Nr. 2
Mitteilungen des Deutschen und Osterreichischen Alpenvereins
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1882 bis 1888 arbeitete er in den Nordalpen, 1889 bis
1892 in den sieirischen Alpen, 1893 bis 1903 in den Süd-
alpen und von 1903 bis 1920 wieder in den nördlichen
Kalkalpen, wo er seine Arbeit als Feldgeologe mit der
Aufnahme des Kartenblattes „Salzburg" zum Abschluß
brachte.
Geyer
hat außerordentlich weit ausgedehnte geologi-
sche Untersuchungen betrieben und dabei zahlreiche wichtige
Entdeckungen gemacht, die seine Arbeit wertvoll und
wichtig für alle Zukunft machen.
In Anerkennung dieser hohen Verdienste um die geo¬
logische Erforschung der Ostalpen wurde er von der Aka-
demie der Wissenschaften am 26. Mai 1914 zum korrespon¬
dierenden und am 31. Mai 1921 zum wirklichen Mitglied
erwählt.
Sein Beruf führte
Geyer
von einem Gebirge zum an-
deren und vielfach in geologisch und turisiisch noch wenig
bekannte Gebiete. Kier reihte sich eine Bergbesteigung an
die andere und er wurde allmählich zu einem Alpenkenner
von unglaublicher Sorgfalt und Genauigkeit, dem auch die
fernsten Spitzchen in den Aussichten nicht unbekannt
blieben.
Geyer
war als Bergsteiger ein ausgezeichneter
Geher und vor allem ein unübertrefflicher Pfadfinder.
Wenige der hohen Gipfel der Ostalften dürften ihm unbe¬
kannt geblieben sein, viele der schönsten hat er mehrmals
betreten.
Seine jungen Vergsteigerjahre fielen noch in die
heroische Zeit der großen österreichischen Bergsteiger: Otto
und Emil Isygmondi, Ludwig Purtscheller, Hein-
rich Keß, C. Diener, L. Friedmann, N. v. L en¬
de nfeld, N. K. Schmitt.
Geyer
hat zahlreiche führerlose Ersteigungen durch-
geführt und ist dabei meist wirklich Führer gewesen. 1883
vollführte er mit seinem Freunde L.
Friedmann
die
erste führerlose Ersteigung von Finsteraarhorn und
Aletschhorn, was damals den Grimm der Schweizer
Führer erregte.
Viele hohe Gipfel der Ostalpen hat er zum erstenmal
im Winter besucht. Tarunter ragt eine Winterbesteigung
der Königsspitze besonders hervor.
Geyer
war kein einsamer, fondern ein geselliger
Mensch. War er auch als Junggeselle durchs Leben ge»
gangen, so standen ihm doch zahlreiche Menschen de-
freundet nahe. Seine Lebensart war so fein, unaufdring-
lich und angenehm, daß niemand den Wunsch hatte, ihn
zu meiden. Er war einer jener seltenen Gesellschafter, die
nicht nur gut erzählen, sondern auch gut zuhören können.
Geyer
war ein getreues Mitglied des Osterr. Alpen-
klubs und des D.u.O.A.V. Im Osterr. Alpenklub hat
er als Präsident gewirkt, im D. u. O. A. V. wurde er in
den Wissenschaftlichen Unterausschuß berufen. Sein Ver-
hältnis zum D.u.O.A.V. war kein äußerliches, sondern
ein tief innerlich begründetes. Er gehörte zu jenen Aldi-
nisten, die mit vollem Kerzen die Tätigkeit dieses Ver-
eines unterstützten und diesen als den kraftvollen Voll-
strecker ihrer eigenen Wünsche begriffen.
Mit dem Alterwerden hat sich
Geyer
dann aus dem
Kochgebirge allgemach in die niedrigeren Vorberge zu-
rückgezogen.
Mit seinem Freunde L.
Friedmann
im Auto
noch einmal über die hohen Pässe der Alpen zu fahren
und die Eisriesen zu schauen, auf denen sie einst nach har-
ter Arbeit gestanden, war ein ganz wundersamer Genuß,
den ein Jüngerer kaum richtig zu beschreiben vermag.
Ich habe hier versuchtem kurzen Worten das Leben
Georg
Geyers
zu schildern, der am 25. November 1936
sanft im Schlafe verschieden ist. Es wäre verfehlt zu
glauben, daß feine Bedeutung mit der Ersteigung von
zahlreichen Gipfeln der Alpen irgendwie begrenzt ist. Es
bedeutet keinen Fortschritt, 1000 Gipfel als ein gut-
laufender Automat zu ersteigen.
Wenn aus dieser Auf- und Abbewegung nicht eine
Vertiefung und Erweiterung unserer Einsicht und unserer
Seele entspringt, so ist ein solches Kräftesftiel nur eine
Vergeudung.
Wenn aber jede Besteigung und Wanderung zu einer
wunderbaren Annäherung unserer Seele an den Geist
der Schöpfung und zu elner Umschmelzung und Umfor¬
mung unseres Wesens wird, so stellt ein solches Leben
eine fortlaufende große und tiefe Reinigung der Seele
dar, vor der wir uns ehrfürchtig neigen.
