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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.01 (1870)
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Was versteht man unter Tauern?

Eine alpine Studie.

Von Heinrich Wallmann.

Ueber den Begriff »Tauern« herrschen sowohl bei Alpen¬
forschern und Touristen , als auch in Büchern und Karten¬
werken verschiedene und selbst widersprechende Ansichten. Es
wäre im Interesse der alpinen Wissenschaft wünschenswert!),
dass über diesen Gegenstand ein klares unzweideutiges Ver-
ständniss Platz greifen und eine festgestellte Lehrmeinung von
den Geographen und Alpenforschern unabänderlich angenommen
werden möchte.

Der Höhenzug , welcher Italien und Istrien bogenförmig
umspannt, und welchen die Römer »Alpes« nannten, erhielt
auch von den deutschen Geographen den antiken Namen
»Alpen«. Das Volk der sog. Alpen (die Aelpler) kennt im
obigen Sinne diese Bezeichnung nicht. Die Gebirgsvölker
verstehen unter Alpen keinen Höhenzug, keine Eisberge, son¬
dern grüne Sommerweiden , Gebirgs -Weideplätze , Sennereien
(Milch- und Käsewirthschaft). Daher rühren die Namen
»Alpenhütten (Sennhütten, mundartlich Almhütten), Alpenvieh,
Alpenwirthschaft« u. dgl. In diesem Sinne werden die Alpen
(»Alpe« in der Schriftsprache, gewöhnlich mundartlich »Alben«
und mundartlich verschlungen »Albm, Alm, Alp« genannt) in
Niederalpen (auch Grund- oder Voralpen; Vorsässalpen genannt,
welche sich im Thalgrunde befinden und in der Regel die
besten sind) , in Frühalpen (auch Zualpen genannt , auf die