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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.54 (1928)
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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins

Nr. 12

Expedition am 12. September Adschara und trafen zwei
Tage später in Suchum ein, von wo die heimreise über das
Schwarze Meer erfolgte. Die Teilnehmer heben besonders
die zuvorkommende und weitgehende Unterstützung hervor, die
sie von feiten der russischen Behörden erfahren haben, und
der der glatte Verlauf der Expedition in erster Linie zu
danken ist.

Rettungswesen.

Eine neue Gebirgstragbahre zum freihändigen Tragen
und Abseilen. Von Prof. Dr. Nobert Stigler (Wien).*)
Eine der wichtigsten Handlungen bei Bergung von Verun-
glückten in den Bergen ist wohl das möglichst rasche und
sachgemäße Iutalschaffen des Verletzten, die Abbeförderung
von der Unfallstelle bis zu einem befahrbaren Weg. Welche
Schwierigkeiten stellen sich da aber im Hochgebirge der
braven Rettungsmannschaft entgegen? Nur selten handelt
es sich um ein leicht begehbares, hindernisloses Gelände.
Meist sind steile Schutthalden, Geröllfelder, felsdurchsetzte
hänge oder stark geneigte Grashänge zu überwinden, was
eine höchst mühsame, zeitraubende und bei größeren, beson»
ders inneren Verletzungen für den Verunglückten höchst
schmerzhafte und unter Umständen für ihn auch gefährliche
Arbeit bedeutet, auch wenn die hinabbringung mit der jetzt
überall eingeführten Alpenvereinstragbahre gefchieht.

Die von Prof. Dr. Stigler erbaute Gebirgsbahre
stellt einen glücklichen Verfuch dar, der oben angedeuteten
Schwierigkeiten Herr zu werden und den Verletzten auch im
schwer gangbaren Gelände möglichst schmerzlos, behutsam und
sicher zu Tal zu schaffen. Die Bahre gehört in das System
der starren Bahren und ähnelt einem tragbaren Streck»
sessel. Ihr Gerüst besteht aus zwei Tragholmen, besitzt
ein« Kopfstütze und eine aufrollbare Matte, die dadurch der
Länge der getragenen Person anpaßbar ist. Sehr wichtig
erscheint uns, daß der Verletzte in der Bahre wie in einer
Sänfte entsprechend seiner Verletzungen gelegt werden kann,
so daß er bei heftigen Crfchütterungen keinen Schaden er»
leidet. Das verhindert insbesondere ein Trapez an der
Unterseite der Holme, eine Vorrichtung, die es ermöglicht,
die Bahre über steile hänge oder steilen harten Schnee zu
schleifen, ein ganz bedeutender Vorteil gegenüber der
üblichen starren Bahren. Verschiedene Gurten dienen zur
Befestigung des Kranken und Feststellung etwa gebrochener
Beine. Die Vorzüglichkeit der Tragvorrichtung ist in die
Augen springend; sie kann von den Trägern der Bahre nach
Art eines Nucksackes umgenommen werden und erleichtert
ganz wesentlich die Last des Tragens. Eine achter-
sonnige, am Nucken mit einem breiten Gurt vereinigte
Schleife, an der zwei Lederriemen befestigt sind, verteilt auf
das beste das Gewicht auf den Nucken und das Kreuz des
Trägers und gestattet ihm, die Holme bei Bedarf etwas
auszulassen oder einen Pickel oder Bergstock zu gebrauchen.
Die Tragvorrichtung ermöglicht das Tragen der Bahre auch
aus langen Strecken durch bloß zwei Mann. Endlich ist es
möglich, die Bahre mit dem Verunglückten über Fels»
wändeabzuseilen.

Die von Prof. Dr. Stigler vor ungefähr 13 Jahren
erbaute Gebirgstragbahre wurde an der Gebirgsfront im
Weltkrieg erprobt (es standen ungefähr 100 Bahren in Ver>
Wendung) und als befonders gut und brauchbar befunden,
wovon acht Gutachten Zeugnis geben. Seither hat der Er»
finder, der Arzt und Bergsteiger ist, seine Bahre in ver¬
schiedenen Einzelheiten vereinfacht und verbessert. Jetzt steht
die Bahre bei der Landesstelle für Alpines Nettungswesen
Innsbruck und bei den Alpinen Nettungsstellen Admont
und Neichenau in Verwendung. In Wien wurde die neue
Tragbahre wiederholt Vertretern verschiedener alpiner Ver»
eine vorgeführt, die sich lobend über diese Neuerung aus»
sprachen. Gegenüber den untrügbar großen, ja man kann
ruhig sagen bahnbrechenden Vorzügen der Bahre fallen die
kleinen Nachteile, wie größeres Gewicht (16 kg), nicht ganz
einfache Aufstellung und größere Anschaffungskosten, kaum
in die Wagschale. Die Gebirgsbahre ist im Sporthaus
„Alpina", Wien, 10., Laxenburgerstrahe 27, erhältlich. Preis
komplett rund 8 190.—.

Alles zusammenfassend kann die Anschaffung und der Ver»
such mit der besprochenen Bahre nur wärmstens empfohlen
werden; sehr vorteilhaft wäre es aber, die sehr sinnreich

*) In einer der nächsten Folgen der »Mitteilungen« erscheint ein aus.
führlicher Aussatz über die Tragbahre von Prof. Dr. Nobert Stigler.

gebaute Tragvorrichtung bei allen Alpenver»
einsbahren zu verwenden. Die weitere Entwicklung der
starren Bahren dürfte sicher die von Prof. Dr. Stigler
gewiesenen Bahnen nehmen. Adolf Notzberger, Wien.

