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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.01 (1870)
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C. Nägeli.

Es bleibt unerklärt, warum eine Art auf einer Localität noch
fortkommt und auf einer andern, etwas tiefer liegenden, mangelt,
warum an einer Stelle noch die einen, an einer andern dagegen
andere Arten als die letzten zu bestehen vermögen. Wenn
wir von diesen hochgelegenen Punkten die Zahl der schnee¬
freien Tage und die Procentzahl der schneefreien Jahre kennten,
so wäre mit Zuziehung der absoluten Höhe wohl das Räthsel
gelöst , und es würden sich für die letzten , in der Nähe, der
Schneeregion lebenden Gewächse, die nicht mit einander, son¬
dern nur mit den feindlichen Naturkräften den harten Kampf
um ein kümmerliches Dasein bestehen, höchst wahrscheinlich
bestimmte Zahlen, die aber für jede Art etwas verschieden
sind, als die Bedingung der Existenz erweisen. Es wären also
die hochgelegenen Punkte nicht bloss Jahr für Jahr rücksicht¬
lich der Schneeschmelze und des Einschneiens zu beobachten,
sondern auch einmal wenigstens durch einen Botaniker rück¬
sichtlich ihrer Vegetation genau zu untersuchen.

Ich schliesse, indem ich die Vorschläge zur Erforschung
der Schneeregion kurz zusammenfasse:

1) Bloslegung des vom Eirn bedeckten Bodens durch einen
Schacht, damit verbunden Untersuchung dieses Bodens auf
Organismen und deren Ueberreste, auf Humus, auf das Stadium
der Gesteinsverwitterung; Untersuchung der verschiedenen Firn¬
schichten auf eingeschlossene mikroskopische Organismen, auf
die physikalische Beschaffenheit, auf die Temperaturveränder¬
ungen mit zunehmender Entfernung von der Oberfläc he ; Fest¬
stellung der Bewegung des Firns in den verschiedenen, nament¬
lich in der tiefsten Schichte; Prüfung der Unveränderlichkeit
von lebenden und todten , auf dem Grunde des Firns ver¬
grabenen Organismen und von oxydationsfähigen Verbindungen.

2) Sondirungen über die Tiefe des Firns durch Bohrlöcher,
verbunden mit Temperaturbeobachtungen, insoferne solche Son¬
dirungen der Inangriffnahme eines Schachtes vorausgehen
müssen.

3) Errichtung von tief eingerammten Stangen auf dem
Firn, an denen die Bewegung desselben, sowie das Steigen und
Fallen jährlich zu beobachten ist.