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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.02 (1871)
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Centralalpen, Glocknergruppe.

nicht geleugnet werden kann, dass manchmal die Wirthe
in der Auswahl der Führer durchaus nicht nach voller
Gerechtigkeit verfahren, so sind doch oft solche Klagen,
die wir da und dort über den von den Wirthen auf die
Führer ausgeübten Druck erfahren, unbegründet oder doch
wenigstens stark übertrieben.

22. Von Ferleiten nach Kais.

Von J. Stüdl.

Am 20. September übte Jupiter Pluvius eine schlimme
Herrschaft, die Nebel hingen buchstäblich bis zu unserem
Hausdache herab. Wieder war die Fuscherkarkopf-Ersteig-
ung zu Wasser geworden. Es goss den ganzen lieben
langen Tag in Strömen, als wollte der Himmel all 1 seine
Vorräthe an einem Tage uns herabsenden. Da hiess es
geduldig in das Schicksal sich fügen und so gut als es
eben ging mit den wenigen Unterhaltungsmitteln, die Fer¬
leiten uns bieten konnte, sich befassen. Als jedoch am
nächstfolgenden Tage der Regen noch immer in gleicher
Unbarmherzigkeit zum Fuscherthale herniederprasselte, da
riss uns der Faden der Geduld und wir beschlossen, trotz
Nebel und Wind und Sturm aufzubrechen und hinüber
nach Kais zu wandern. Um G Uhr Morgens verliessen
wir Ferleiten und wanderten der Unteren Pfandlscharte zu.
Ich kann nicht gerade sagen, dass unser Marsch gemüth-
lich war. Schon nach etwa Vjt Stunden waren wir bis
auf die Haut nass, dazu genossen wir von den Schönheiten,
die dieser Weg bei heiterem Wetter uns bietet, nicht das
mindeste. Zum Glück, dass wir ihn Alle schon früher
unter günstigeren Verhältnissen kennen gelernt hatten,
heute wäre es unmöglich gewesen, auch nur in annähern¬
der Weise sich einen Begriff davon zu machen. Zu unserer
Linken hatten wir beständig den Bach, der sich in der