Sektionsnachrichten.

Sektion Mannheim. Die Sektion, die ursprünglich bis
September 1920 den Namen S. Pfalzgau geführt hat,
feierte am 12. Oktober ihren 40jährigen Bestand. Es ist eine
mit prächtigen Bildern und auch fönst schön ausgestattete
Festschrift herausgegeben worden, die die Sektions»
gefchichte enthält und wertvolle bergsteigerische Aufsätze. Die
S. Mannheim hat als Ersatz für ihre zerstörte und an Ita>
lien gefallene Pfalzgauhütte am Sorapiß die Hütten der von
den Franzofen aufgelösten S. Straßburg (Straßburgerhütte
und Oberzalimhütte im Nhätikon) übernommen. Möge der
Sektion eine schöne, erfolgreiche Zukunft beschieden sein!

Sektion Mark Brandenburg. Unser früherer Hüttenwart,
Herr Gustav Delo rette, legt Wert auf die Feststellung,
daß er nach 17jähriger Tätigkeit auf eigenen Wunsch
nicht wiedergewählt worden ist (vergl. Nr. 5 der Mittei»
lungen" vom 31. Mai 1928). — Nachstehende Herren haben
sich geweigert, auf unseren Hütten die vorgeschriebenen Hu
tengebühren zu entrichten. Den hüttenbesitzenden Sektionen
werden hiemit die Namen zur Kenntnis und Beachtung mit»
geteilt: Dr. Kurt Iokel, Neferendar, Breslau 13, Vic-
toriastraße 70; Fritz Schlesinger, Breslau, Neichs-
Präsidentenplatz 6; Nichard Peter, Schlossergehilse (jetzt
Lichtbildner), Dresden-Altstadt, Iüdenhof 2. S. Mark
Brandenburg, I. A. Zink eisen, Hüttenwart.

Personalnachrichten.

Ehrung, hofrat Ing. Cduard Pichl, Vorstand der
S. Austria, wurde nach dem Veifpiel der Gemeinde Mauthen
auch von der Gemeinde St. Lorenzen im Lesachtale
zum Ehrenbürger ernannt. Diese beiden Ehrungen sind
nicht nur persönlich erfreulich, sondern sie beweisen auch, daß
sich die Bevölkerung im Gebiete der Karnischen Alpen und
hauptkette bewußt ist, was sie dem im Nahmen des D. u. ö.
A.-V. in ihren Bergen und Tälern segensreich wirkenden
Manne verdankt.

Max van hees s. Am 20. Oktober schloß sich auf dem stillen
Friedhofe der Grenzstadt Kufstein, wo fchon viele Bergsteiger
die letzte Nuhe gefunden haben, das Grab über einem der letz»
ten aus der Neihe derer, die einst durch kühne Bergfahrten
das Kaisergebirge erschlossen und bekanntgemacht haben.
Max van hees war am 16. Juli 1857 zu München ge-
boren und begann in jungen Jahren, die neben der beruf'
lichen Arbeit verbleibende Zeit bergstcigerisch zu verwerten.
Inmitten eines gleichgesinnten Frcundeskreifes ging er bald
an neue und große Aufgaben. An vielen Stellen des Ost»
alpenwerkes wird sein Name genannt. Am 6. Juni 1881 er»
öffnete er mit dem Führer Stcinackerer den (von Thurwiesers
Weg abweichenden) Südanstieg auf die Ackerlfpitze über
Nieder« und Hochsessel. Wenige Wochen später erstieg er
erstmals die Hintere Karlspitze mit Steinackerer vom
Cllmauer Tor aus. Im folgenden Jahre führte er. mit Gott»
sried Merzbacher und mit Steinackerer die zweite Cr^
steigung der Lärcheckspitze im Kaiser durch, von der
Fischbachalm aus, was vorher für unmöglich erklärt war und»
auch fpäter noch als eine der fchwierigeren Unternehmungen
in dieser Gruppe galt. Mit Karl Vabenstuber, Georg hof>
mann, Ernst Mennet, Heinrich Schwaiger u. a. gehörte er
dem Kreise der „Münchner haltspitzler" an, die im Jahre-
1883 das eiserne Kreuz auf der Cllmauer» halt und
im Jahre 1890 das erste Schuhhüttchen (jetzt Babenstuber'
Hütte) auf diefem Gipfel errichtete. Neben anderem erstieg er
mit seinen Freunden Heinrich Schwaiger und Karl Weltin
im Jahre 1888 die Sulzklammspitze im Karwendel,
die seit Hermann von Barth nicht mehr betreten worden
war. Die Ahornspitze erklomm van hees mit Georg Hof.
mann vom Iillergrund aus erstmals im Jahre 1885; den
Kahlgeifel in den Nieserfernern im August 1888 erstmals
mit Josef haufer durch das Windscharttal. Mit K. Baden»
stuber, C. Mennet und dem Führer Hans hörhager voll»
führte^ er am 1. Januar 1891 die zweite WinterersteigunK
des Nifflers. Bemerkenswert ist eine Wiederholung des
Anstieges von Nein auf das Durreck, die van hees mit
Josef hauser im Jahre 1888 durchführte. Ungewöhnlich groh