorort der österreichischen Sektionen
wurde Graz bestimmt, der nächste Sektionentag ist wegen der
günstigen Zugsverbindungen nach Bischofshofen einzuberufen.

Die Lalernbilderslelle München (Nestenriederstr. 21/3) wünscht
Bilder von Heldendenkmälern der Alpenvereinssektionen käuflich zu
erwerben und ersucht wiederholt um Einsendung von Papierab-
zügen oder, wo dies nicht möglich ist, von Diapositiven.

3. Baden bei Wien. Dem in der Jahresversammlung am 28.
Jänner 1927 erstatteten Jahresbericht ist zu entnehmen: Die Sektion
hatte Ende 1926 201 A-Mitglieder und 60 V-Mitglieder, zusammen
261 Mitglieder. — Unsere Hütte hatte einen Besuch von 310 Berg¬
steigern mit 401 Uebernachtungen aufzuweisen. Von diesen Besuchern
wurden auch Heuer wieder eine ganze Reihe von Glpfelersteigungen in
der Umgebung der Hütte durchgeführt. Insbesondere war es außer
dem Groh-Venediger der Eichham, der durch seine prachtvolle Aus¬
sicht die Besucher der Hütte anzog. Nach langen Verhandlungen
ist es gelungen, Grund und Hütte lastenfrei zu machend — Die
ungünstige Witterung im Sommer des Jahres 1926 hat leider die
Ausgestaltung des Wegnetzes in unserem Arbeitsgebiet stark be-
hinder.t. Außer den unbedingt notwendigen Instandhaltungsarbeiten
wurde nur in der Schlucht des sogenannten unteren Weges"
(Hütte—Löbbcntörl) ein ca. W nl langes Drahtseil gespannt. ^