Durch alle Wunder der Schöpfung zu gehen, ihre Zu-
sammenhänge zu ahnen und den Kauch eines noch viel
weiteren und unbeirrbaren Geschehens ringsum zu ver»
spüren, ist ein Geschenk des geistigen Menschen, dessen
Größe und Einfluß man nicht ermessen kann. Georg
Geyer
war ein solcher Wanderer auf den Pfaden der
Schönheit und der Versenkung. Fort und fort flössen ihm
die glücklichen Segnungen des begierlosen Schauens und
Erkennens zu, ein unbegrenzter Strom inneren Reichtums
inmitten der äußerlichen Armut und Beschränktheit.
So sehe ich ihn vor mir mit glückvollen Augen, ein
Besessener der Alpenschönheit, ein Wanderer mit unstill-
barer Sehnsucht nach neuem Schauen und tieferem
Fühlen.
Otto Ampferer, Wien.
Julius Waizer 1'. Am 25. Januar 1937 jährte sich der
Todestag des in Innsbruck verschiedenen Rechtsanwaltes
Dr. Julius Waizer, der weit über die Landesgrenzen
bekannt und geschätzt war. Er erreichte ein Alter von
57 Jahren. Eine Lungenentzündung brachte diese kraft-
und gesundheitsstrotzende Hünengestalt im Laufe weniger
Wochen zur Strecke.
In Klagenfurt geboren, oblag er daselbst den Gym-
nasialstudien, die er in Salzburg beendigte. Von seinem
Vater, der mit Amthor, einem der ersten alpinen
Neiseschriftsteller, schon in den Fünfzigerjahren in zahl-
reichen Schriften für die Schönheiten der Alftenwelt warb,
mag er jene innige Verbundenheit mit der Natur geerbt
haben, die das ganze Wesen dieses prächtigen Menschen
beherrschte.
Den Salzburger Gymnasiasten verband schon frühzeitig
innige Zuneigung zu seinem damaligen Turnlehrer Lud-
wig Purtscheller, dessen kühne Bergfahrten ihn be-
geisterten. Kein Wunder also, daß auch er sich schon in
jungen Jahren den Bergen mit inniger Liebe zuwandte.
Zunächst hatten es ihm die Hohen Tauern und die Ziller-
taler angetan, deren meiste Gipfel er bereits als Student,
vielfach allein, bezwang. Dann kamen die Dolomiten,
Karnischen Alpen und Karawanken an die Reihe, endlich
die Iulischen Alpen, deren schroffe Wände und Welt-
entlegenheit ihn ganz besonders anzogen. In den meisten
dieser Gruppen hat Dr. Waizer Erstlingsturen ausge-
führt, die sich auch nach heutigen Vergsieigerbegriffen
sehen lassen können. Auch den Kauptgiftfeln der West-
alpen stattete er so manchen Besuch ab.
Dr. Waizer war auch einer der Pioniere des alpinen
Schilaufes. Schon 1900 begann er mit dem damals in den
Ostalpen wenig bekannten Schilauf. In den Bergen um
den Millstättersee, des kärntnerisch-steirischen, bzw. salz-
burgischen Grenzgebietes, zog er so manche erste Schispur.
In jener Zeit hat er auf Schiern zweimal die Dolomiten
von Osten nach Westen durchquert. Als sich Dr. Waizer
dann im Jahre 1904 in Innsbruck dauernd niederließ,
blieb er auch da seiner Liebe zum Sport und zu den Ver-
gen treu. Er machte so manchen Abfahrtslauf mit und
stellte auch seinen Mann bei den ersten Schispringen. Als
Kärntner tat er bei vielen Regatten am Wörthersee mit,
und in Innsbruck befuhr er als einer der ersten im Falt-
boot den Inn.
Die Beschäftigung mit der Natur hat dem Verstor»
denen stets mehr Freude gemacht als die Widerwärtig-
leiten seines Berufes. Bekannt sind seine Neliefarbeiten,
von denen besonders die Darstellung der Venedigergruppe
allgemeine Anerkennung fand.
Im Weltkrieg hatte Dr. Waizer die Genugtuung, seine
umfassenden Gebirgskenntnisse in den Dienst des Vater»
landes zu stellen. An den Kämpfen im Adamellogebiet
nahm er hervorragenden Anteil. Als dann 1916 die Berg-
führertrupfte ins Leben gerufen wurde, erhielt Dr. Waizer
das Kommando der Vergführerabteilungen im Adamello-,
Presanella-, Iudikarien- und Nivaabschnitt und beriet als
Alpinreferent des
XX.
Korps den Generalstab in allen
die Verteidigung dieser Kochgebirgsfront betreffenden al-
pinen Fragen. Er kannte jede Stellung — von den Feld-
wachen des Tonalepasses bis zum, Gardasee.
Es wäre ganz unbegreiflich, wenn dieser naturverbun-
dene Mensch nicht auch für die Objekte der Natur Liebe
und Verständnis gehabt hätte. So wandte er sich mit be-
sonderem Eifer naturwissenschaftlichen Aufgaben, voran der
Mineralogie, zu. Er kannte.fast alle Minerallagerstätten
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